Online-Opernführer & Handlung zu Wagners PARSIFAL
Wie Verdis “Falstaff” und Puccinis “Turandot” gehört der “Parsifal” zu den letzten, altersweisen Worten eines Meisters. Mit “Parsifal” strebte Wagner nach etwas Universellem, das die Kunstausübung in den Rang eines Festes erheben sollte, ein “Bühnenfestspiel”, wie Wagner es nannte. Daraus entstand ein einzigartiges Werk, das mit seiner mythisch-religiösen Thematik und seinem geistig-musikalischen Gehalt bis heute fesselt.
Inhalt
♪ Akt I
♪ Akt II
♪ Akt III
♪ Akt IV
Highlights
♪ Vorspiel
♪ Titurel, der fromme Held, der kannt’ ihn wohl
♪ Nun achte wohl und lass mich sehn
♪ Wie dünkt mich doch die Aue heute schön (Karfreitagszauber)
Aufnahmeempfehlung
Uraufführung
Bayreuth, 1882
Libretto
Richard Wagner nach dem Tannhäuser-Märchen von Wolfram von Eschenbach, der Chronik der Artus-Sagen von Chrétien de Troyes und verschiedenen mittelalterlichen Quellen.
Die Hauptrollen
Amfortas, Gralskönig (Bariton) - Gurnemanz, Gralsritter (Bass) - Parsifal, dummer Narr (Tenor) - Klingsor, abtrünniger Ritter (Bass) - Kundry, Zauberin (Sopran oder Mezzosopran) - Titurel, Amfortas' Vater (Bass)
Aufnahmeempfehlung
PHILIPPS, Jess Thomas, Hans Hotter, George London, Martti Talvela, Gustav Neidlinger, Irene Dalis, dirigiert von Hans Knappertsbusch und dem Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele.
Die Inhaltsangabe
Kommentar
Biografische Aspekte
Wagner komponierte den Parsifal in der letzten Phase seines Lebens (1878-1882), und er war sich bewusst, dass es sein letztes Werk sein würde. Er litt schon seit vielen Jahren an schweren Herzproblemen. Die Anfälle häuften sich und er befand sich dauerhaft in einem fragilen Gesundheitszustand. Zudem belasteten ihn seine finanziellen Probleme; die finanzielle Belastung durch das 1876 erbaute Festspielhaus war enorm, und aus Sorge um sein Lebenswerk hatte er sich in den siebziger Jahren eine hohe Arbeitsbelastung auferlegt. Die Winter in Bayreuth waren sehr kalt und neblig und er entging ihnen durch regelmäßige Reisen in den Süden, wo er gelegentlich Inspiration für die Komposition des “Parsifal” fand. Der Besuch in Rapallo im Garten des Palazzo Rufolo inspirierte ihn zu Klingsors Garten (“Ich habe den Zaubergarten von Klingsor gefunden!”) und der Dom in Siena wurde zum Vorbild für die Kuppel von Montsalvat.
Entwicklung des Librettos
Der erste offizielle Entwurf einer Handlungsskizze stammt nach Wagners Angaben aus dem Jahr 1857; auf die Parzifal-Sage war Wagner sogar schon 10 Jahre zuvor während des berühmten Marienbader Sommers bei der Vorbereitung des “Tannhäuser” gestoßen. Die Skizze von 1857 ging verloren, die endgültige Fassung wurde erst 20 Jahre später niedergeschrieben. Der gesamte Prosatext stammt von Wagner und basiert auf verschiedenen mitteleuropäischen Sagen. Die wichtigsten waren Wolfram von Eschenbachs Tannhäuser-Märchen und die Chronik der Artussagen von Chrétien de Troyes.
Als Wagner die Gralssage konzipierte, musste er einige inhaltliche Entscheidungen treffen, da einige Elemente der Artussage in Bezug auf Ursprung und Gestaltung unklar sind. So war z. B. unklar, ob der Gral ein Gefäß oder ein Stein war oder wo sich die Burg Montsalvat befand und benannt war. Außerdem fügte er seine eigenen Ideen hinzu, von denen die bedeutendste seine eigene Schöpfung der Kundry ist, die wahrscheinlich auf die buddhistische Reinkarnationsmystik zurückgeht (basierend auf einer legendären Figur von “Cundrie la Surziere”).
Die Musik
Wagner wollte für Bayreuth und Parsifal einen neuen Orchesterklang schaffen. Er machte ihn weniger blechlastig als im Ring und die Klangfarben der Instrumente gingen mehr ineinander über, was Debussy inspirierte. Er war ein glühender Wagner-Anhänger und erklärte, dass “Pelléas” ohne “Parsifal” nicht denkbar gewesen wäre. Die Orchestersprache wurde im “Parsifal” insgesamt wichtiger und nahm auf Kosten der Singstimme mehr Raum ein als in den vorherigen Werken; die Rolle des Parsifal ist die kürzeste aller Hauptrollen Wagners.
Wagner verwendete in diesem Werk wie üblich Leitmotive. Ihre Bedeutung hatte sich seit dem Ring verändert. Die Zusammenhänge zwischen den Motiven sind noch wichtiger geworden: Sie zeigen Zugehörigkeiten an (z. B. weisen diatonische Motive auf die Welt von Montsalvat und chromatische Motive auf die Welt von Klingsor), zeigen Zusammenhänge auf (viele kleine Leitmotive wurden von größeren Leitmotiven – so genannten Grundthemen – abgeleitet – siehe das Beispiel im Kommentar zur Ouvertüre), und es gibt Motivgruppen, die musikalisch miteinander verwandt sind (z. B. die Motive von Kundry, die religiösen Motive usw.). Die Motivarchitektur ist sehr ausgefeilt, und Sie werden in diesem Opernporträt etwa ein Dutzend Motive kennenlernen.
Interpretation
Die Interpretation dieses Werkes ist nicht einfach und sehr komplex. Wie immer hat sich Wagner davor gehütet, eine offizielle Interpretation des Werkes zu hinterlassen. Er hat jedoch einige interpretatorische Hinweise gegeben, wie zum Beispiel, dass die Suche nach Erlösung und Wiedergeburt das Kernthema bildet, und er hat das Werk als ein Bühnenfestspiel, als etwas Sakral-Religiöses bezeichnet. Ob die Aussage nur christlich oder universeller, mythischer Natur ist, ist umstritten. Obwohl die in diesem Werk verwendeten Reliquien und Rituale überwiegend christlichen Ursprungs sind, ist eine Reduktion auf christliches Gedankengut nicht unumgänglich. Wagner schrieb in seinen späten Jahren während und nach der Komposition des Parsifal in seinen Bayreuther Blättern einige Aufsätze, die den Stoff sogar in die arische, antisemitische Ecke stellen, aber man sollte sich bewusst sein, dass die (ideelle) Genese des “Parsifal” mindestens bis in die fünfziger Jahre zurückreicht und dort Schopenhauersche Gedankenwelten dominierten und bestimmte Ansätze des (gescheiterten) buddhistisch inspirierten Projekts “Die Sieger” als philosophischer Rahmen für den “Parsifal” dienten.
Von christlicher Nächstenliebe ist in dieser Oper seltsam wenig zu spüren, umso mehr dreht sich alles um die Erlösung, Wagners Lebensthema. Fast alle Figuren, die den “Parsifal” bevölkern, wollen auf irgendeine Weise erlöst werden. Amfortas von seinen körperlichen Schmerzen, Kundry von ihren seelischen Qualen, Gurnemanz und die Ritter von der unfreiwilligen Aufgabe des Rituals, und selbst Parsifal wird durch Kundrys Kuss erlöst. Bei letzterem sprach Wagner sogar von der “Erlösung des Erlösers”.
Eine weitere wichtige Interpretationsdimension findet sich in der venezianischen Begierde. Oberflächlich betrachtet finden wir in der Gralsschale Symbole des Weiblichen und im Speer des Männlichen. Die Ritter können die lebensspendende Wirkung des Gralsrituals nur mit vereinter Lanze und Schale erfahren, obwohl ihnen Keuschheit auferlegt wird. Amfortas wurde mit Kundry unkeusch und musste dafür büßen. Klingsor wollte dieser schweren Prüfung entgehen und entmannte sich. Eine solche Keuschheit war jedoch unangemessen, da sie als “Entsagung” von innen kommen musste. Folglich wurde Klngsor verstoßen und wurde zum Rächer. Diese Schopenhauersche Entsagung, die wir bereits bei Hans Sachs erlebt haben, fand bei Ludwig II. besonderen Anklang, der in seiner eigenen Homosexualität einen Resonanzboden erfahren haben mag. Eine einzigartige Figur ist Kundry, die sich in beiden Welten bewegt. Noch im Tannhäuser trennte Wagner die Hure (Venus) und die Heilige (Eva) säuberlich voneinander. Im Parsifal ist Kundry die undurchsichtige Dienerin in Montsalvat und “Hure” in Klingsors Reich, und wird zu einer schizophrenen Frau, immer auf der Suche nach Erlösung durch einen Reinen, der ihren Verführungskünsten widerstehen und Tränen und Mitleid in ihr auslösen kann.
Erstaufführung und Neubearbeitung
Wagner hatte ausdrücklich festgelegt, dass “Parsifal” nur in Bayreuth aufgeführt werden sollte. Künstlerisch wurde dies dadurch unterstützt, dass er die Inszenierung auf das Festspielhaus abgestimmt und das Werk als Bühnenweihfestspiel konzipiert hatte, dessen religiöse Thematik zu einem “Wallfahrtsort” wie Bayreuth passte, für ein “vergnügungssüchtiges” Theater aber denkbar ungeeignet gewesen wäre. Außerdem sollten die Einnahmen aus einem Bayreuth-exklusiven “Parsifal” die finanzielle Zukunft Bayreuths sichern helfen. Die Uraufführung fand 1882 in Bayreuth vor einem illustren Publikum unter der Leitung von Hermann Levi statt. Die Festspiele fanden in diesem Jahr zum ersten Mal seit dem finanziellen Fiasko von 1876 wieder statt und waren ausschließlich dem “Parsifal” gewidmet. In der sechzehnten und letzten Aufführung übernahm Wagner im dritten Akt den Taktstock und dirigierte zum letzten Mal in seinem Leben. Wie der “Tristan” übte auch der “Parsifal” eine enorme Wirkung auf andere Komponisten aus. Zu den glühendsten Bewunderern gehörten Claude Debussy, Gustav Mahler und Giacomo Puccini. Der gesetzliche Schutz des Werks dauerte 30 Jahre, und ab 1913 durften auch andere Theater das Werk aufführen (tatsächlich gab es bis dahin nur eine Handvoll Aufführungen). Die Metropolitan Opera schlug den Theatern sogar vor, auf Aufführungen zu verzichten, doch ab 1913 wurde die Welt von einer Parsifal-Manie erfasst, und alle wollten das Werk ihrem Publikum vorführen. Wagners Witwe Cosima versuchte, die Schutzfrist im Deutschen Reichstag zu verlängern, doch der Antrag wurde abgelehnt.
Wieland Wagners Parsifal von 1951
Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Bayreuth nach einem Neuanfang suchen. Die ersten Festspiele fanden 1951 statt und man suchte diesen Neuanfang mit einer Neuinszenierung des Parsifal. Wagners Enkel Wieland gestaltete sie völlig neu. Er verzichtete auf jede Naturalisierung und setzte auf ein karges Bühnenbild, unterstützt von einer eindringlichen Lichtregie. Selbst die Taube erschien nur noch als Lichtpunkt (was den Dirigenten Knappertsbusch zur Weißglut treiben sollte). Musikalisch wurde diese Neuinszenierung von Hans Knappertsbusch dirigiert, der als ehemaliger Assistent des Wagner-Mitarbeiters und Dirigenten Hans Richter mit seinen breiten Tempi die Tradition fortführte. Diese Inszenierung wurde zweimal sorgfältig aufgenommen (1951 und 1962), und die 62er Version wurde wegen ihrer besseren Aufnahmetechnik (Stereo) zur Referenzaufnahme, auch wenn die Leistung der Sänger in der 51er Aufnahme etwas besser war.
Parsifal Vorgeschichte
Vorgeschichte: Einst erhielt König Titurel von einem Engel die Reliquien Christi: den Speer, mit dem er am Kreuz von Golgahta in die Seite gestochen wurde, und den Kelch, mit dem dann das Blut Christi aufgefangen wurde. Zum Schutz dieser Reliquien baute er auf der nördlichen, christlichen Seite des Berges die Burg Montsalvat und gründete den Orden der Gralsritter, dem nur Männer beitreten können, die aus innerer Überzeugung keusch bleiben. Klingsor, ein abtrünniger Ritter, baute sich auf der südlichen, arabischen Seite eine Zauberburg und versuchte, die Ritter mit seinen Blumenmädchen zu verführen und den Gral zu stehlen. Titurels Sohn Amfortas machte sich auf, um Klingsor mit Hilfe des Speers zu besiegen, der selbst heilige Ritter besiegen kann. In Klingors Zaubergarten wurde der keusche Amfortas von der dämonischen Kundry verführt, und Klingsor gelang es in einem Moment der Unachtsamkeit, die Spera zu stehlen. Er behielt es und schlug Amfortas eine Wunde, die niemals heilen sollte.
PARSIFAL Akt I
Das programmatische Vorspiel
Handlung: In einem Wald in den Bergen Nordspaniens. Nicht weit von der Gralsburg Montsalvat.
Gleich zu Beginn erklingt das “Liebesmahl-Motiv”, ein raumgreifendes Thema:
Besonders auffallend ist die synkopische Form, bei der es kein Metrum gibt und ein Gefühl der Entrückung, des Schwebens entsteht. Wagner selbst bezeichnete sie als das zentrale musikalische Thema des Werks. Es wird zum musikalischen Motiv des Abendmahlsrituals im Finale des ersten Aktes. Wagner schuf mit diesem langen Thema ein (in Wagners Worten) “Grundthema”, in dem Sinne, dass es in drei Teile zerlegt werden kann, von denen jeder wieder zu einem neuen Motiv wird! Den ersten Teil finden wir im Gralsmotiv, der zweite (kleine) Teil wird zum Schmerzmotiv und der dritte Teil wird zum Speermotiv.
Nach dreimaligem Auftreten des Liebesmahlmotivs hören wir das sogenannte Gralsmotiv, ein weiteres zentrales Leitmotiv dieses Werkes:
Gleich danach hören wir das dritte wichtige Motiv des Präludiums. Es ist das kurze, aber kraftvolle Motiv des Glaubens:
Im ersten Teil des Vorspiels tauchten wir in die musikalische Welt von Montsalvat ein, dessen Musik weitgehend diatonisch war. Mit dem Erklingen eines Tremolos wird die Musik chromatischer und ist dem Themenkomplex des Leidens gewidmet.
Vorspiel – Knappertsbusch
Amfortas sucht vergeblich nach Erlösung von seinem Leiden
Handlung: Der Gralsritter Goornemanz ist am Waldsee unweit der Burg. Er wartet mit seinen Knappen am Rande eines Waldsees auf den König, der jeden Morgen in dem kühlen See badet, um seine großen Schmerzen für einen Moment zu vergessen. Mit ihm ist Koondry, der heilende Kräuter aus Arabien mitgebracht hat. Amfortas wird auf einem Bett hergetragen und nimmt Koondrys Kräuter dankbar an. Wenn sie den König nicht heilen, ist auch sie mit ihren Kräften am Ende. Der König wird zum See getragen.
Für Wagner war die Rolle des Amfortas zentral. Er verglich sein Leiden “mit dem des kranken Tristan des dritten Aktes mit einer Steigerung” (Brief an Mathilde Wesendonck). Alles in diesem Werk dreht sich um seine Erlösung durch Parsifal. Wenn er ankommt, hören wir sein Motiv:
Die Aussicht auf Abkühlung, die Schmerzlinderung und die strahlende Natur von Montsalvat trotzt dem leidenden Amfortas mit einem schönen Thema, dem sogenannten Morgenprachtmotiv:
An dieser Stelle sollte etwas Biographisches/Anekdotisches eingestreut werden. Wie bei vielen seiner Werke hatte Wagner auch für “Parsifal” eine Muse. Cosima schaute weg, als Wagner während der Festspiele 1876 eine Affäre mit seiner französischen Verehrerin Judith Gautier hatte. Als sie später nach Paris zurückkehrte, wurde sie zu einer wichtigen Quelle für Düfte, die sie aus Paris schickte. Wagner war süchtig nach diesen Essenzen und goss zum Beispiel täglich einen halben Krug Irismilch in sein Bad. Er nannte sie “seine Cundrie”, die ihm Essenzen reichte, so wie Kundry es mit dem leidenden Amfortas tat.
Recht so! Habt Dank – van Dam / Hölle
Gurnemanz’ große Erzählung
Handlung: Die Knappen fragen, wer die geheimnisvolle Frau ist. Gurnemanz antwortet, dass sie eine verfluchte Frau ist, die eine Schuld sühnt. Halb tot wurde sie im Wald gefunden, als das Schreckliche mit Amfortas geschah. Er erzählt den Knappen die Geschichte von Amfortas Wunde, die ihn seit Jahren quält und sich seitdem nicht geschlossen hat. Der Speer liegt unerreichbar bei Klingsor. Im Gebet sei Amfortas eine Stimme erschienen, die prophezeite, dass es nur einem reinen, aus Mitleid wissenden Narren gelingen könne, den Speer zu bergen, die Wunde zu heilen und den König von seinen Schmerzen zu erlösen.
Die große Erzählung von Gurnemanz offenbart uns drei weitere zentrale musikalische Motive. Wenn Gurnemanz tief bewegt die Geschichte erzählt, wie Titurel einst Kelch und Speer erhielt, erklingt das Engelsmotiv, das mit dem Glaubensmotiv verwandt ist:
Als Gurnemanz kommt, um über Klingsor zu sprechen, ändert sich die Stimmung und das Klingsor-Motiv erklingt:
In der Erzählung der Prophezeiung, als Engelsstimmen zu Amfortas sprachen, hören wir das Narrenmotiv, das wir schon bei der Erscheinung von Amfortas gehört hatten:
Es ist ein Motiv, das nicht prächtig ist, aber eine seltsame Schattierung bietet und mit dem Amfortas-Motiv verwandt ist, denn der Follower soll Amfortas die ersehnte Erlösung bringen, indem er den Speer zurückerobert.
In dieser Szene hören wir Kurt Moll, der einer der großen Gurnemanz war. Seine Stimme ist ausdrucksstark und warm. Wir hören ihn in der Karajan-Aufnahme.
Titurel, der fromme Held, der kannt’ ihn wohl
Parsifal erscheint und wird zum Hoffnungsträger
Handlung: Nun erscheint ein Mann mit einem toten Schwan in der Hand, den er mit seinem Bogen vom Himmel geschossen hat. Goornemanz ermahnt ihn, dass die Jagd hier verboten ist.
Dieser Fremde ist Parsifal, der mit dem nach ihm benannten Motiv erscheint:
Weil Parsifal in dieser Szene noch ein Narr ist, erklingt sein Motiv unauffällig; erst in seiner strahlenden Form wird es im dritten Satz jubelnd in den Hörnern erklingen.
Weh, Weh! Wer ist der Frevler – Hoffmann / Moll
Die berühmte Verwandlungsmusik
Handlung: Der Gralsritter verlangt den Namen des Jägers zu erfahren. Parsifal erklärt, dass er ihn nicht kennt. Kundry erklärt, dass er von seiner Mutter Herzeleide als Narr erzogen wurde. Daraufhin lädt Gurnemanz den jungen Mann auf die Burg ein, in der Hoffnung, dem Narren begegnet zu sein, der einst den Speer von Klingsor stehlen wird.
Als Gurnemanz und Parsifal sich auf den Weg zur Burg machen, erklingt die prächtige Verwandlungsmusik, eingeleitet durch das Glockenmotiv:
Verwandlungsmusik – Karajan
Wagners Gralsglocken
Als Gurnemanz und Parsifal sich der Burg nähern, hören sie die Glocken. Wagner wollte einen besonderen Glockenklang, “zwei Oktaven tiefer als die Glocken des Stephansdoms in Wien”. Dazu wären aber vier Glocken mit 280 Tonnen Stahl für die vier Töne nötig gewesen. Wagner ließ von der Bayreuther Klaviermanufaktur ein ungewöhnliches Instrument bauen, das den von Wagner gewünschten besonderen Klang erzeugte. In den zwanziger Jahren dachten Siegfried Wagner und der Dirigent Karl Muck um und das Ergebnis der Instrumentenbauer sah aus wie riesige Weinfässer mit darüber gespannten Saiten. Leider wurden sie in den Kriegsjahren eingeschmolzen. Sie sind noch in einer Aufnahme von Muck aus den zwanziger Jahren zu hören und auf einem Foto zu sehen.
Das große Ritual der Kommunion beginnt
Handlung: In der Halle von Montsalvat wird Parsifal Zeuge des Abendmahlsrituals, zu dem Gurnemanz ihn einlädt, um Parsifal für ihre Sache zu gewinnen. Feierlich marschieren die Ritter auf. Schließlich wird Amfortas hineingetragen.
Dieser Einzug wird von einer langen, überwältigenden Musik begleitet. Die Chormusik wird sowohl von sichtbaren, sich bewegenden Chorgruppen als auch von unsichtbaren, von oben erklingenden Chorgruppen gesungen. Auch diese Szene wird durch das Glockenmotiv bestimmt, dessen schreitendes, punktiertes Motiv den Einzug der Ritter andeutet. Im ersten Teil hören wir den Chor der Ritter, der mit starken Crescendi und Decrescendi eine unmittelbare Wirkung erzielt. Mit dem “Chor aus den mittleren Höhen” erfolgt im zweiten Teil (Den sündigen Welten) ein Stimmungswechsel. Mit dem “Knabenchor aus den äußersten Höhen der Kuppel” wechselt die Musik im dritten Teil ins Ätherische.
Nun achte wohl und lass mich sehn – Levine
Amfortas bewegender Monolog
Zusammenfassung: Man hört die Stimme von Amfortas’ Vater, der seinen Sohn ermahnt, seine Pflicht zu erfüllen und die lebenserhaltende Zeremonie zu beginnen. Doch Amfortas, gequält von seinen Schmerzen, die durch das Ritual noch verstärkt werden, will sich dem Ritual verweigern und sehnt sich nach seinem Tod.
Nein, lasst ihn unenthüllt – Weikl
Die Enthüllung des Grals
Handlung: Die Schale wird feierlich enthüllt, ein Lichtstrahl dringt von oben ein und sie erstrahlt in leuchtendem Purpur. Amfortas segnet Brot und Wein, alle sind auf den Knien.
Noch einmal erklingt eine große Chorszene bei der Enthüllung des Grals.
Enthüllet den Gral – Karajan
Handlung: Die Ritter nehmen das Abendmahl ein. Danach verlässt Amfortas den Saal, gefolgt von den Rittern. Gurnemanz und Parsifal bleiben zurück. Fragend wendet sich der Ritter an den Narren, doch Parsifal bleibt unbeeindruckt und Gurnemanz wirft ihn mit den Worten “Du bist nur ein Narr” aus dem Saal. Eine Stimme ertönt von oben: “Aufgeklärt durch Mitleid, der unschuldige Narr”
Wein und Brot des letzten Mahles – Karajan
PARSIFAL Act II
Klingsor befiehlt Kundry, Parsifal zu verführen
Handlung: In Klingsors Zauberschloss. Kundry ist zu Klingsor zurückgekehrt, es ist ihm gelungen, sie wieder zu sich zu locken. Parsifal nähert sich dem Schloss auf seinem Weg von Montsalvat und Klingsor befiehlt Kundry, Parsifal zu verführen, wie sie es einst mit Amfortas tat.
Die Zeit ist da
Handlung: Parsifal erscheint im Garten von Klingsor. Dort versuchen die Blumenmädchen, Parsifal zu verführen, aber ohne Erfolg.
Wagner selbst nannte die Musik der geisterhaften Blumenmädchen “Duftmusik” und gestaltete sie mit eigenen musikalischen Motiven
Szene der Blumenmädchen – Jordan
Handlung: Kundry betritt diese Szene in verwandelter Form als junge Frau. Sie nennt ihn Parsifal und offenbart ihm damit seinen wahren Namen. Sie erzählt ihm von seiner Mutter, die ihn beschützen wollte, aber in seiner Abwesenheit aus Sorge starb.
Wagner hat diese Szene, in der Kundry versucht, Parsifals Gefühle für seine Mutter auszunutzen, im Stil eines Wiegenliedes geschrieben.
Wir hören diese Passage in zwei Interpretationen.
Christa Ludwig war eine ausgezeichnete Kundry. Schon als Venus, Kundrys Alter Ego, war sie eine brillante Verführerin.
Ich sah das Kind – Ludwig
Im Jahr 1950 sang Maria Callas die Kundry, es war das letzte Mal, dass sie in einer Wagner-Rolle auftrat. Es fand in Rom statt und wurde auf Italienisch gesungen. Die Wirkung ist verblüffend. Es ist nicht nur Callas’ Stimme, die “anders” klingt, sondern auch die italienische Sprache mit ihren fließenden, weicheren Vokalen und Konsonanten, die der Szene eine verträumte Note verleiht.
Ich sah das Kind – Callas
Kundrys Verführungsversuch
Handlung: Selbstvorwürfe und Mitleid mit seiner Mutter ergreifen Parsifal. Kundry versucht, seinen Kummer auszunutzen. Doch der Kuss auf seinen Mund, den sie als letzten Gruß seiner Mutter tarnt, hat den gegenteiligen Effekt. Durch ihre Umarmung empfindet er nun Mitleid. Er erkennt Amfortas Schmerz und stößt Kundry von sich.
Parsifals Ausbruch bei “Amfortas! Die Wunde” ist der große Wendepunkt in dieser Oper. Hier wandelt er sich vom reinen Narren zum wissenden, mitfühlenden Menschen.
Wir hören Jonas Kaufmann in dieser Passage, er singt den Parsifal mit kraftvoller Stimme und Kundry stapft im knöcheltiefen Blut der Metropolitan-Produktion aus dem Wagner-Jahr 2013.
Amfortas! – Die Wunde! – Kaufmann
Synopse: Kundry gibt nicht auf. Sie will, dass er Mitleid mit ihr hat und sie erlöst, die einst dem Erlöser am Kreuz spöttisch ins Gesicht gelacht hat. Doch Parsifal kennt nun seine Mission.
Auch für Kundry ist diese Szene der große Wendepunkt; mit diesem Bekenntnis beginnt ihre Sühne.
Wir hören Martha Mödl, eine der großen Stimmdramatikerinnen und die Kundry der fünfziger Jahre. Fast zwei Jahrzehnte lang war sie die exklusive Kundry von Bayreuth.
Grausamer! Fühlst im Herz nur and’rer Schmerzen – Mödl
Klingsor erscheint und versucht, das Blatt zu wenden
Handlung: Kundry sieht die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen und ruft Klingsor zu Hilfe. Er erscheint mit dem Speer und schleudert ihn auf Parsifals Kopf, aber Parsifal ergreift den fliegenden Speer und hält ihn über seinen Kopf, um Klingsors Bann zu brechen, indem er mit dem Speer ein Kreuz zeichnet. Die Burg versinkt, und der Garten verdorrt zu einer Ödnis. Parsifal blickt auf die zusammengesunkene Kundry und ruft ihr zu, dass sie weiß, wo er zu finden ist. Er macht sich auf die Suche nach Montsalvat.
Vergeh, unseliges Weib – Hofmann / Vejzovic / Nimsgern
PARSIFAL Akt III
Die Einöde von Montsalvat
Handlung: In der Gegend von Montsalvat ist es Frühling.
Das Vorspiel zum zweiten Akt beginnt mit einem düsteren Motiv. Diese trostlose Stimmung beschreibt den Niedergang des Ritterbundes. Die Ouvertüre wird nur von Streichern im Stil eines Streichquartetts gespielt. Die Musik ist chromatisch, bleibt im Piano und erinnert sofort an den dritten Akt des “Tristan”.
Vorspiel – Petrenko
Die Rückkehr des Parsifal
Handlung: Gurnemanz hört ein Stöhnen. Er entdeckt Kundry, die halb erstarrt in ihrem Büßergewand auf dem Boden liegt. Als er sie aufweckt, erscheint sie wie verwandelt. Dann entdecken sie in der Ferne einen Ritter, der einen Speer in der Hand hält. Als er seinen Helm abnimmt, erkennen sie den Narren, der sie vor vielen Jahren besucht hat. Gurnemanz erzählt ihm vom Niedergang der Ritterschaft, vom Tod Titurels, der ohne die lebensspendende Wirkung des Rituals sterben musste, und dass Amfortas seit Jahren das Gralsritual verweigert, um seinen Tod zu erzwingen. Parsifal seinerseits erzählt ihm von seiner jahrelangen, steinigen Reise auf der Suche nach Montsalvat, wo er den Speer zurückgeben wollte.
Bewegt, begleitet vom Engelsmotiv, erkennt Gurnemanz die Rückgabe des Speers an und erzählt vom Schicksal der Bruderschaft.
O Herr! War es ein Fluch, der dich vom rechten Pfad vertrieb – Weber / Vinay
Der Segen des Parsifal
Handlung: Parsifal bricht erschöpft zusammen. Gurnemanz, der weiß, dass er Amfortas’ Nachfolger vor sich hat, segnet Parsifal, während Kundry ihm die Füße wäscht. Dann salbt er Parsifals Kopf und begrüßt ihn als Amfortas’ Nachfolger.
Mit den Worten von Gurnemanz “Gesegnet sei, du Reiner, durch das Reine” erklingt das prächtige Segensmotiv:
Begleitet von pathetischen Bläsern führt Gurnemanz dann die Salbung durch:
Gesegnet sei, du Reiner – Sotin / Hoffmann
Der Karfreitagszauber
Handlung: Parsifal wendet sich seinerseits an Kundry und vollzieht die Taufe, um sie von ihren Qualen und ihrer Schuld zu erlösen. Parsifal erkennt für lange Zeit die Schönheit der Natur und des Lebens wieder.
Wagner nannte diese berühmte Szene, die nach Kundrys Taufe stattfindet, “Karfreitagszauber”, der wie die Waldweben ein von Beethovens Pastorale inspiriertes Orchesterzwischenspiel ist. Es zeichnet sich durch das sogenannte Blumenwiesenmotiv aus, das von der Oboe gespielt wird und die anmutigen Farben, Formen und Düfte von Wald und Wiese beschreibt:
Wie dünkt mich doch die Aue heute schön – Thomas / Hotter
Handlung: Nun gehen die drei zur Burg. Parsifal trägt den Speer feierlich vor sich her.
Bei der Verwandlungsmusik hören wir wieder die Glockenmusik (siehe I. Akt), aber in den Bässen wiegt noch ein melancholisches Motiv.
Mittag. Die Stund ist da – Moll
Das Karfreitagsritual
Zusammenfassung: Es ist Karfreitag und in der großen Halle von Montsalvat treffen sich die Ritter zum Ritual. Der sargige Körper Titurels und die Sänfte werden hereingebracht.
Geleiten wir im bergenden Schrein – Karajan
Die Heilung
Handlung: Amfortas steht vor dem Schrein. Schmerzlich spürt Amfortas die Schuld am Tod seines Vaters, weil er den Gral nie wieder enthüllt hat. Die Ritter flehen ihn an, den lebensspendenden Gral zu offenbaren. Amfortas bittet sie, ihn zu töten, um ihn zu erlösen, und überreicht ihnen die Wunde. Parsifal betritt diese Szene und berührt mit der Speerspitze die offene Wunde, die sich auf wundersame Weise schließt. Er überreicht den Speer der Ritterschaft und sich selbst als neuen König.
Nur eine Waffe taugt die Wunde schließt – Kaufmann
Handlung: Parsifal vollzieht nun das Ritual als neuer Gralskönig und der Gral leuchtet wieder. Eine weiße Taube steigt aus der Kuppel herab und schwebt über Parsifals Haupt.
Noch einmal erklingt der himmlische Chor von der Kuppel der Kirche.
Höchstes Heiles Wunder! – Knappertsbusch
Peter Lutz, opera-inside, der Online-Opernführer zu PARSIFAL von Richard Wagner
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