Simon Boccanegra, Giuseppe Verdi, Handlung, Synopsis, Zusammenfassung

Online Opernführer & Handlung zu Verdis SIMON BOCCANEGRA

Mit der Hauptrolle des Simon Boccanegra hat Verdi ein grandioses Rollenportrait geschrieben. Die etwas verworrene Handlung bot dem Komponisten Raum für grossartige Szenen. Wie der Macbeth ist der Simon Boccanegra zweifellos ein Meisterwerk, aber trotzdem eine Oper für den Kenner geblieben.

 

 

 

Inhalt

Handlung

Kommentar

Prolog

Akt I 

Akt II

Akt III

 

Höhepunkte

L’altro magion vedete

Il lacerato spirito

Come in quest’ora bruna 

Vieni a mirar la cerula

Cielo pietoso 

Oh Amelia ami un nemico

Piango, perché mi parla

Gran dio mi benedici

 

 

Aufnahme Empfehlung

♪ Aufnahme Empfehlung

 

 

 

 

ROLLE & HANDLUNG VON SIMON BOCCANEGRA

 

 

 

URAUFFÜHRUNG

Erste Fassung: 1857 in Venedig, Zweite Fassung: 1881 in Mailand

LIBRETTO

Francesco Maria Piave (erste Fassung) und Arrigo Boito (zweite Fassung), basierend auf dem Roman Simon Boccanegra von Antonio Garcia Gutierrez.

HAUPTROLLEN

Simon Boccanegra, Korsar im Dienste der Republik Genua und späterer Doge (Bariton) - Amelia, uneheliche Tochter von Boccanegra (Sopran) - Fiesco, ehemaliger Anführer der Patrizier, der später als Pater Andrea getarnt lebt (Bass) - Gabriele, Patrizier und Geliebter der Amelia (Tenor) - Paolo, Anführer der Plebejer (Bariton) - Pietro, Anführer der Plebejer und Gehilfe von Paolo (Bass)

AUFNAHME EMPFEHLUNG

DG mit Piero Cappuccilli, Mirella Freni, Nicolai Ghiaurov und José Carreras unter der Leitung von Claudio Abbado und dem Chor und Orchester der Mailänder Scala.

 

 

 

KOMMENTAR

 

 

 

Der historische Hintergrund

Der historische Simon Boccanegra (gestorben 1363) war ein Vertreter der Volkspartei und ein Ghibelline. Er war über lange Jahre der Doge von Genua. Seine Politik war umstritten «und zahlreiche Attentate wurden auf ihn verübt, der erste Verschwörer wurde schon im ersten Jahr seiner Regierung am 20. Dezember 1339 hingerichtet. Boccanegra war stets von einer 103 Mann starken berittenen Leibwächtergarde umgeben, da er ständig um sein Leben fürchten musste. Am 23. Dezember 1345 wurde er auf einer von ihm selbst einberufenen Volksversammlung gezwungen, die Regierungsgeschäfte aufzugeben, bis Boccanegra 1356 wieder an die Macht gelangte. Er wurde 1363 tödlich vergiftet» (Quelle: Wikipedia).

 

 

Libretto und Geschichte

Der Stoff dieses Genueser Dogen wurde von verschiedenen Dichtern zu literarischen Werken verarbeitet, darunter auch von Friedrich Schiller. Verdi, der den deutschen Dramatiker sehr schätzte und auch Werke von ihm vertonte (Giovanna d’arco, I masnadieri, Luisa Miller) gab aber dem Werk des spanischen Dichters Gutierrez den Vorzug, dessen Geschichte des Trovatore ihm bereits als Vorbild diente, weil ihm die Vielfältigkeit und Farbigkeit dessen Szenen mehr Möglichkeiten bot.

Dieser Vorteil geriet aber, wie schon beim Troubadour auch zum Nachteil. Die Handlung, die Piave und Verdi aus der wilden Vorlage zimmerten, ist reichlich verworren: das Werk spannt sich über mehrere Jahrzehnte, Hauptpersonen verwenden Decknamen und das Hin und her der politischen Verwicklungen ist reichlich kompliziert, was es für den Zuhörer anstrengend macht, der Handlung zu folgen. Verdi störte sich wenig daran, ihm war stets daran gelegen, Szenen zu Verfügung haben, die sich als Grundlagen für seine dramatische Musik eigneten.

 

 

Auf dem Weg zum Musikdrama

Mit dem Simon Boccanegra macht Verdi einen großen Schritt in seiner musikdramatischen Konzeption. Verdi ging den Weg zum Musikdrama konsequent weiter, den er 10 Jahre zuvor mit Macbeth begonnen hatte. Erstaunlicherweise war Verdi nach dem Macbeth wieder einen Schritt zurückgegangen und hatte darauffolgend in fiebriger Arbeit 10 klassische Nummernopern geschrieben, darunter seine «Triologia popolare» bis er den Weg mit dem Boccanegra wieder aufnahm. Auch nach dem Simon Boccanegra folgte mit dem Maskenball wieder eine klassische Nummernoper.

In seiner Auffassung des Musikdramas behandelt Verdi jede Szene als dramatische und musikalische Einheit. Die Unterteilung zwischen Rezitativischen und Ariosen Passagen wird fließend. Das Orchester gewinnt an Bedeutung, Verdi steigert dessen Ausdruckskraft und räumt ihm mehr Präsenz ein, zulasten von sängerischen Bravourstücken, die manch ein Theaterbesucher in dieser Oper vermisst. Um auf den Punkt zu bringen, wie konsequent Verdi seine Konzept des Musikdramas umzusetzen gewillt war, bietet sich die Tatsache an, dass der Hauptperson keine klassische Arie zugewiesen worden ist, was das breite Publikum nie richtigen goutieren wollte.

 

 

Die Tinta der Oper

Verdi gab jeder Oper ihre spezifische Prägung, die sogenannte Tinta Musicale. Dabei ist in dieser Oper zuvorderst die Düsternis zu nennen, welche sich auf verschiedenen Ebenen abspielt. Sie beginnt bei der Lichtregie,  geht zur deklamatorischen Gestaltung der Singstimmen (zu Lasten von klassischen Nummernarien) und der Wahl der Stimmen: die Amelia ist die einzige Frauenstimme neben einer Armada von 6 Männerstimmen. Dazu gehört, dass die Hauptrolle nicht dem Tenor oder dem Sopran, sondern dem sogenannten Verdi Bariton, einer Baritonstimme mit dramatischen Qualitäten und ausdauernder Höhensicherheit zugewiesen wurde.

 

 

Die Hauptrolle des Simon Boccanegra

Verdi schrieb in einem Brief, dass die Hauptrolle des Boccanegra «tausendmal schwieriger sei» als die des Rigoletto. Fast übermenschliche Anforderungen werden an den Bariton gestellt. Von zartester Lyrik, stolzer Feierlichkeit zu dramatischen Ausbrüchen und hohen Passagen muss der Sänger alle menschlichen Regungen mit seiner Stimme ausdrücken können.

 

 

Die Verbindung zum Italien des  19. Jahrhunderts

Verdi präsentiert Boccanegra als frühen «Italiener» und Einiger, was natürlich gut in die politische Situation des Risorgimento passte. Zur Zeit der Komposition sollten nur noch 3 Jahre vergehen bis Garibaldi mit Freischärlern (dem sogenannten «Zug der Tausend») seinen Freiheitskampf in Sizilien begann. Allerdings muss an diesem Punkt festgehalten werden, dass die Ratsaalszene (und damit ein gewichtiger Teil der politischen Aussage) in der Überarbeitung von 1881 massiv ausgebaut wurde, die italienische Einigung mittlerweile aber schon Realität war.

 

 

Die Rezension der Uraufführung und die spätere Bearbeitung

Die Uraufführung 1857 in Venedig wurde für Verdi zu einem schmerzlichen Misserfolg. Die Düsterkeit des Werkes und die musikdramatische Anlage forderten ihren Tribut. Dass Verdi mittlerweile ein berühmter und geachteter Komponist war, schützte ihn nicht vor dem kritischen Verdikt seiner Zeitgenossen. Verdi, dessen Herz oft für seine «missratenen» Kinder schlug, bat 20 Jahre später Arrigo Boito ein gestrafftes Libretto zu erarbeiten. Es zeigte sich, wie weit Verdi musikdramatisch mit dem Boccanegra über 20 Jahre zuvor bereits gegangen war, denn für die Neufassung von 1881 musste der Verdi des Otello-Zeitalters am musikalischen Aufbau nur wenig ändern. Die größten Änderungen erfolgten am Ende des ersten Akts, der sogenannten Rats(Saal)Szene. Aus dieser Zusammenarbeit entstand die heute noch meistgespielte Fassung. Obwohl dadurch zahlreiche Verbesserungen entstanden, blieb es dabei, dass Simon Boccanegra nicht zu seinen populärsten Opern gehörte. So wird sie bis heute mehr bewundert als geliebt und gehört wie der Macbeth zu den Liebhaber Werken Verdis.

 

 

 

SIMON BOCCANEGRA PROLOG

 

 

Die «perfekte» Gesamtaufnahme Abbados

Handlung: Ein Platz in Genua. Zwei Volksführer der Plebejer sprechen über den nächsten Dogen Genuas. Sie wollen die Macht der Patrizier brechen. Paolo bietet Pietro Reichtum an, wenn es ihm gelingt, seinen Kandidaten zum Amt zu verhelfen. Sein Plan ist, den im Volk beliebten Simon Boccanegra als seine Marionette ins Amt zu hieven.  Simon ist ein Korsar und Held, der Genuas Küsten von den Piraten befreite. Pietro stimmt zu, und Paolo bietet dem herbeigerufenen Simon die Dogenwürde an. Doch der lehnt ab. Pietro legt ihm dar, dass es ihm als Doge möglich wäre, seine Geliebte Maria aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Der Doge Fiesco, der Anführer der Patrizier, ließ seine Tochter Maria im Palast einsperren, welche mit Boccanegra ein uneheliches Kind zeugte. Darauf willigt Simon ein, für die Plebejer zu kandidieren.

Eine wunderschöne kurze Einleitung führt uns in die düstere Stimmung, dieses Stücks.

Wir hören dieses Passage in der Aufnahme von Claudio Abbado aus dem Jahre 1977. Diese Produktion war eine dieser Glücksfälle, wo eine «perfekte» Einspielung das Interesse an einer Oper wiederaufleben lässt. Die Gesamtaufnahme wurde begleitet von einer Inszenierung an der Scala. Das kongeniale Duo Claudio Abbado und Giorgio Strehler schuf ein hochgelobtes Werk, das zu einer Referenzaufnahme wurde. Sie wurde mit einer Besetzung auf die Bühne gebracht, die es in sich hatte. Sie haben in diesem Opernportrait die Möglichkeit, verschiedene Szenen aus dieser Inszenierung in TV-Liveaufnahme zu sehen. Der folgende Audio-Ausschnitt stammt aus der CD.

Che dicesti  –  Abbado


 

Handlung: Darauf geht Pietro los und versammelt Bürger auf dem Platz,  um für die Kandidatur von Boccanegra zu werben.

Wir begegnen einer klassische Verdi Szene, die der Komponist suchte:  ein Populist (Bariton/Bass) manipuliert und verführt die Massen (Chor). Keiner konnte solche Szenen so vollendet vertonen. Sind es in der Regel Priester (z.B. im Nabucco), so ist es dieses Mal ein Politiker, der die Massen mit einer verführerischen, empathischen Melodie bewegt.

L’altro magion vedete  –  Santini

 

 

Das bewegende, trostlose «il lacerato spirito» Fiescos

Handlung: Fiesco tritt mit düsterer Miene aus dem Palast. Seine Tochter ist soeben in den Mauern des Palasts gestorben. Er macht sich Vorwürfe, dass er sie nicht beschützen konnte und verflucht ihren Verführer Boccanegra.

Diese düstere und bewegende Arie von Fiesco wird von Miserere-Einwürfen eines Männerchors und von Klagen des Frauenchors begleitet. Die Orchesterbegleitung ist zurückhaltend instrumentiert, was einen bewegende Effekt erzeugt. Die Arie des noblen und stolzen Fiesco zeigt ihn von seiner verletzlichsten Seite. Schmerzliche Verzweiflung, Blasphemische Ausrufe in forte und ein Gebet an seine Tochter verlangen vom Bass, mit seiner Stimme ein breites Gefühlspektrum und dementsprechend eine breite Farbpalette zu zeigen. Nie darf das Stück zu einer vordergründigen Demonstration der Stimmkraft verkommen.

Nach dem Verklingen dieser Arie füllt sich der Platz mit Menschen, was Verdi dazu geschickt dazu nutzte, die Arie mit einem langen Epilog ausklingen zu lassen, was die Trostlosigkeit des Augenblicks dramatisch verstärkt.

Wir hören die Szene in 2 Versionen. Zuerst in der TV-Produktion der weiter oben erwähnten Abbado/Strehler Inszenierung der Scala.

A te l’estremo … Il lacerato spirito (1)  –  Ghiaurov

 

Wir hören eine zweite Variante von Ezio Pinza. Für viele war der Italiener, der größte Bass des zwanzigsten Jahrhunderts. Sein Markenzeichen war die  sonore, weiche und bewegliche Stimme des Basso cantante.

A te l’estremo … Il lacerato spirito (2) –  Pinza

 

Eine zweite Version hören Sie von Alexander Kipnis. «Es gibt keinen zweiten Bass mit einer so reichen Klangpalette» meinte Kesting («die großen Sänger»), und rühmt «die magischen Pianissimo-Nuancen».

A te l’estremo … Il lacerato spirito (3) –  Kipnis

 

 

Das Aufeinandertreffen Boccanegras und Fiescos

Handlung: Boccanegra betritt den Platz und Fiesco erkennt seinen Widersacher und ihn treibt eine blinder Hass auf den Korsaren. Simon, der nichts vom Tod Marias weiß, will sich mit ihm versöhnen. Doch Fiesco ist unerbittlich. Einzig, wenn Boccanegra ihm deren Tochter übergeben würde, wäre Frieden möglich. Doch Simon muss ihm das schreckliche Eingeständnis machen, dass das Mädchen, welche er in der Obhut einer Amme versteckt hielt, entführt wurde und er ihren Aufenthaltsort nicht kenne. Doch Fiesco ist erst bereit sich mit ihm zu versöhnen, wenn seine Enkelin in seinen Händen ist.

Es ist ein düsteres Duett der beiden tiefen Stimmen. Das verzweifelte hohe Schluss F des Baritons wird mit einem pechschwarzen tiefen F des Basses beantwortet. Die Szene erinnert an die berühmte König/Großinquisitor Szene aus dem Don Carlo.

Wir hören diese Szene wieder aus der Abbado/Strehler Inszenierung. Cappuccilli war im ausgehenden 20. Jahrhundert der führende Verdi Bariton und der Simon ist neben seinem Macbeth wohl seine herausragendste Aufnahme.

Suoni ogni labbro il mio nome  –  Ghiaurov / Cappuccilli

 

 

Eine dramatische Szene entspinnt sich, auf der einen Seite die verzweifelten Fiesco und Boccanegra und auf der anderen Seite die triumphierenden Gewinner der Wahl.

A dramatic scene unfolds, on one side the desperate Fiesco and Boccanegra and on the other side the triumphant crowd.

Oh de Fieschi implacata orrida razza – Hampson / Colambara / Pisaroni

 

 

SIMON BOCCANEGRA AKT I

 

 

 

Die naturalistische Schilderung der Morgendämmerung

Handlung: In der Morgendämmerung im Grimaldi Palast. Zwanzig Jahre sind vergangen seit dem Tod Marias.

Verdi was keen to depict the

Verdi lag viel daran, die Morgenstimmung dieser Akt-Eröffnung naturalistisch zu schildern. Eine heitere Musik lässt sanfte Wellen und Vogelgesang erahnen.

Vorspiel  –  Solti

 

 

Amelias großer Auftritt

Handlung: Simons Tochter Amelia sitzt vor dem Palast der Grimaldi und erwartet die Ankunft ihres Geliebten Gabriele. Sie gedenkt ihrer Kindheit und ihrer Amme.

Verdi schrieb für den ersten Auftritt Amelias eine schöne, nachdenkliche Arie mit Flötengesang begleitet.

Mirella Freni, die Amelia der Abbado Aufnahme brillierte in dieser Rolle. Ihr leuchtender, sinnlicher Sopran, der sich wie «Goldregen über die Zuhörer ergießt» passt hervorragend zu dieser Rolle, welche im Gegensatz zu vielen anderen Verdi-Heroinen nicht im dramatischen Spinto-Fach angesiedelt ist, sondern einen lyrischen Sopran verlangt.

Come in quest’ora bruna  –  Freni

 

Auch Anna Moffos lyrische Stimme passte wunderbar zu dieser kontemplativen Arie.

Come in quest’ora bruna  –  Moffo

 

 

Das romantische Duett von Amelia und Gabriele

Handlung: Gabriele erscheint. Er ist der heimliche Anführer der aufständischen Patrizier und damit ein Staatsfeind. Amelia fürchtet um sein Leben und bittet ihn von der Politik zu lassen. Ein Bote erscheint und verkündet die baldige Ankunft des Dogen. Dieser will für die Hochzeit seines Verbündeten Paolo mit Amelia werben. Amelia geht ab um den Pater Andrea zu rufen, der sie so rasch als möglich verheiraten soll. Sie weiß nicht, dass es sich bei Pater Andrea in Wirklichkeit um den untergetauchten Fiesco handelt.

Verdi schrieb ein schönes Duett für das Zusammentreffenden der beiden Liebenden. Der Gesang des Gabriele beginnt im Stil  einer Serenade aus dem Troubadours, lediglich mit Harfen begleitet. In der Mitte des Duetts schenkt Verdi Amelia eine romantische Melodie („Ripara i tuoi pensieri“, im Musikbeispiel unten bei 3:30), die Gabriele dankbar aufnimmt. Verdi führt die Stimmen anschließend zusammen und lässt sie wunderschön ausklingen. Mit einer Caballetta endet das Duett schwungvoll.

Wir hören diese Szene mit Placido Domingo und Katia Ricciarelli. Interessanterweise sang Domingo die Rolle des Gabriele erst spät in seiner Karriere, zum ersten Mal in 1995. Erstaunlich weil die Rolle nicht sonderlich schwierig ist (was natürlich ein relativer Begriff ist!) und es für einen Tenor eine B-Rolle ist, also eine klassische Einsteiger-Partie.

Cielo di stelle orbato … vieni a mirar la cerula  –  Domingo / Ricciarelli

 

Handlung: Pater Andrea kommt und erzählt Gabriele das Geheimnis von Amelia. Sie sei in Tat und Wahrheit keine Grimaldi, sondern ein Waisenkind aus einem Kloster, das von den Grimaldis adoptiert wurde als deren Tochter starb. Somit sei sie von niederem Stande. Für Gabriele macht dies keinen Unterschied.

Propizio e giunge  –  Ghiaurov / Carreras


 

Der große Tochter-Vater Augenblick

Handlung: Trompeten kündigen die Ankunft des Dogen an. Amelia empfängt ihn. Der Doge eröffnet ihr, dass er als Beweis seines Wohlwollens ihre Brüder begnadigt habe, die als Patrizier im Ausland leben müssen. Amelia erzählt ihm ihr Geheimnis, dass sie keine gebürtige Grimaldi sei, sondern einst als Waisenkind von einer Amme großgezogen wurde. Vor ihrem Tod habe sie ihm ein Amulett mit dem Antlitz ihrer Mutter gegeben und zeigt es ihm. Boccanegra ist vom Donner gerührt. Er nimmt ein Bild von Maria aus seiner Tasche und Amelia erkennt dasselbe Bild wie ihr Amulett. Die Beiden erkennen sich als Vater und Tochter und umarmen sich tränenüberströmt.

Eine weitere Perle erwartet uns mit diesem Duett. Verdi wusste schmerzlich um den Gehalt dieser Szene, dieses emotionalen Tochter-Vater Augenblicks, da er seine einzigen Kinder im frühen Alter verlor.  Als die beiden sich als Vater und Tochter erkennen, explodiert die Musik förmlich. Für den Schluss liess Verdi sich etwas ganz Besonderes einfallen. Nachdem sich die beiden in Hochstimmung verabschiedet haben, klingt die Musik mit einem Solo der Harfe und der Vater singt ein letztes zärtliches «figlia» mit einem hohen F.

Orfanella in tetto umile  –  Gheorghiu / Hampson

 

Sie hören eine zweite Version von Santinis hochgelobter Aufnahme von Tito Gobbi und Victoria de los Angeles aus den 1950er Jahren.

Orfanella in tetto umile  –  Gobbi / de los Angeles

 

Handlung: Paolo erwartet den Dogen und erwartet gespannt seine Antwort.  „Entsage jeder Hoffnung“ (Give up all hope), ist Simons knappe Antwort. Paolo will dies nicht akzeptieren und beauftragt Pietro heimlich mit der Entführung Amelias.

 

 

Die große Ratssaalszene

Handlung: Im Ratssaal von Genua. Der Rat beratschlagt die Politik gegenüber dem Rivalen aus Venedig. Simon schlägt ein Bund mit den Venezier vor, er will kein Bruderkampf. Doch Paolo und die Plebejer wollen Krieg. Plötzlich ertönt ein Tumult aus dem nahegelegenen Palast der Fieschi. Die Ratsleute springen zum Fenster. Eine Meute verfolgt Gabriele und Andrea und nähert sich dem Ratsgebäude. Paolo und Pietro ahnen, dass die Entführung misslang und wollen fliehen. Doch Boccanegra lässt die Türen des Ratssaals schließen. Er lässt Gabriele hereinkommen. Gabriele erklärt, einen Plebejer getötet zu haben, der versucht habe Amelia zu entführen. Im Sterben habe er gestanden, auf Auftrag eines Mächtigen gehandelt zu haben. Gabriele wirft Simon vor, der Drahtzieher zu sein und will sich auf ihn stürzen. Da tritt Amelia in ihre Mitte und erzählt von der Entführung. Als sie Paolo anblickend behauptet, dass der Anstifter in diesen Moment im Saal sei, bricht ein Tumult aus. Der Doge wendet sich mit einer großen Rede an die rivalisierenden Parteien, Einigkeit zu bewahren.

Verdi wollte diese Szene mit der Überarbeitung von 1881 ausbauen und fügte an dieser Stelle ein sogenanntes «pezzo concertato» ein, einem Ensemble von Chor und Solisten. Er leitet es durch den großen Monolog «Plebe! Patrizi! Popolo» von Boccanegra ein.

Plebe! Patrizi! Popolo  –  Cappuccilli

 

 

Handlung: Gabriele ist nun von der Unschuld Simons überzeugt und händigt ihm sein Schwert aus. Der Doge wendet sich an Paolo, den Führer der Plebejer. Drohend behauptet er den Namen des Verschwörers zu kennen, und er solle gemeinsam mit allen Anwesenden den Niederträchtigen verfluchen. Danach flieht Paolo entsetzt aus dem Ratssaal.

 

 

SIMON BOCCANEGRA AKT II

 

Handlung: Im Arbeitszimmer des Dogen. Pietro und Paolo sitzen über Karten. Paolo ist noch immer aufgelöst von seiner Verfluchung, die er selber ausstoßen musste, gezwungen vom Dogen, der sein Amt ihm verdiene. Er nimmt Gift aus einem Schrank und füllt es in den Becher des abwesenden Dogen. Paolo lässt die beiden Gefangenen Fiesco und Gabriele kommen. Vom Hass auf Boccanegra verzehrt, bietet er Fiesco die Macht an. Seine Bedingung: er müsse den Dogen töten. Als Fiesco sich weigert, lässt er ihn in den Kerker zurückbringen. Er wendet sich an Gabriele und behauptet der Doge habe Amelia im Palast eingesperrt und halte sie als seine Geliebte. Paolo lässt ihn alleine im Zimmer zurück.  Gabriele erkennt die Lüge nicht und ist außer sich. Er schwört Rache an dem Unhold.

Udisti? … Oh inferno! … Cielo pietoso  –  Lombardo

 

Handlung: Da erscheint Amelia im Zimmer. Gabriele konfrontiert sie mit den Vorwürfen Paolos. Amelia schwört ihre Treue, könne aber das Geheimnis ihrer Zuneigung zum Dogen noch nicht enthüllen. Da hören sie die Schritte des Dogen. Auf Drängen Amelias versteckt sich Gabriele. Amelia gesteht dem Dogen den Namen ihres Geliebten. Entsetzt hört er den Namen seine Todfeindes Gabriele. «Unmöglich» sagt Simon, doch Amelia droht gemeinsam mit Gabriele den Tod zu suchen. Nachdenklich nimmt der Doge nimmt einen Schluck aus dem Becher. Als das Gift zu wirken beginnt und der Doge erschöpft einschläft, kommt Gabriele mit einem Dolch in der Hand aus seinem Versteck. Als Amelia dazwischengeht, wacht Boccanegra auf und erkennt den Feind. Nach einem kurzen Disput gibt sich Boccanegra als Vater Amelias zu erkennen und nun versteht Gabriele alles. Der Doge geht auf Gabriele zu. Er erkennt, dass er die Gräben überwinden muss, welche Genua so lange entzweiten.


Ein schönes, dramatisches Terzett entspinnt sich.

Oh Amelia ami un nemico  –  Freni / Cappuccilli / Carreras

 

 

Handlung: Lärm ertönt von der Strasse. Von Paolo und Pietro angestachelt, wollen die Anhänger der Patrizier den Tod des Dogen. Gabriele stürmt aus dem Haus, bereit seine Verbündete von der Unschuld des Dogen zu überzeugen.

 

 

SIMON BOCCANEGRA AKT III

 

 

 

 

Das ergreifende Duett der beiden «alten» Männer

Handlung: Gabriele konnte die Aufständischen beruhigen, und der Doge begnadigte sie. Nur Paolo wurde zum Tode verurteilt. Fiesco, immer noch im Gewand des Paters sucht Paolo heimlich auf und erfährt vom Gift. Fiesco verlässt den Kerker trifft auf den Dogen, der bereits vom Gift geschwächt ist. Als Fiesco ihn anspricht und ihm verächtlich sein Ende prophezeit, erkennt Boccanegra überrascht seine Stimme. Nun will  er die Gelegenheit nutzen, zwanzig Jahre später noch einmal die Versöhnung zu suchen und erzählt ihm das Geheimnis von Amelia. Fiesco ist überwältigt von seinen Gefühlen. Jahrzehntelanger Hass wandelt sich in Mitleid mit dem todgeweihten Dogen, und er erzählt ihm von Paolo und dem Giftbecher.

Dieses Duett ist in der ersten Hälfte sehr textverständlich komponiert und geht im zweiten Teil (im Dokument ab 3:45) in ein gefühlsgeladenes Stücker über, dass mit einer trauermarschartigen Begleitung endet. Nur wenige Bass-Bariton Duette der Opernliteratur lassen eine so wehmütige Musik erklingen!

Wir hören das Duett in zwei Versionen, mit den möglicherweisen besten Bass/Bariton-Paaren der Aufnahmegeschichte dieser Oper.

Piango, perché mi parla  –  Cappuccilli / Ghiaurov

 

Gobbi war der führende Verdi Bariton der fünfziger Jahre. Wir hören ihn hier mit einem weiteren großen Sänger, seinem Schwager Boris Christoff, einem Bass mit einer rabenschwarzen Stimme.

Piango, perché mi parla  –  Gobbi / Christoff

 

Ein weiterer dramatischer Bühnentod

Handlung: Gabriele und Amelia treten hinzu. Amelia erfährt, dass Fiesco ihr Großvater ist und dass die beiden ihre Feindschaft beendet haben. Bestürzt erfahren Sie vom Giftbecher, den Simon unwissentlich trank, und nehmen Abschied vom Dogen. Als er stirbt verkündet Fiesco dem Volk dessen Tod und ernennt Gabriele zum neuen Dogen.

Mit einem weiteren Concertato endet diese Oper. Mit einer großen Geste segnet Boccanegra das Paar und stirbt. Nie lässt Verdi seine Protagonisten ohne eine gefühlvolle Arie sterben…

Gran dio mi benedici  –  Cappuccilli / Ghiaurov / Freni / Lombardo

 

 

 

Aufnahme Empfehlung

DG mit Piero Cappuccilli, Mirella Freni, Nicolai Ghiaurov und José Carreras unter der Leitung von Claudio Abbado und dem Chor und Orchester der Mailänder Scala.

 

 

 

 

Peter Lutz, opera-inside, der Online-Opernführer zu SIMON BOCCANEGRA von Giuseppe Verdi.

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