Online Opernführer & Handlung zu Mozarts DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
Mozart sollte für Kaiser Joseph II ein Singspiel schreiben. Er erfüllte seinen Wunsch und schrieb das erste wirklich grosse Werk für dieses Genre. Gleichzeitig sprengte er die Formen des Singspiels und schrieb eines seiner grossen Meisterwerke. Die Entführung wurde einer seiner grössten Erfolge in einem sonnigen Abschnitt seines Lebens.
ZUR BIOGRAPHIE VON MOZART
Inhalt
♪ Handlung
♪ Akt I (Platz Szene)
♪ Akt II (Palast Szene)
♪ Akt III (Entführungs Szene)
Aufnahme Empfehlung
Höhepunkte
♪ O wie ängstlich (Herzklopfen Aria)
♪ Durch Zärtlichkeiten und Schmeicheln
♪ Martern aller Arten (Martern Arie)
♪ Vivat Bacchus (Drink Szene)
♪ Ach Belmonte, ach, mein Leben (Quartett)
♪ Ich baue ganz auf Deine Stärke (Baumeister Arie)
♪ O, wie will ich triumphieren
ROLLEN& HANDLUNG VON DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
URAUFFÜHRUNG
Wien, 1762
LIBRETTO
Gottlieb Stephanie der Jüngere, basierend auf Christoph Friedrich Bretzners Belmonte und Constanze, oder: die Entführung aus dem Serail
HAUPTROLLEN
Die Haupt Personen: Bassa Selim, Türkischer Pascha (Sprechrolle) - Osmin, Palastaufseher des Bassa (Bass) - Belmonte, spanischer Edelmann (Tenor) - Pedrillo, Belmontes Bediensteter und Aufseher über die Gärten des Bassa (Sopran) - Konstanze, Geliebte des Belmonte (Sopran) - Blonde, Zofe der Konstanze (Sopran).
AUFNAHME EMPFEHLUNG
EMI, Edita Gruberova, Kathleen Battle, Gösta Winbergh, Heinz Zednik, Martti Talvela unter der Leitung von Georg Solti und den Wiener Philharmonikern und dem Wiener Staatsopernchor
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KOMMENTAR
Geschrieben in einer glücklichen Phase von Mozarts Leben
Mozart schrieb die Entführung in einer glücklichen Zeit seines Lebens. Der 26-jährige hatte mit dem Umzug nach Wien und mit der Verbindung zu Konstanze sein Glück im Privatleben gefunden und er genoss den Erfolg, den er mit seiner Musik in Wien und Prag hatte. Die Entführung wurde in Wien 1782 uraufgeführt und glänzend aufgenommen. In Prag waren die Reaktionen des Publikums sogar triumphal. Mit dem Entgelt für die Oper konnte er eine Wohnung beziehen und damit die Grundlage für die Ehe mit seiner Frau Konstanze legen. Drei Wochen nach der Uraufführung heirateten die beiden. Ob die Übereinstimmung des Namens seiner Frau und deren der Hauptrolle Zufall sind oder nicht, streiten sich die Experten.
Eine Oper des Singspiels
«Die Entführung aus dem Serail» ist ein Meilenstein des deutschen Singspiels. In Wien dominierte zu dieser Zeit die italienische Oper, deren Hauptvertreter Salieri war. Joseph II regte Mozart an, für das «deutsche National Singspiel» zu schreiben und gab ihm schliesslich einen Kompositionsauftrag. Beim Singspiel handelt es sich um einen schauspielartigen Typus mit volkstümlicher Musik und gesprochenen Dialogen, statt den rezitativischen Dialogen der Opera Seria. Mozart verwirklichte mit diesem Werk die Forderung seines Regenten, mehr noch, er schuf eine glänzende Symbiose deutscher und italienischer Singkunst. Joseph II wohnte der Aufführung bei. Er hatte einen etwas altmodischen Geschmack und meinte lakonisch: «Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viele Noten, lieber Mozart.“ Worauf dieser entgegnete: «Gerade so viel Noten, Euer Majestät, als nötig sind.». Trotz der glänzenden Aufnahme des Werks bekam Mozart die angestrebte Anstellung am Hofe Josephs nicht, er war aber auch zu stolz um die Stellung zu erbetteln.
Der Librettist
Der Librettist Gottlieb Stephanie der Jüngere benutzte als Vorlage des Librettos ein Werk, welches 12 Jahre zuvor in London aufgeführt wurde und ein darauf fussendes Theaterstück von Bretzner. Es hatte die Befreiung einer Europäerin aus einem türkischen Harem zum Thema.
Stephanie hatte eine bewegte Biographie. Er war schon in jungen Jahren Soldat und nahm im Alter von sechzehn Jahren bereits am siebenjährigen Krieg teil und geriet dann 3 Jahre später in Kriegsgefangenschaft. Schliessliche wurde er Schauspieler und schrieb Theaterstücke und Libretti. Das Libretto der Entführung darf man zwar nicht zur hochstehenden Literatur zählen, war aber gut genug um den Funken der Inspiration bei Mozart zu zünden. Allerdings bleiben die Figuren bis auf Konstanze eher holzschnittartig und reichen nicht an da Pontes Rollen-Ikonen wie Don Giovanni, Figaro oder die Gräfin heran.
DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL AKT I
Die „türkische “ Musik: Tribut an die Mode der Zeit
Handlung: Ein Platz vor dem Palast des Bassa.
Die Ouvertüre ist ein glänzendes Musikstück. Sie ist dreiteilig aufgebaut und beginnt im Presto mit dem klassischen „türkischen Schlagwerk“. Mozart setzte die türkischen Effekte im forte ein und verwendete dazu die ergänzenden Instrumente der Piccoloflöte, Becken, Triangel und Basstrommeln. 100 Jahre vorher hatten die Türken Wien zum letzten Mal belagert und in den Jahren vor der Komposition war alles Türkische en vogue. Der Tenor dieser Mode war eine Mischung aus Spott (das Osmanische Reich hatte sich weitgehend aufgelöst) und Faszination für das Exotische und die Schönheit der maurischen Kultur.
Nach dem ersten Teil hören wir im mittleren Abschnitt ein schönes Thema der Oboe, welches in Moll komponiert ist und wir in der Auftrittsarie Belmontes wieder antreffen. Der Schlussteil nimmt das Anfangsthema wieder auf.
Ouvertüre – Etvös
Belmonte ist auf der Suche nach Konstanze
Handlung: Konstanze ist von Seeräubern gefangen worden und zusammen mit ihren Diener Blonde und Pedrillo an den Bassa Selim verkauft worden. Konstanzes Geliebter Belmonte hat dank eines heimlichen Briefs seines Dieners Pedrillo ihren Aufenthaltsort erfahren. Er steht nun vor dem Palast Bassa Selims und plant sie zu entführen.
In seiner Auftrittsarie nimmt Belmonte das Thema des Mittelteils der Ouvertüre auf, Mozart hat es in Dur transportiert. Er schrieb eine hübsche Arie für den Tenor und ermöglicht ihm so einen glänzenden Auftritt.
Hier soll ich dich denn sehen – Wunderlich
Osmin tritt auf
Handlung: Osmin taucht auf. Er ist der Palastaufseher Bassa Selims und hat Blonde, die Dienerin Konstanzes, geschenkt bekommen.
Osmin ist eine klassische Buffo Figur des Singspiels. Seine Musikthemen Themen sind volksliedhaft. Dieses ist in 3 einfachen Versen geschrieben und endet mit einer Kandenz dessen Text ein einfaches Trallalla ist. Der Sänger muss die drei Verse genau gestalten, denn der Textinhalt wechselt. Er beginnt unschuldig („mach ihr all das Leben süsse“) wird im zweiten Vers übergriffig („schliess’er Liebchen sorglich ein“) und verrät im dritten seine Eifersucht („oft lauscht da ein junges Herrchen“).
Der Osmin war eine der Paraderollen von Gottlob Frick, der die Rolle mit komödiantischem Talent ausfüllte.
Wer ein Liebchen hat gefunden – Frick
Handlung: Belmonte spricht ihn an und versucht ihn auszuhorchen. Er erfährt, dass Pedrillo im Palast ist und Osmin eine herzliche Abneigung gegen ihn hat. Osmin ist misstrauisch gegenüber Belmonte und vermutet dass er gekommen ist um Frauen aus dem Serail zu stehlen.
In der literarischen Vorlage spielt die Figur des Osmins nur am Rande eine Rolle. Der Theatermann Mozart erkannte schnell, dass eine Aufwertung dieser Rolle ihm die Sympathie seines Wiener Publikum einbringen könnte. Tatsächlich ist der Kontrast zwischen dem aristokratischen Belmonte und dem einfach gestrickten Osmin bestechend und es ist vergnüglich, Osmin zuzuhören, wie er in diesem Duett den (für ihn) fremden und affektierten Belmonte nachäfft.
Verwünscht seist du samt deinem Liede – Bostridge / Ewing
Pedrillo und Osmin, die Rivalen um die Gunst von Blonde, kommen sich in die Haare
Handlung: Belmonte verlässt Osmin und Pedrillo taucht auf. Er hat die Gunst von Selim durch seine Arbeit in den Gärten gewonnen und will sich mit Osmin vertragen, doch es gelingt ihm nicht die Feindseligkeit des Aufsehers zu beschwichtigen.
Die Arie des Osmin ist ein böses Stück über Folter und Tod welches er den Fremden wünscht, ein klassisches Stereotyp über den bösen Türken.
Solche hergelauffene Laffen – Moll/ Magnusson
Mozarts Lieblingsarie – ein lyrisches Herzklopf-Stück
Handlung: Als Osmin den Platz verlässt, erscheint Belmonte und erkennt Pedrillo. Sein Diener erzählt ihm was vorgefallen ist. Belmonte fällt aus allen Wolken, als er erfährt, dass Konstanze im Harem des Selim gelandet ist. Pedrillo beruhigt ihn, und versichert dass noch nichts passiert sei. Belmonte hat ein Schiff zur Flucht bereit und erzählt Pedrillo von seinem Entführungsplan. Um in den Palast zu kommen, rät Pedrillo seinem Herrn, sich als Baumeister auszugeben, da Architektur das Steckenpferd des Selim sei. Belmonte ist voller Vorfreude auf das Wiedersehen mit Konstanze.
Nicht zum letzten Mal schreibt Mozart ein schönes Stück über ein klopfendes Herz (man vergleiche 10 Jahre später das wunderschöne „batti o batti bel Masetto“ aus dem Don Giovanni), das er im Orchester wunderschön klopfen lässt. Es war eines der Lieblingsstücke Mozarts. Die punktierten Streicher (in Oktaven komponiert) und die schönen crescendi sind sehr gefühlvoll komponiert.
Wir hören in dieser Arie Fritz Wunderlich. Wunderlich galt in den Nachkriegsjahren als der „ideale“ Mozart Tenor. Mozarts Tenor Rollen erfordern eine agile und lyrische Stimme, denn sie müssen in der Regel „nur“ Gefühle singen, denn die Handlung und deren Dramatik findet in den Rezitativen statt.
O wie ängstlich, wie feurig klopft mein liebevolles Herz – Wunderlich
Handlung: Von Janitscharenmusik begleitet taucht Selim in Begleitung von Konstanze auf. Schnell verstecken sich Belmonte und Pedrillo.
Es ist ein farbiger Marsch, den Mozart effektvoll mit türkischen Kolorit geschrieben hat.
Marsch, Singt dem grossen Bassa Lieder
Bassa tritt auf – Mozart verwendet eine reine Sprechrolle
Die Rolle des Selim ist sehr speziell angelegt. Er ist in vielen Szenen auf der Bühne präsent, doch er singt keine einzige Note. Die Figur ist als eine reine Sprechrolle konzipiert. Möglicherweise haben der Librettist und Mozart dies nicht von Anfang an so geplant, sondern es war dem Umstand geschuldet, dass der geplante Sänger aus gesundheitlichen Gründen absagen und aus einer Notlösung eine Dauerlösung wurde.
Inhaltlich bewundert Selim die meiste Zeit Konstanze, wenn sie Arien singt, öfters bezeugt er ihr seine Liebe und ab und zu droht er ihr heftig mir Folter.
Handlung: Bassa erklärt Konstanze zum wiederholten Male seine Liebe, er könnte grausam mit ihr verfahren, doch er will, dass sie ihn aus freien Stücken liebt. Seine Geduld neigt sich langsam dem Ende zu und Konstanze bittet ihn ein letztes Mal um Geduld. Sie kann ihren Geliebten nicht vergessen, dem sie Treue schwur.
Mozart differenziert die Musik des Paars Konstanze/Belmonte auf der einen Seite zu der des Paares des niederen Standes von Blonde/Pedrillo. Die Musik des sozial höhergestellten Paares ist kunstvoller und mit grossen Gefühlen ausgestattet. Davon zeugen die Ernsthaftigkeit der Musik, die emotionalen grossen Tonsprünge und kunstvolle Verzierungen. Alle diese Elemente sind in dieser Arie der Konstanze zu hören. Diese Arie ist technisch sehr heraufordernd, die Koloraturen und vor allem die Tonsprünge erfordern eine grosse Singkunst. Mozart schrieb die Rolle der Konstanze für Caterina Cavalieri. Sie soll von hässlicher Gestalt gewesen sein und zudem auf einem Auge blind. Sie war ein Liebling des Wiener Publikums und Mozart war von ihren Koloraturkünsten begeistert. Mozart schrieb für sie vielleicht seine schwierigsten Sing Rolle. Mozart bestätigte, dass er die Arie in die Kehle der Cavalieri in der Form einer „italienischen Bravour Arie“ geschrieben hat.
Ach ich liebte, war so glücklich…doch wie schnell schwand meine Freude – Gruberova
Handlung: Selim gibt ihr noch einen Tag Bedenkzeit und schickt sie verärgert weg. Da taucht Pedrillo in Begleitung von Belmonte auf, und stellt ihn als Baumeister vor. Selim erlaubt ihm den Eintritt in den Palast und will ihn am nächsten Tag prüfen. An der Pforte will Osmin sie nicht hineinlassen, doch sie schieben ihn weg und treten in den Palast.
In dieser Szene entfaltet sich ein vergnügliches Terzett. Mozart schrieb einen kurzen aber umso effektvolleren Aktschluss, um den Applaus des Publikums einzufordern.
Marsch! Marsch! Trollt Euch fort – Davies / White / Hoback
DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL AKT II
Blonde bläst Osmin den Marsch
Synopsis: Im Garten des Palasts vor Osmins Wohnung. Blonde erklärt Osmin spöttisch, dass man die Herzen Europäischer Frauen nicht damit gewinnt, indem man sie wie Sklavinnen behandelt.
Die Arie der Blonde ist in Singspielmanier geschrieben, doch soll man sich nicht täuschen lassen, Mozart verlangt von der Sängerin, einer klassischen Soubrettenrolle, grosse Singkunst, welche mit Eleganz vorgetragen werden muss. Mozart führt zudem die Stimme bis ins hohe E (im folgenden Musikbeispiel bei 3:45). Das Orchester ist in dieser Nummer lediglich mit Streicher sehr durchsichtig instrumentiert, mit dem Effekt, dass die Stimme «im Schaufenster» steht.
Wir hören dieses Stück von Regula Mühlemann aus einer CD mit Mozart Arien, mit der sie 2017 einen renommierten deutschen Klassik Preis gewann.
Durch Zärtlichkeiten und Schmeicheln – Mühlemann
Handlung: Osmin ist eifersüchtig auf Pedrillo und droht ihr, doch Blonde lässt sich von ihm nicht einschüchtern und schickt ihn fort.
Dieses Duett wurde unter anderem wegen den tiefen Töne des Basses bekannt. Mozart verfügte für die Uraufführung über ein hervorragendes Ensemble, dessen Bass, Ludwig Fischer, „die tiefsten Töne mit Fülle, Leichtigkeit und Annehmlichkeit hervorbringt“. Mozart nutzte dies und komponierte in die Partie einige tiefe Töne, in dieser Arie beispielsweise bis zum tiefen Es.
Ich gehe, doch rate ich Dir – Moll / Watson
Konstanzes grosser Auftritt beginnt
Handlung: Konstanze kommt in den Garten. Sie ist in Gedanken und sehnt sich nach Belmonte.
Mozart schrieb diese Arie in g-moll, derselben empfindsamen Tonart wie Paminas „Ach ich fühls“. Arie und Rezitativ dieser Szene dauern fast 10 minuten. Um die Sängerin zu schonen, wird die Szene ab und zu gekürzt, damit die Stimme für die nachfolgende grosse Arie frisch genug bleibt.
Traurigkeit ward mir zum Lose – Gruberova
Konstanze ist bereit für die Marter
Handlung: Selim erscheint. Er erwartet, dass Konstanze ihm morgen gehört und ihn lieben wird. Doch Konstanze will eher Sterben als sich ihm hinzugeben. Als Selim ihr droht, zeigt sie sich bereit Qualen zu ertragen, deren Erlösung ihre Tod sein wird.
Mozart hat für diese Seelendrama der Konstanze ein überwältigendes Stück geschrieben. Die sogenannte „Martern-Arie“ der Konstanze ist eine der schwierigsten Arien der Opern-Literatur. Sie verlangt Kraft für die langen dramatischen Passagen, eine grosse Koloratursicherheit und einen beträchtlichen Stimmumfang. Sie führt die Stimme bis ins hohe D.
Darüber hinaus ist Durchhaltevermögen von Nöten, denn direkt vor dieser Arie musste die Sängerin bereits eine grosse Arie singen. Ist die vorangehende Arie „Traurigkeit ward mir zum Lose“ in resignativen, hoffnungslosen Ton, so zeigt Mozart Konstanze in der sogenannten „Martern-Arie“ als leidenschaftliche, opferbereite Frau.
Dieses 10 minütige Stück ist musikalisch und dramatisch ungemein gehaltvoll und auch schon als „Konzert für Koloratursopran, Solo Instrumente und Orchester bezeichnet worden“. Die Arie beginnt mit einer ungewöhnlich langen und ouvertürenhaften Einleitung, in der die Soloinstrumente (Oboe, Flöte, Violine, Cello) farbige Passagen spielen.
Wir hören diese Aufnahme von Edda Moser. Moser war eine der grossen Mozart Koloratur Soprane der Nachkriegszeit. Sie war eine Sängerin, die sich ihren Rollen kompromisslos hingab und ihre Stimme nie schonte. Die Kraft ihrer Stimme ermöglichte es ihr nicht nur Koloratur Rollen zu singen, sondern auch im dramatischen Fach zu brillieren. Ihre Aufnahmen der Konstanze und der Königin der Nacht glühten wie eine rote Flamme. Letztere schaffte es sogar als Musiktitel in die Reihe der goldenen Aufnahmen, die das Raumschiff Voyager in die Weiten des Weltraums trug. Die gleichzeitige Agilität und Kraft Ihrer Stimme ist beachtenswert. Hören Sie beispielsweise die Stelle, wo sie das anhaltende C singt und anschliessend einen makellosen Triller singt (6:30).
Martern aller Arten – Moser
Blonde und Pedrillo sind bereit zur riskanten Flucht aus dem Serail
Handlung: Als Blonde alleine ist, tritt Pedrillo zu ihr und erzählt ihr von der Ankunft Belmontes und ihrem Plan noch diese Nacht mit einem Schiff zu fliehen. Blonde ist Feuer und Flamme für den Plan.
Nichts war zu schwierig für die begnadete Mozart Sängerin Lucia Popp. Die Arie der Blonde singt sie auf dieser Aufnahme mit einer bewunderungswürdigen Leichtigkeit und Beseeltheit.
Welche Wonne, welche Lust – Popp
Handlung: Auch Pedrillo ist bereit, ohne Zaudern die Flucht zu wagen.
Frisch zum Kampfe – Zednik
Die komödiantische Sauf-Szene
Handlung: Um Osmin auszuschalten, hat Pedrillo ein Schlafmittel in den Wein getan und überredet Osmin Wein zu trinken.
Diese Weinszene ist eine komödiantische Passage. Osmin hofft, dass Mohammed ein Auge zudrückt und trinkt sich in einen mächtigen Rausch. Musikalisch kombiniert Mozart frech türkische Musik mit einem Hochlied auf den Bacchus.
Wie hören und sehen diese Szene in einer komödiantischen Inszenierung aus der Amsterdamer Oper.
Vivat Bacchus – Rydl / Smallwood
Das Wiedersehen von Konstanze und Belmonte
Handlung: Bald schon wirkt das Schlafmittel. Belmonte tritt hinzu und erblickt mit Freude Konstanze und erzählt ihr von dem Fluchtplan.
Diese Wiedersehens-Arie nach einer so langen Zeit der Trennung ist überraschend zurückhaltend. Sie beginnt in einem nachdenklich-verträumten Adagio und verlässt diese Stimmung während der ganzen Arie nicht..
Wenn der Freude Tränen fließen – Wunderlich
Das grosse Quartett mit Misstönen
Handlung: Die beiden Paare sind jetzt wieder vereint. Beide Männer wollen von ihren Liebsten wissen, ob sie treu geblieben sind. Empört weisen diese die Verdächtigungen zurück. Die beiden Männer entschuldigen sich und die Paare versöhnen sich.
Nun brechen die Emotionen auch musikalisch durch. Mit festlicher Musik beginnt das freudige Quartett. Doch plötzlich wechselt die Tonart in Moll und mit dem Zweifel an der Treue der Frauen zieht ein Schatten über die Szene. Die Frauen können die Zweifel ausräumen, und der Akt endet in aufgeräumter Stimmung.
Ach Belmonte, ach, mein Leben (Quartett) – Gruberova / Grist / Araiza / Orth
DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL AKT III
Handlung: Es ist Mitternacht vor dem Palast. Belmonte vertraut auf die Liebe, die Ihm und Konstanze Kraft gibt, die Flucht zu bestehen.
Diese sogenannte Baumeister Arie ist mit den vertrackten Koloraturstellen die Anspruchsvollste der vier Arien des Belmonte.
In unserem Musikbeispiel hören wir wie Fritz Wunderlich, der die Arie mit viel Ausdruck und Zuversicht singt. Der Belmonte war eine der Rollen mit denen Wunderlich nach seinem frühen Tode zur (schmerzlich vermissten) Legende wurde. Zwar waren seine Koloraturen nicht perfekt, aber keiner konnte Mozarts Tenor Arien samtene Lyrik und zugleich Männlichkeit verleihen.
Ich baue ganz auf Deine Stärke – Wunderlich
Der Fluchtversuch beginnt mit der Mohren Romanze des Pedrillo
Handlung:Pedrillo tritt mit einer Leiter hinzu. Als Signal an die Frauen singt er eine Romanze.
Im Mohrenland gefangen war ein Mädel hübsch und fein – Gedda
Osmins triumphiert – Mozart führt Osmins Stimme in den Keller
Handlung: Konstanze zeigt sich am Fenster. Belmonte klettert hoch und führt sie zum Ausgang. Als Pedrillo auch Blonde holen will, erscheint der zu früh aufgewachte Osmin und bemerkt die Leiter. Schnell sind die Ausbrecher gefasst. Osmin triumphiert.
Diese Arie ist der schönste Teil der Partie des Osmin. Ein Glanzstück für einen komödiantischen Bass mit grossem Stimmumfang und einer sicheren Tiefe.
Kesting spricht in höchsten Tönen von Kurt Molls Osmin: „Kurt Molls Osmin ist eines der eindringlichsten Porträts und eine der grössten Gesangsleistungen der LP-Ära.“ Man hört in dieser Arie eine grossartige Agilität der Stimme (ab 2:09) und den erstaunlichen Stimmumfang, der ihm gestattet mühelos den tiefsten Ton zu singen, der in einer bekannten Oper geschrieben worden ist (das tiefe D bei 2:35)
O, wie will ich triumphieren – Moll
Wir hören dieses Stück noch in einer weiteren, italienisch gesungenen Fassung. Ezio Pinza war der Italiener mit der vielleicht schönsten Bass Stimme, den das Mittelmeer Land hervorgebracht hatte. Geboren 1892, stammte er aus ärmlichen Verhältnissen und versuchte sich unter anderem als Radrennfahrer. Er genoss keine formelle Sänger Ausbildung und konnte so keine Notenlesen (dieses Schicksal teilte er mit dem berühmtesten Tenor der dreissiger Jahre, Benjamino Gigli)! Die Aufnahme stammt aus seinen späteren Jahren und geniesst Kultstatus.
A che voglio trionfare – Pinza
Selim zeigt sich als würdiger Vertreter des Humanismus
Handlung: Osmin bringt sie zu Bassa Selim. Konstanze ist bereit zu sterben und bittet, das Leben Belmontes zu verschonen. Bassa fordert Rache. Da gibt sich Belmonte als Sohn des Kommandanten von Oran zu erkennen, der bereit wäre jedes Lösegeld zu bezahlen. Selim realisiert, dass er den Sohn seines schlimmsten Feindes in den Händen hält. Wegen ihm musste er Spanien verlassen, und nun hat er die Gelegenheit zur Rache. Er ordnet Folter an. Ergriffen nehmen Belmonte und Konstanze voneinander Abschied.
Welch ein Geschick
Handlung: Selim ist bewegt und ändert seine Meinung. Er will ein vergangenes Unrecht nicht mit Unrecht vergüten und der großmütige Selim schenkt den vieren die Freiheit. Alle sind vom Edelmut Selims bewegt, einzig Osmin schäumt über den Verlust Blondes.
Eines der Schlüsselthemen der Oper ist der aufklärerische Humanismus. Die Türken werden nicht einfach als wilde Horde gezeigt (wie Rossini 30 Jahre später) sondern Mozart und Stephanie zeigen, dass es in jedem Volke Gut und Böse gibt.
Mozart endet die Oper endet mit einem Vaudeville, einem vom Ensemble gesungenen, eingängigen Schlusschor, der die Moral der Geschicht präsentiert:
Nichts ist so hässlich als die Rache
hingegen menschlich, gütig seinUnd ohne Eigennutz verzeihn
ist nur der grossen Seelen Sache
Das Finale klingt mit überbordender Musik im Türkenstil aus.
Wir hören den Abschnitt aus Milos Forman’s Film „Amadeus“.
Bassa Selim lebe lange
Aufnahmeempfehlung der Oper DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL
EMI, Edita Gruberova, Kathleen Battle, Gösta Winbergh, Heinz Zednik, Martti Talvela unter der Leitung von Georg Solti und den Wiener Philharmonikern und dem Wiener Staatsopernchor
Peter Lutz, opera-inside, der online Opernführer zu DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL von Wolfgang Amadeus Mozart.
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