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Der online Opernführer zu Giuseppe Verdi’s OTELLO

Diese Oper von Giuseppe Verdi gilt als kongeniales Werk zu Shakespeare’s Beitrag zur Weltliteratur. Die Rolle des Otello ist für viele Tenöre die Krönung ihrer Laufbahn.

 

Der grossartige Klassiker von Domingo und Zeffirelli:


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Inhalt

Handlung

Kommentar

♪ Akt I  (Harbour scene)

♪ Akt II  (Hall scene)

♪ Akt III (Garden scene)

♪ Akt IV (Death scene)

Aufnahme Empfehlung

 

 

Höhepunkte

Esultate

Gia nella notte  (Liebesduett)

Credo

Si pel ciel

Dio mi poteva scagliar

Mia madre aveva un povera ancella (Weidelied)

Ave Maria

Niun mi tema

 

 

 

ROLLEN & HANDLUNG VON OTELLO IN 4 MINUTEN

 

 

 

 

URAUFFÜHRUNG

Mailand, 1887

LIBRETTO

Arrigo Boito, basierend auf dem gleichnamigen Drama von William Shakespeare

HAUPTROLLEN

Otello, Maurischer Befehlshaber der venezianischen Flotte (Tenor) - Desdemona, Frau von Otello (Sopran) - Jago, Fähnrich von Otello (Bariton) - Emilia, Jagos Frau (Mezzosopran) - Cassio, Hauptmann Otellos (Tenor) - Roderigo, Venezianischer Edelmann (Tenor)

AUFNAHME EMPFEHLUNG

DECCA mit Mario del Monaco, Renata Tebaldi und Aldo Protti unter der Leitung von Herbert von Karajan und dem Orchester der Wiener Philharmoniker.

 

 

 

KOMMENTAR

 

 

Auf dem Weg zum Musikdrama

Die einzigartige Stellung des Otello im Werk des großen italienischen Meisters ist verbunden mit seinem konsequenten Schritt zum Musikdrama einer durchkomponierten Oper. Ein Weg den er mit Macbeth und Simon Boccanegra schon in Angriff genommen hatte und mit Otello konsequent weitergeführt hat. Nicht mehr die einzelnen Nummern bilden die Struktur der Oper, sondern die dramatischen Einheiten der Szenen. Der Fluss der Handlung und der Musik wird nicht mehr durch die künstliche Einteilung in Rezitativ und Arie gestört.

Zudem ist Arrigo Boitos Text nicht mehr in klassischen Versmaßen gegliedert, sondern die Verse sind natürlicher und vielfältiger. Dadurch gewinnt die Musik an Dramatik, zu Lasten der wiederkehrenden Melodie. Natürlich steht dies in Bezug zu Wagners Musikdrama und der unendlichen Melodie, auch wenn Verdi als bewusster Italienischer Künstler dies mehrfach zurückwies.

 

 

Die Zusammenarbeit mit dem Librettisten Arrigo Boito

Verdi war bei Kompositionsbeginn beinahe 70 Jahre alt und wollte eigentlich kein Werk mehr schreiben. Er genoss sein großes Landhaus in Sant’Agata mit seinen 16 angestellten Gärtnern. Der Verleger Ricordi und der Dirigent Faccio sprachen bei einem Nachtessen mit Verdi und seiner Frau darüber welche Dramen Shakespeares als Vorlage für Opern geeignet seien. Wenig später schickten sie Arrigo Boito zu ihm, mit dem Auftrag beiläufig über ein Libretto für Otello zu sprechen. Beide vereinte die Liebe zu Shakespeares Werken. Verdi fing Feuer und schrieb heimlich an dieser Oper. 6 Jahre später war das Werk vollendet, und Verdi triumphierte mit diesem Werk 1887 an der Mailänder Scala, sechzehn Jahre nach seinem letzten Werk, der «Aida»!

Mit Boito fand Verdi zum ersten Mal einen kongenialen Librettisten. Boito übernahm Shakespeares Handlung und formte ein kompaktes Libretto, welches die Charaktere des Dramas scharf zeichnete. Boito war selbst ein renommierter Opernkomponist (sein Hauptwerk war «Mefistofele») und konnte so mit seiner Musikalität Verdi eine optimale Vorlage erschaffen.

Erstaunlich war, dass diese Zusammenarbeit auf der menschlichen Ebene funktionierte. Die beiden Künstler stammten aus verschiedenen Generationen und Boito äußerte sich in früheren Jahren mehrmals kritisch über die italienische Oper der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Er empfand sie im Vergleich zur Pariser Grand Opéra als provinziell. Verdi nahm  dies damals als einen persönlichen Angriff auf sich wahr.

Verdi und Boito hielten sich recht genau an Shakespeares Vorlage. Natürlich mussten die Verse für die Oper neu geschrieben werden, denn in der Oper ist die Sprechgeschwindigkeit deutlich tiefer als im gesprochenen Theater. Zudem strichen sie den ersten Akt, der in Venedig spielt, gänzlich, um das Werk nicht mit nebensächlichen Themen zu überladen mit dem Ergebnis dass aus den 3300 Verszeilen des Shakespeare’schen Werkes schlussendlich 800 Verse von Boito wurden.

 

 

Das Gute gegen das Böse

Verdi und Boito lassen die drei Hauptdarsteller jeweils in einer grossen Szene Gott anrufen. Jagos Credo im 2. Akt, Desdemonas “Ave Maria” im dritten Akt und Otellos “Dio mi potevia scagliar”. Alle drei Aufrtitte sind Portraits der Rollen. Während Jago das “Böse” und Desdemona das “Gute” repräsentieren, ist Otello (im modernen Sprachgebrauch ausgedrückt) das “Opfer”, er wird zum resignierenden Individuum, das zum Instrument des Bösen mutiert, um das Gute zu zerstören.

 

 

Die Uraufführung

Auf Wunsch Verdis wurden die Arbeiten lange Zeit geheimgehalten. Er komponierte auf seinem Landgut Sant’Agata und der Name der Oper wurde in seinem Briefverkehr mit Ricordi und Boito nie erwähnt, man verwendete stattdessen den Codename «Progetto Cioccolatte» oder «Caffélatte».

Als die Oper angekündigt wurde, fieberte ganz Europa der Premiere am 5. Februar 1887 entgegen. Die letzte Uraufführung einer Verdi Oper lag bereits 15 Jahre zurück. Verdi hatte mittlerweile den Status eines Landesvaters bekommen und war bereits ein «Nationalheiligtum». Gross war das Erstaunen über die Musik des «neuen» Verdi, kaum jemand erwartete eine Neuerfindung des Maestros. Der Jubel, der nach dem letzten Ton einsetzte, war grenzenlos und einer der grossen Triumphe Verdis.

 

 

 

OTELLO AKT I

 

 

 

 

Die Eröffnung mit der berühmten Orkanszene

Handlung: Vor der Burg am Hafen Zyperns. Es tobt ein orkanartiges Gewitter. Die zypriotischen und venezianischen Soldaten sind versammelt und erwarten das Eintreffen des Schiffs von Otello, der sein Amt als neuer Oberbefehlshaber antreten soll.

Der Beginn dieser Oper ist einzigartig. Es steht keine am Anfang dieses Werkes, sondern der fortissimo Ausbruch eines gewaltigen Sturms. Diese Orkanszene hat Verdi detailliert vertont. In der Manier der Pariser Grand Opéra ergänzte er das Orchester mit einer Orgel und einer Donnermaschine.

Una Vela  –  Canadian Opera

 

Handlung: Otello erreicht der Hafen und verkündet den Sieg in der Seeschlacht über die Türken. Das Volk feiert den Helden.

Dieser Tenor-Auftritt gilt als einer der schwierigsten Startszenen der Opernliteratur. Otello erscheint im Laufschritt und muss, ohne eingesungen zu sein, gegen das Orchester in größter Lautstärke das triumphale «Esultate» mit höchstmöglichem Stimmeinsatz singen.

Esultate  –  Domingo

 

Ein Hauch von Geschichte umweht diese Aufnahme aus dem Jahr 1903. Wir hören Francesco Tamagno, Verdis Otello der Uraufführung. Verdi schätzte die schier grenzenlose Kraft seiner Stimme und den großartigen Farbenreichtum in den hohen Passagen. Verdi beklagte einmal, Tamagno könne nur laut singen, obwohl in der zweiten Hälfte der Oper längere Passagen mit hohler, verzweifelter Stimme in halber Lautstärke gesungen werden müssen. Tamagno sang den Otello in seiner Karriere sagenhafte 400 mal.

Esultate  –  Tamagno

 

Handlung: Unter den Soldaten befinden sich Otellos Fähnrich Jago und der Edelmann Rodrigo. Beide hassen Otello. Jago, weil Otello ihn bei einer Beförderung übergangen und Cassio zum Hauptmanngekürt hat und Rodrigo, weil er noch immer in Otellos Frau Desdemona verliebt ist, diese aber den verhassten Mohren geheiratet hat. Jago verbündet sich mit Rodrigo, und kündigt an, dass er weiterhin so tue, als ob er Otellos Freund sei, aber im richtigen Augenblick zuschlagen werde. Otello ist mittlerweile im Schloss angelangt und die Zyprioten feiern mit einem Freudenfeuer den Sieg.

Fuoco di gioia  –  K&K Philharmoniker und Chor

 

Jagos erste Intrige

Handlung: Jago entdeckt Cassio. Er will ihn zum Trinken verführen, Cassio weigert sich zuerst, da er im Dienst ist.  Jago weiß, dass Cassio zum Hitzkopf wird, wenn er trinkt. Als Cassio nachgibt schon bald betrunken ist, fordert Jago Rodrigo auf ihn zu provozieren. Aufgebracht zückt Cassio sein Schwert und verwundet Montano, der versucht hat ihn zurückzuhalten.

Dieses Trinklied Jagos ist formal die einzige in sich geschlossene Nummer der Oper. Jagos «beva,beva, beva» führt die Stimme chromatisch in die Tiefe und geht dann bis zum hohen A, was einen dämonischen Effekt erzeugt.

Inaffio l’ugola  –  Nucci

 

 

Das große Liebesduett

Handlung: Otello hat den Lärm gehört und erscheint in Begleitung von Desdemona. Er sieht, dass Cassio den alten Kommandanten Montano verletzt hat. Er nimmt Cassio den Hauptmannsrang weg und schickt alle nach Hause. Aufgewühlt bleibt er alleine mit seiner Frau zurück, in deren Armen er Frieden findet.

Dieses Liebesduett ist einer der Höhepunkte der Oper. Die beiden stehen abends auf der Terrasse und schauen auf das ruhige Meer. Gedämpfte Solo Celli führen uns in die romantische Nacht-Stimmung ein und Desdemona wird von schimmernden Harfen begleitet. Doch Verdi komponiert keine typisches Liebesduett, zu viel Verzweiflung und Drama sind spürbar. Im zweiten Teil erschafft Verdi ein wunderschönes, fast schon Wagnersches Thema mit einer drängenden Wirkung:

Otello, gia della notte, score, noten

Wir werdem diesem Thema sogenannten «Kuss-Motiv» im letzten Akt noch einmal begegnen, unter anderem in Otellos Sterbeszene. Mit Flöten und Harfen, von den Streichern untermalt, klingt die Szene aus.

Placido Domingo besticht in dieser Aufnahme als drängender und ekstatischer Otello.

Gia della notte  –  Domingo / Studer

 

 

 

 

OTELLO AKT II

 

 

 

Jagos Credo

Handlung: In einem Saal in der Burg. Jago spinnt seine Intrige gegen Cassio weiter. Er besucht ihn und spielt seinen Vertrauten. Er rät dem verzweifelten Cassio mit Desdemona zu sprechen und deren Fürsprache bei Otello zu gewinnen. Gerade jetzt sei sie im Garten. Als Cassio sich entfernt, triumphiert er innerlich.

Wir hören als nächstes Jagos berühmtes Credo. Jagos musikalischer Charakter wird durch den Deklamationsgesang dominiert. Wohlklang schreibt Verdi nur in den Passagen in denen Jago schmeicheln oder täuschen will. In seinem «Credo» sehen wir den ungeschminkten Jago. In dem Deklamationsgesang und der Charakterisierung des Jagos ist es uns unmöglich nicht die Parallelen zu Wagner zu sehen. Verdi bestritt dies vehement, er wollte nicht als Abkupferer eines Originalen gesehen werden.

Verdi versucht mit vehementen musikalischen Mittel Jago als das Böse zu zeichnen. Jähe Tonsprünge, schrille Kontraste und chromatische Tonfolgen zusammen mit dem Steigerungseffekt lassen das Credo als den Gegenentwurf zum traditionellen Christlichen Credo erscheinen. Wir hören einen dämonischen Bryn Terfel in diesem nihilistischen Bekenntnis Jagos.

Credo  –  Terfel

 

Toscanini persönlich studierte mit Valdengo die Rolle des Jago ein. Resultat ist ein bestechendes Rollenportrait. Es gab Jagos, die bessere Stimm-Material zur Verfügung hatten aber seine Diktion ist sehr expressiv und monumental.

Credo  –  Valdengo

 

Handlung: Wie Jago spekulierte, erscheint Otello und Jago will die Eifersucht beim Mohren keimen lassen. Otello hat bemerkt, dass jemand bei seiner Frau im Garten war. Geschickt lässt Jago bei Otello den Verdacht entstehen, dass Desdemona in Cassio verliebt sein könnte. Otello ist aber noch nicht überzeugt, ohne Beweise glaube er an die Liebe. Aber wehe, wenn es anders sein solle.

Cio m’acccora … che parli  –  del Monaco / Gobbi

 

Handlung: Auf Ihrem Weg ins Schloss huldigt das Volk der gütigen Desdemona. Als sie Otello erblickt, bittet sie ihn, Cassio wieder seinen Hauptmannsrang zurückzugeben. Otello kommt der schreckliche Verdacht. Er ist aufgewühlt, behauptet Kopfschmerzen zu haben und will nicht darüber reden. Desdemona will ihm mit einem Handtuch die Stirne kühlen, um den Schmerz zu lindern. Doch Otello wirft das Handtuch verärgert weg. Emilia, Jagos Frau und Freundin Desdemonas, nimmt das Handtuch auf und Jago entreißt es ihr. Emilia vermutet Böses und warnt ihren Mann.

Für Domingo war Otello vielleicht die größte Tenor Rolle überhaupt und auch die herausforderungsreichste, hauptsächlich wegen des 2. Aktes,  «die eine Oper innerhalb der Oper sei». Speziell das Quartett «se incoscia» sei eine sehr anspruchsvolle Stelle und von da an ist Otello in diesem Akt pausenlos gefordert.

Se incoscia contro te  –  Domingo / Studer / Leiferkus

 

 

Handlung: Otello schickt Desdemona weg und ist bereits von Eifersucht zerfressen. Wieder alleine mit Jago, will er von ihm nicht nur Anschuldigungen, sondern Beweise sehen. Nun erzählt dieser, dass er eines Nachts als er im Lager war,  neben sich Cassio hörte, wie er im Schlaf von Desdemona sprach und das Schicksal verfluchte, das Desdemona dem Mohren gab.

Verdi zeigt in dieser Szene seine Meisterschaft. Er kreiert in dieser Traumszene eine gespenstische Stimmung. In Jagos Schilderung sind die Gesangszenen mit sparsamen Streicherklang untermalt, während die deklamatorischen Passagen nur von fahlen Holzbläsern begleitet werden.

Ein packende Interpretation von «Era la notte» hören wir vom jungen Tito Gobbi aus dem Jahr 1948. «Tito Gobbi verwandelt das Stück in eine Suggestion diabolique» (Kesting).

Era la notte  –  Gobbi

 

 

Handlung: Als Beweis gibt er an, dass er gesehen habe, dass Cassio das Taschentuch in der Hand hatte, welches Otellos erstes Geschenk an Desdemona war.

Wir hören die grossartige und berühmte Aufnahme dieser Stelle von Caruso mit einer einzigartig rot glühenden Leidenschaft.

Desdemona rea … Ora per sempre addio  –  Caruso

 

Eine zweite Interpretation von Domingo.

Ora per sempre addio  –  Domingo

 

 

Das große Duett von Jago und Otello – Si, pel ciel

Handlung: Nun ist Othello überzeugt von der Schuld Desdemonas. Er schreit Rache und Jago schließt sich ihm an.

Im Schwur erkennt man noch Überreste der alten Verdi’schen Oper. Im Stile einer Cabaletta (einem schnellen einstrophigen Höhepunkt) komponiert Verdi den Schluss des zweiten Aktes. Vor dem Schwur ertönen die drei berühmten «Sangue» Rufe, die von der Lautstärke geschrien, aber vom Vortrag her gesungen werden müssen. In der Szene lässt sich musikalisch beobachten, wie Otello zu Beginn eine eigene musikalische Gestalt besitzt, aber sich nach und nach an Jagos Deklamationsstil angleicht, bis er in eine bloße Imitation Jagos verfällt, ein Zeichen, dass Jago die vollständige Kontrolle über Otello gewonnen hat.

Wir hören diese Schlüsselszene in vier verschiedenen Aufnahmen.

Mario del Monaco war kein Sänger der Nuancen. So spaltete sich die Meinung über del Monaco. Keiner hat die Rolle so oft auf Platte gesungen. In dieser Aufnahme ist “del Monaco von einem elektrisierenden Furor getrieben, der jeden aufwühlt. Das Si pel ciel ist atemverschlagend, und die deren Sangue Schreie drücken selbst noch den Plattenhörer in seinen einsamen Sessel – es ist die Aufführung mit der er sich in den Otello-Olymp gesungen hat.» (Fischer, große Stimmen).

Si, pel ciel marmoreo giuro (1)  –  del Monaco / Warren

 

1914 sangen die beiden Titanen der italienischen Oper dieses Duett, die eine künstlerische Rivalität pflegten. Tito Ruffo der Jahrhundert Bariton und Enrico Caruso der Jahrhundert Tenor.

Si, pel ciel marmoreo giuro  (2)  –  Caruso / Ruffo

 

Die Aufnahme von Björling und Merrill dieses Duetts genießt einen legendären Ruf. Björlings Sangue Rufe sind gigantisch (1:54), die Dramatik ist mit Händen zu greifen. “Eine geradezu vulkanische Energie und Vehemenz. Jede Silbe wird von Björling mit grösstem Nachdruck gesungen.” (Kesting, «Die grossen Sänger»)

Dieser Ausschnitt ist die einzige Aufnahme von Björling in dieser Rolle.

Si, pel ciel marmoreo giuro (3)  –  Björling / Merrill

 

 

 

 

 

 

OTELLO AKT III

 

 

 

Otello geht zu Grunde

Handlung:  Jago und Otello sind im Großen Saal der Burg. Jagos Plan ist,  Cassio im Saal in ein Gespräch zu verwickeln, und Otello soll im Verborgenen zuhören. Jago geht ab um Cassio zu holen. Desdemona erscheint. Sie spricht noch einmal das Anliegen von Cassio an. Doch Otello will nur noch das Handtuch sehen. Er beschuldigt Desdemona der Untreue. Desdemona schwört rein zu sein. Durch die vermeintliche Lüge zur Weißglut getrieben, verwünscht Otello sie als Dirne.

Eine der Schwierigkeiten des dritten Aktes ist für Otello, die diabolische Ironie in den Gesang zu bringen. Es ist faszinierend zu beobachten wie Verdi die Rolle des Otello während der Oper entwickelt. Im Esultate des ersten Aktes sehen wir einen strahlenden expressiven Sänger, in Akt II wird er zu einem brüllenden Löwen und in diesem und dem vierten Akt zu einem wimmernden Protagonisten.

Vickers war einer der großen Othello. Seine Stimmkraft war Legende und doch schimmert eine grossartige Sentimentalität durch.

Dio ti giocondi  –  Vickers / Freni

 

Das innere Drama Otellos

Handlung: Als Desdemona weg ist bricht Otello zusammen, die Liebe zu Desdemona war das wichtigste in seinem Leben. Sein Lebenslicht ist erloschen, seine Seele ist zerfressen und sieht nur noch die Rache.

Das wahre Drama dieses Werks von Shakespeare spielt sich im Innern der Personen ab. Otello muss alle Schattierungen der Persönlichkeit zum Leben bringen. Verdi verlangt von Otello ständig zwischen Sprechgesang, Deklamieren und Cantabile Singen zu wechseln. Die Partitur des Tenors ist übersät von ständig wechselnden Vortragsbezeichnungen (Piano, morendo, dolce, con espressione etc.). «Dio mi potevi scagliar» startet im fahlen Ton des Verzweifelten, geht über in einen Mittelteil im piano und endet im fortissimo des «Ah dannazione».

Wir hören die Schlüsselszene dieser Oper in drei Interpretationen.

Für viele war Ramon Vinay nach Tamagno der Archetypus des Otello. Mit dicken Stimmbändern ausgestattet sang der chilenische Tenor zuerst als Bariton und wechselte dann ins heroische Tenorfach. Otello war die Rolle seines Lebens, doch er ruinierte sich seine Stimme mit Wagner Rollen. So dauerte seine Interpreten-Karriere des Otello weniger als zehn Jahre. Hören Sie den Ausschnitt aus der Gesamtaufnahme mit Toscanini. Toscaninis Interpretation hat den Hauch des Originalen. Er saß bei der Uraufführung 1883 als Cellist im Orchester und arbeitete später mit Verdi als Dirigent seiner Werke noch zusammen. So hat diese Aufnahme einen geschichtlich herausgehobenen Status. Diese Aufnahme wird allgemein zu einer der ganz großen Aufnahmen der Operngeschichte gerechnet.

Dio mi potevi scagliar tutti i mali (1) – Vinay

 

Der zweite Tenor con forza neben Vinay war del Monaco. Er hat die Rolle im Verlaufe seiner Karriere sagenhafte 427 mal gesungen. Mario del Monaco spielte nicht den Othello sondern er war Othello. Der altersbedingte Abschied von der Bühne war der schwärzeste Tag seines Lebens. Mario del Monaco ist am 16. Oktober 1982 gestorben. Sein letzter Wunsch war es im Kostüm des Othello begraben zu werden.

Dio mi potevi scagliar tutti i mali (2) – del Monaco

 

Wir hören in der nächsten Aufnahme Lauritz Melchior in einer deutschsprachigen Einspielung. Besonders bemerkenswert ist seine Steigerung vom pianissimo zum Fortissimo von quel raggio.

Dio mi potevi scagliar tutti i mali (3) – Melchior

 

 

Handlung:Jago erscheint und meldet, dass Cassio auf der Terrasse sei. Schnell versteckt sich Otello, und Jago verwickelt Cassio in ein Gespräch. Jago will, dass er von Bianca, seiner Geliebten erzählt. Otello hört Cassio, und denkt er spreche von Desdemona. Das Lachen der beiden lässt sein Blut hochkochen, und als Cassio das Taschentuch hervorzieht, das Jago ihm in sein Zimmer gelegt hatte, ist für Otello alles klar.

Vienni, l’aula è deserta … Questa è una ragna  –  Gobbi / Del Monaco

 

 

Handlung:  Das ist das Todesurteil für Desdemona. Er beauftragt Jago ein Gift zu besorgen. Dieser empfiehlt ihm Desdemona auf dem Bett zu erwürgen, dort wo sie gesündigt habe. Otello gefällt die Idee, und er ernennt Jago als Dank zum Hauptmann. Die Fanfaren kündigen die Ankunft eines venezianischen Gesandten an.

Viva! Evviva!Viva il Leon di San Marco!

 

Handlung: Der Saal füllt sich mit Menschen als der Gesandte erscheint. Otello begrüsst ihn im Beisein von Desdemona. Otello wird als Löwe von Venedig gehuldigt. Der Gesandte übergibt ihm ein Schreiben des Dogen. Der Gesandte fragt wo Cassio ist, Desdemona nutzt die Gelegenheit noch einmal bei Otello für Cassio einzutreten. Verächtlich liest Otello vor, dass er nach Venedig zurückkehren muss und Cassio der neue Befehlshaber von Zypern wird. Otello wirft in seinem Zorn Desdemona zu Boden und verflucht sie. Alle sind schockiert. Jagos Pläne drohen zu scheitern und er fordert Otello auf schnell zu handeln, er selbst werde sich um Cassio kümmern.

 

 

OTELLO AKT IV

 

 

 

Desdemonas Abschied von der Welt

Handlung:Im Schlafgemach Desdemonas. Eine Todesahnung bemächtigt sich ihrer und Emilia versucht sie zu beruhigen. Desdemona will, dass Emilia ihr Brautkleid aufs Bett legt. Wenn sie sterbe, möchte sie in diesem Kleid begraben werden. Desdemona singt die Ballade einer Magd ihrer Mutter, die von ihrem Mann verlassen wurde und verabschiedet sich von Emilia.

Dieses Stück, das sogenannte Weidelied, hat eine eigentümliche Harmonie. Der übermäßigen Tonschritt in der Melodie lässt auf eine orientalische Herkunft schließen. Neben der Harfe, hat dieses Stück nur eine sparsame Begleitung, was die Eindringlichkeit dieses Liedes erhöht. Besonders dramatisch gestaltete Verdi den Schluss, wo zuerst der Wind drohend am Fenster rüttelt und sich Desdemona von Barbara verabschiedet, zuerst wie jeden Abend, dann aber als sie realisiert, dass es das letztes Mal sein könnte umarmt sie Barbara und singt einen schmerzerfüllten hohen Ton.

1963 sang Maria Callas in ihrem Comeback diese Szene in einem Recital. Die Interpretation ist eindrücklich.

Mia madre avea una povera ancella  –  Callas

 

Handlung: Alleine im Zimmer betet sie zur Mutter Jungfrau in Erwartung ihrer Todesstunde.

Verdi und Boito versuchten die Charaktere der Hauptpersonen plastisch herauszukristallisieren. Wie Verdi dies musikalisch umzusetzen versuchte, schrieb er in einem Brief. «Die Desdemona ist eine Partie, in der der Faden, die Melodielinie nie abreißt von der ersten Note bis zur letzten. So wie Jago nur deklamieren und ricaner (feixen) muss, und  so wie Otello, einmal der Krieger, einmal der leidenschaftliche Liebende, einmal am Boden zerstört … und einmal brutal wie ein Barbar, singen und skandieren muss, so muss Desdemona immer immer singen» (Verdi, zitiert aus Abbate/Parker, «Die Geschichte der Oper»).

Das Ave Maria Renata Tebaldis ist überirdisch, Glanz und die Entrücktheit sind berührend. Die Desdemona war eine der wichtigsten Rollen ihrer Karriere und war sowohl die erste und die letzte Rolle, welche sie an der Met gesungen hat.

Ave Maria  –  Tebaldi

 

Yoncheva bekam für ihr Rollendebut der Desdemona 2015 hervorragende Kritiken. Eine Intime und eindrückliche Interpretation der Bulgarin.

Ave Maria  –  Yoncheva

 

 

Die Todesszene – eine gespenstische Stimmung

Handlung: Otello erscheint und fragt, ob sie schon gebetet habe,  denn sie müsse jetzt sterben. Otello will, dass sie gesteht ihn mit Cassio zu betrogen zu haben, das Taschentuch sei der Beweis. Desdemona schwört ihre Unschuld und bittet um Gnade, doch Otello erwürgt sie mit seinen blossen Händen.

Gedämpfte Kontrabässe erzeugen eine bedrückende nächtliche Stimmung und führen in eine gespenstische Stimmung ein.

Chi è là  –  del Monaco

 

 

Otellos Abschied

Handlung: Emilia erscheint und überbringt die Nachricht, dass Cassio Rodrigo getötet habe. Emilia sieht die sterbende Desdemona. Sie behaupte sich selber umgebracht zu haben, doch Otello gibt sich als Mörder zu erkennen. Emilia ruft um Hilfe. Cassio und Jago und Montano erscheinen. Otello erklärt die Tat und das Taschentuch als Beweis für Desdemonas Ehebruch. Vergeblich versucht Jago Emilia zu hindern, die Wahrheit zu erzählen. Doch Cassio weiss alles,  Rodrigo hat im Sterben die Hinterlist von Jago gestanden. Otello erkennt seinen fatalen Irrtum und bringt sich mit einem Dolch um. Sterbend küsst er ein letztes Mal Desdemona.

Othello singt auf einem Ton, ob Desdemona Abend schon gebetet habe («Diceste questa sera le vostri preci»). Wie an vielen Stellen schreibt Verdi die Vortragsbezeichnung «cupo» vor, was etwa so viel heißt wie finster oder düster.

«Niun mi tema» ist die letzte Sterbeszene, die Verdi in seiner langen Komponistenkarriere geschrieben hat. Sie ist resignativ. Dunkle Eingangsakkorde in Moll begleiten Otello zu seinem Selbstmord.  Sterbend bricht Otello zusammen, die Musik wechselt in Dur und eine letztes Mal erklingt die Liebesmelodie.

Aprite … Niun mi tema  –  Domingo

 

Jonas Kaufmann hat seine Rollen sorgfältig ausgewählt. 2016 war es endlich soweit, er sang seinen ersten vollständigen Otello. Seine Stimme mit seinem baritonalen Klang ist für die Rolle glänzend geeignet. Seine Interpretation ist die eines verletzlichen beinahe zärtlichen Otello.

Niun mi tema  –  Kaufmann

 

Wir hören noch einmal den Othello der Uraufführung, Francesco Tamagno. «Kein Sänger hat Verdis Vorstellung von «Klängen fast ohne Tonart» eindringlicher umgesetzt als Tamagno bei den drei «morta»-Deklamationen, keiner die letzte Phrase geschmeidiger gebildet.» (Kesting)

Niun mi tema –  Tamagno

 

 

 

 

Aufnahme Empfehlung der Oper OTELLO

 

DECCA mit Mario del Monaco, Renata Tebaldi und Aldo Protti unter der Leitung von Herbert von Karajan und dem Orchester der Wiener Philharmoniker.

 

 

 

Peter Lutz, opera-inside, dem online Opernführer zu OTELLO von Giuseppe Verdi.

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