Das Portrait von Bellinis Arie CASTA DIVA
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Die Arie – Handlung & Analyse
Handlung: Im heiligen Wald der Druiden. Eine rituelle Zeremonie ist im Gange. Die Seherin Norma wird heute Nacht die heiligen Misteln schneiden und den Willen des Gottes Irminsul verkünden. Die Druiden hoffen, dass das Orakel einen Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht prophezeien wird. Norma hat heimlich zwei Kinder mit dem Prokonsul der römischen Besatzungsmacht gezeugt, und so als Priesterin ihr Keuschheitsgelübde gebrochen. Sie schneidet die Mistel. Bei Vollmond fleht Norma die keusche Mondgöttin um Frieden an.
Die Arie spielt in einer mondbeschienenen Nacht. Bellinis Orchester- Begleitung ist einfach, jedes Wort ist durch die Zurückhaltung der Orchestrierung verständlich und gibt der Bedeutung des Textes und damit dem Ritual der Druiden eine dramatische Bedeutung.
Bellini hat die Arie in enger Zusammenarbeit mit Giuditta Pasta, der Sängerin der Uraufführung geschrieben. Nicht weniger als neun Entwürfe soll Bellini geschrieben haben. Mit Pasta hatte er schon die Partie der Amina in «La sonnambula” entwickelt. Ursprünglich hat Bellini die Arie in G-Dur geschrieben. Aber die Pasta wünschte sie etwas tiefer. Sie wurde seither in der Regel in der F-Dur Variante (also einen Ton tiefer) gesungen, die untenstehenden Notenbeispiele sind in dieser Tonart notiert.
Bellini hat eine Begleitung mit einem fixen Begleit-Muster gewählt. Ein wogender 12/8 Takt erlaubt der Singstimme die Freiheit des Rubatos, die Stimme schwebt über dem Orchester und die Sängerin kann so der Arie ihre Prägung geben. Verdi sprach von der «langen Melodie» Bellinis. Man weiß, dass Bellinis Stil Chopin inspiriert hat. Viele seiner Nocturnes sind exakt in dieser Art geschrieben.
Für die Arie braucht Bellini nur eine eintaktige Einleitung und der Zuhörer fühlt sich versetzt in eine mondbeschienen Nacht. Über den Streichern hören wir eine Flöte, welche die Melodie exponiert.
Die Sängerin singt die lange Melodie mit breitem legato. Sie muss im pianissimo die Intimität der nächtlichen Szene hinzaubern.
Ein erster Höhepunkt kommt nach 10 Takten mit einem mehrfach wiederholten A.
Wiederholte Verzierungen schließen den ersten Teil ab.
Der erste Teil wiederholt sich, gewinnt aber an Intensität und ein dramatisches hohes B leitet den Abschluss dieses Teils ein. Dabei werden die folgenden A des Librettos oft eine Oktave höher gesungen als geschrieben, um mit stärkeren Tonsprüngen die Dramatik der Szene zur erhöhen.
Eine breit angelegte Verzierung leitet den leisen Schluss dieser wunderschönen Arie ein.
Casta Diva wurde zu einer der grössten und bedeutendsten Arien der Belcanto Periode. Die Kombination eines breitangelegten Crescendos und einer sich höherschraubenden Melodie bewegen den Hörer und ergeben zusammen mit dem Zauber der Mondnacht ein stimmiges und packendes Tongemälde.
Die Arie – der Text von CASTA DIVA
Ein Lob gehört auch dem Texter Romani, der inspirierende Worte für diese Arie fand. Romani war der begehrteste Librettist seiner Zeit. Zwischen ihm, dem 15 Jahre älteren Librettisten, und Bellini entstand schon früh eine Freundschaft, die der Zusammenarbeit förderlich war. Romani schrieb insgesamt sieben Opernlibretti für Bellini in einer sechsjährigen Zeitspanne und war damit eine wichtige literarische Bezugsperson für den frühreifen und produktiven Komponisten.
Casta Diva, che inargenti
Queste sacre antiche piante
A noi volgi il bel sembiante
Senza nube e senza vel
Tempra, o Diva
Tempra tu de cori ardenti
Tempra ancora lo zelo audace
Spargi in terra quella pace
Che regnar tu fai nel ciel.
Fine al rito, e il sacro bosco
Sia disgombro dai profani
Quando il Nume irato e fosco
Chiegga il sangue dei Romani
Dal Druidico delubro
La mia voce tuoner
Cadr punirlo io posso
Ma, punirlo, il cor non sa
Ah! bello a me ritorna
Del fido amor primiero…
Keusche Göttin im silbernen Glanze,
Baue Segen auf die dir geweihte Pflanze!
Deines Anblicks lass uns erfreuen,
Wolkenfrei und schleierlos!Schleierlos, ja, schleierlos!
Lass nicht Zwietracht sich erneuen,
Träufle Balsam in die Wunden,
Bis den Frieden wir gefunden,
Der erkeimt aus deinem Schoss.
Stimmfach “dramatischer Koloratursopran”
Die Rolle der Norma ist für einen dramatischen Koloratursopran geschrieben. Der dramatische Koloratursopran muss sowohl die Fähigkeit zur Koloratur als auch die Fähigkeit besitzen, den dramatischen Ausdruck mit einem größeren Stimmvolumen zu beherrschen. Wenn diese Stimme auch lyrische Stimmen singen kann, kann es vorkommen, dass der “dramatische Koloratursopran” ein breites Repertoire singen kann.
Grosse Interpretinnen der Arie CASTA DIVA
Die erste Einspielung stammt von Maria Callas, aus der Live Aufnahme mit dem Dirigenten Votto. Norma war die Oper, die Maria Callas am häufigsten gesungen hat. Von ihren rund 500 Opern-Auftritten waren 89 der Norma gewidmet und “Casta Diva” war ihre Signature-Arie. Callas’ Kantilene ist expressiv und flutet, und das hohe B ist wunderschön gesungen. In kaum einer Arie ist sich die Fachwelt so einig, welche Sängerin die beste Interpretationen lieferte wie in diesem Stück.
Casta Diva – Callas
Die größte Norma nach der Zeit von Callas war vermutlich Joan Sutherland. Sie entdeckte als erste wieder die ursprüngliche Tonart und sang die Arie in höheren G-Dur.
Casta Diva – Sutherland
Yoncheva wagte sich 2016 an die Rolle, nachdem Anna Netrebko letztendlich doch verzichtete die Rolle im Convent Garden zu singen. Sie überzeugte in dieser schwierigen Rolle. Sie macht dieses Gebet zu einer träumerischen Kantilene.
Casta Diva – Yoncheva
Die Voraussetzungen von Montserrat Caballé für die Rolle der Norma waren nicht ideal. Einerseits wurden ihr von den Experten nicht die Gesangstechnik einer Sutherlandes oder Callas für die Koloraturen zugesprochen und andererseits war das Fach für sie als lyrischer Sopran zu schwer. Ihre Qualitäten waren die flutenden Töne und die hohen Pianissimi. Dennoch erklärte Caballé, dass ihre Norma 1974 die größte Leistung ihrer Karriere gewesen sei.
Casta Diva – Caballé
Rosa Ponselle war gemäß Tullio Serafin neben Caruso und Tita Ruffo eines der drei «Weltwunder». Kesting: „der Fluss der Stimme, die helle Leuchtkraft der Stimme, die Geschmeidigkeit der Melismen sind von berauschender Schönheit.“ Sie singt die Arie in dieser Aufnahme ohne Wiederholung.
Casta Diva – Ponselle
Dem Charme der Aufnahme von Anita Cerquetti kann man sich kaum entziehen. Ihre Stimme hat eine «heisere» Eindringlichkeit. Cerquetti wurde bekannt, als sie 1958, nur zwei Tage nach einer Norma-Vorstellung in Neapel, für die erkrankte Maria Callas als Norma in Rom einsprang. In diesem Monat sang die damals 27-jährige dann abwechselnd in Rom und Neapel jeweils diese Rolle. 3 Jahre später bekam sie stimmliche Schwierigkeiten und sie musste ihre Sängerinnen-Laufbahn beenden. Vermutlich wegen Überbelastung der Stimme.
Casta Diva – Cerquetti
Wir hören eine Aufnahme von Leyla Gencer. Ihre stimmliche Darstellung ist ungemein dramatisch und bewegend. Gencer war eine Zeitgenossin Callas’ und eine renommierte Spezialistin des Belcanto Repertoires, leider wurde sie von der Schallplattenindustrie weitgehend ignoriert.
Casta Diva – Gencer
Zum Schluss darf Netrebkos Interpretation nicht fehlen. Schade, dass sie die Norma nie auf der Opernbühne gesungen hat!
Casta Diva – Netrebko
Peter Lutz, opera inside, der Online-Opernführer zur Arie “CASTA DIVA” aus der Oper Norma von Vincenzo Bellini.
Danke. Tolle Informationen.