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Online Opernführer & Handlung zu  Korngold’s DIE TOTE STADT

Diese Oper gehört zu den grossen Opern-Werken des 20. Jahrhunderts. Korngold beschwört noch einmal den Rausch der Spätromantik, narkotisierend in ihrer Üppigkeit und Melancholie.

 

 

Inhalt

Erstes Bild

Zweites Bild

Drittes Bild

 

 

Höhepunkte

Behutsam! Hier ist alles alt und gespenstig

Glück, das mir verblieb Lauten Lied

Da bist du ja, Marie, ich wusste es

Prelude Bild II

Was ward aus mir?

Bravo, guter Pierrot  – Halt ein! Du eine auferstandene Tote?

♪ Mein Sehnen, mein Wähnen Pierrots Lied

Paul du leidest?

Sei klug, sei gut

Finale

 

 

 

Aufnahme Empfehlung

♪ Aufnahme Empfehlung

 

 

 

Korngold das Wunderkind

Korngold, der 1897 in Brünn im österreichischen Kaiserreich zur Welt kam, wurde vielfach als das grösste musikalische Wunderkind überhaupt bezeichnet, grösser noch als Mozart. Bereits im Kindesalter hatten seine Kompositionen die Qualität eines reifen Komponisten. Er wurde gefördert aber auch beschützt von seinem Vater, dem angesehenen (und spitzzüngigen) Wiener Musikkritiker Julius Korngold. Bereits mit 19 Jahren schrieb Erich mit «der Ring des Polykrates» seine erste, einaktige Oper und begeisterte das Publikum. Er begann die Komposition an «der toten Stadt» bereits im Alter von 19 Jahren, doch der erste Weltkrieg machte den Plänen einen Strich durch die Rechnung.  Er wurde als Musiker eingezogen und nahm die Arbeit an der Oper 1919 wieder auf.

In diesen Jahren lernte er Luise von Sonnenthal kennen (seine spätere Frau Luzi), die ihn für die Rolle der Marietta inspirierte. Ironie der Geschichte: genauso wie die Tänzerin Marietta von Paul (und der bürgerlichen Gesellschaft) als gesellschaftlich minderwertig angesehen wurde, erfuhr Luzi (eine Schauspielerin und Sängerin) aus denselben Grund Widerstand von Julius’ Vater.

 

 

Das Libretto

Die Vorlage für das Werk bildet Rodenbachs «Bruges-la-morte» aus dem Jahr 1892, und dessen Theater-Version «Le mirage» («das Trugbild»), welches Rodenbach acht Jahre später schrieb.

Ein Bekannter der Familie machte Erich auf Rodenbachs Werk aufmerksam und Erich begeisterte sich sofort für die Thematik. Er schrieb in einem Brief:

«Die eigentümliche Brügge-Stimmung, der schwermütige Grundton, die beiden Hauptgestalten mit ihren fesselnden seelischen Konflikten, der Kampf der erotischen Macht der lebenden Frau gegen die nachwirkende seelische Macht der Toten, die tiefere Grundidee des Kampfes zwischen Leben und Tod überhaupt, insbesondere der schöne Gedanke notwendiger Eindämmung der Trauer um teure Tote durch die Rechte des Lebens, dabei überall eine Fülle musikalischer  Gestaltungsmöglichkeiten, all das zog mich an. Und dies erst recht, als die letzte Umgestaltung des Stoffes durch Paul Schott alles Geschehen nur Ausfluss»

Der Stoff eines trauernden Witwers, der der Obsession zu einer Sängerin erliegt, traf bei der Uraufführung der Oper einen Nerv der Zeit. Verlustgefühle kannten die Menschen der Nachkriegsjahre nur zu gut, und die Arbeiten des Wieners Siegmund Freud (den Julius Korngold persönlich kannte) zur Psychoanalyse waren hochaktuell, sein Buch «Die Traumdeutung» erschien 1900. Pauls Begegnung mit Marietta ist nichts anderes als ein Therapieversuch, den Paul unbewusst unternimmt, um seinen inneren Konflikt zu lösen, der aus der Katastrophe des Todes Marias erwuchs. Gelegentlich wird diese Oper mit Hitchcocks 25 Jahre später erschienenen Psychothriller «Vertigo» verglichen.

Die Korngolds beauftragten Hans Müller, den Librettisten des zweiten Einakter Korngolds, mit der Erstellung eines Librettos, waren aber bei der Durchsicht der ersten Entwürfe nicht zufrieden und Korngold Senior machte sich persönlich an die Arbeit. Julius Korngold hielt sich grösstenteils an die literarische Vorlage veränderte aber hier und dort die Geschichte. Seine einschneidendste  Modifikation war, dass er den Mord nicht als Realität darstellte, sondern als eine Traumszene, wahrscheinlich um der Handlung der Oper etwas von ihrer Gewalttätigkeit zu nehmen und um ein versöhnliches, stimmungsreiches Ende zu ermöglichen.

 

 

Brügge – die tote Stadt

Symbolisch für die Enge Pauls verwendete Rodenbach Brügge als Vorbild der «toten Stadt». Diese belgische Stadt war bis zum 15. Jahrhundert eine blühende Handelsmetropole und Residenzstadt. Dann versandete der Fluss zur Nordsee und der Niedergang der Stadt begann, abgeschnitten von der Lebensader des Meeres, von dem sich Brügge nie mehr erholen konnte.

 

 

Spätromantische Musik

Wie lässt sich Korngolds Musik am besten beschreiben? Lange wurde seine Musik als Kopie von berühmteren Originalen verunglimpft. Stellvertretend schrieb der einflussreiche amerikanische Opernkritiker Harold Schonberg 1975: «Da seine eigene schöpferische Vorstellungskraft nicht so stark war wie seine Technik, konnte er nur wiederholen, was frühere Komponisten getan hatten.». Diese Kritik wog umso schwerer da Korngold mit seiner späteren Arbeit in Hollywood, dieses Klischee magnetisch anzog.

Tatsächlich begegnen wir in Korngolds Musik eine ungeheurer Klangwucht, die in expressionistischem Gewand gehüllt, mit lauten Dissonanzen samt Glockengeläut an Mahler gemahnt. Wir hören die Musik in einer Hitze und Expression flirren, die uns an Richard Strauss Salome erinnert. Und zuletzt hören wir Melodien, die mit ihrer Sinnlichkeit und Süsse es mit Puccini aufnehmen können.

Julius Korngold kannte durch seine Arbeit Gustav Mahler persönlich und der damalige Wiener Hofoperndirektor lernte den 9-jährigen Erich kennen, als dieser dem Meister in dessen Wohnung eine Kantate vorspielen durfte. Darauf soll Mahler in seiner Wohnung immer wieder ausgerufen haben soll «Ein Genie! Ein Genie!». 4 Jahre später lud Mahler den mittlerweile 13-jährigen ein, an den Proben zur Uraufführung seiner 8. Sinfonie teilzunehmen. Dieses Erlebnis muss einen tiefen Eindruck auf den jungen Erich gemacht haben, denn die Orchesterbesetzung der toten Stadt ist beinahe identisch mit Mahlers Nummer Acht. Wie Mahler ergänzte Korngold das Orchester spätromantischer Grösse mit farbenreichen Instrumenten wie Celesta, Harmonium, Kirchenglocke, Mandoline und Klavier. Darüber hinaus setzte er wie das Vorbild eine Windmaschine und einen Knabenchor ein.

Nach den 70er Jahren fand die tote Stadt nach und nach den Einzug ins Repertoire der Opernhäuser und Korngold wurde Genie und Eigenständigkeit attestiert. Keiner leugnet, dass Korngold von grossen Vorläufern und Zeitgenossen beeinflusst war. Korngold und Richard Strauss kannten und schätzten sich gegenseitig, doch heutzutage ist man sich einig, dass Korngold nicht der zweite Strauss war, sondern der erste Korngold.

 

 

Leitmotive

Korngold verwendete für «die tote Stadt» verschiedene Leitmotive. Am dominierendsten ist das als Liebesmotiv verwendete, wunderschöne Thema der Arie “Glück, das mir verblieb”, welches wir immer wieder antreffen. Auch das Brügge-Motiv ist öfters zu hören, ein besonders schönes Beispiel finden Sie weiter unten in der Beschreibung der Szene zu Beginn des zweiten Bildes. Darüber hinaus gibt es weitere Leitmotive, die aber aufgrund der Reichhaltigkeit der Partitur, der Fülle der Orchesterbesetzung und der Komplexität der Motive zum Teil schwierig herauszuhören sind (Haarmotiv, Auferstehungsakkorde, Vergänglichkeitsmotiv etc.).

 

 

Uraufführung und das Schicksal des Werks

Als Korngold die Fertigstellung der «toten Stadt» ankündigte, rissen sich die Opernhäuser um die Uraufführungsrechte. Schliesslich bekamen mit Hamburg (dirigiert von Pollack), Köln (dirigiert von Klemperer) und Wien drei Häuser die Rechte am gleichen Abend das Werk uraufzuführen. Wien musste dann aus Besetzungsgründen absagen.

Das Werk wurde von Beginn weg bejubelt und Korngold, der an der Uraufführung in Hamburg zugegen war wurde gefeiert. Das Publikum riss sich um die Plätze. In Hamburg wurde das Werk allein 26-mal in der ersten Saison gegeben. Kurz danach ging das Werk auch in Wien, New York, Prag und Zürich über die Bühne und wurde während 10 Jahren zum Dauerbrenner. Diese Phase wurde durch die Machtergreifung der Nazis jäh gestoppt, als die Werke von jüdischen Komponisten mit Aufführungsverboten belegt wurden.

Korngold emigrierte in den dreissiger Jahren nach Amerika und wurde durch eine Einladung Max Reinhards, der in Hollywood an einer Verfilmung des Sommernachtstraums arbeitete, zum ersten Mal für die Filmindustrie tätig, wo er dann in den nächsten 10 Jahren mit grossen Erfolg und wegweisender Arbeit zum renommiertesten Filmkomponisten wurde und sogar mit dem Oscar für seine Filmmusik zu «Robin Hood» ausgezeichnet wurde.

«Die tote Stadt» erholte sich zu Lebzeiten Korngolds nicht mehr und verschwand aus dem Repertoire. «Die tote Stadt» erholte sich zu Lebzeiten Korngolds nicht mehr und verschwand aus dem Repertoire. Bereits herzkrank besuchte Korngold nach dem Ende des Weltkriegs eine Wiederaufnahme der Oper 1954 in München. Korngold musste bitterlich feststellen, dass «der verstaubte Symbolismus» des Werks nicht mehr gefragt war.

Erst in den siebziger Jahren begann dessen Renaissance mit Leinsdorfs Aufnahme, und seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich das Werk wieder im internationalen Repertoire festsetzen können.

 

 

 

DIE TOTE STADT ERSTES BILD

 

 

 

Handlung: In Pauls düsterer Wohnung in Brügge. Die Haushälterin Brigitta empfängt Pauls alten Freund Frank, der herbeigeeilt ist. Sie schauen auf das geschmückte Bild Maries der verstorbenen Frau Pauls, vor der eine Haarflechte Maries wie eine Reliquie ausgestellt ist. Brigitta erzählt von Pauls seltsamen Zustand.

Bereits zu Beginn funkelt das Orchester in allen Farben. Brigitta singt schwelgerische, spätromantische, schwelgerische Passagen und das grosse Orchester singt vor dem Eintreffen Pauls weitgezogene Melodien.

Behutsam! Hier ist alles alt und gespenstig

 

“Der Traum der Wiederkehr”

Handlung: Paul kommt zurück in seine Wohnung und erblickt erfreut seinen Freund Frank. Paul erscheint ihm gar nicht wie Brigitta ihn geschildert hat. Beinahe ekstatisch erzählt er von einer Begegnung, die er bei einer seiner einsamen Spaziergänge mit seiner imaginären Frau im Arm hatte. Er erblickte eine Frau, die seiner Marie aufs Haar glich. Am nächsten Tag hat er sie angesprochen, ihre Stimme war die Maries, Gott habe sie ihm zurückgegeben. Frank versucht ihm zu erklären, dass er dem Wahn «des Traums des Wiederkehrs» verfallen sei. Doch Frank will nichts davon wissen.

Nach der Begrüssung von Frank taucht Paul in Maries Welt ein. Eingeleitet von Flöte und Harfe singt Paul bei zurückhaltendem Orchester lange Linien.

Frank! Freund!

 

“Glück, das mir verblieb” – Korngold grossartiges Lied

Handlung: Es läutet, Paul erwartet Marietta bereits. Er schaut das Bild seiner Frau an und ist glücklich, dass Gott sie ihm zurückgegeben hat! Marietta tritt ein, und fasziniert bestaunt Paul sie, die seiner Marie so täuschend gleicht. Als er ihr einen Schal schenkt, und sie ihn sich überwirft ruft er ekstatisch «Marie!».  Marietta ist eine Tänzerin, die während eines Engagements in Brügge auf Durchreise ist. Als sie in der Wohnung eine Laute sieht, singt sie Paul vergnügt ein Lied. Paul ist bewegt, es ist genau das Lied, das Marie auch immer gesungen hat.

Diese Stück ist das berühmteste Stück Korngold’s überhaupt. Es ist ein nostalgisches Solostück (das in ein Duett übergeht) in der Mitte eines Psychodramas. Es hat die Funktion die Beziehung von Paul und Marietta für den Hörer emotional zu gestalten, um einen maximalen Gegensatz zu dem darauf folgenden Drama zu bilden, welches bis zum Mord Pauls an Marietta geht.

Glück, das mir verblieb, Rück zu mir, mein treues Lieb.
Abend sinkt im Haag. Bist mir Licht und Tag.
Bange pochet Herz an Herz. Hoffnung schwingt sich himmelwärts.

Naht auch Sorge trüb, Rück zu mir, mein treues Lieb.
Neig dein blass Gesicht, Sterben trennt uns nicht.
Mußt du einmal von mir gehn, Glaub, es gibt ein Auferstehn.

 

Der Charakter dieses Stücks ist lied- oder gar operettenhaft. Bereits zu Beginn glitzert das Orchester, das mit Glockenspiel, Celesta und Harfe eine typische spätromantische Färbung besitzt. Die Glocken der Celesta zaubern eine romantische, fast kindlich naive Stimmung:

Wir hören das Duett zunächst in der Originalbesetzung für Sopran und Tenor in der Aufnahme mit Jonas Kaufmann und Julia Leiter. Kaufmann debütierte 2019 in der Rolle des Pauls.

Glück, das mir verblieb  –  Kaufmann / Leiter

 

Die folgenden Aufnahmen ist eine Soloversion für Sopran, eine himmlische Version von Elisabeth Schwarzkopf gesungen in langsamen Tempo. Das Sehnen ihrer Stimme, von Erregung heiser, schmachtet im besten Sinne des Wortes.

Glück, das mir verblieb  –  Schwarzkopf

 

 

Die gespenstischen Erscheinungen und die Bacchanale

Handlung: Die kokette Marie ist ausgelassen und nimmt Paul nicht ernst. Als sie Maries Bild sieht, ist sie verblüfft ob der Ähnlichkeit zu ihr und befremdet ob Pauls seltsamen Verhalten. Von der Strasse hört sie die Rufe von Gaston, der sie zur Eile ruft, denn die Abendvorstellung beginne bald. Sie ermuntert Paul, sie im Theater zu besuchen und verlässt das Haus. Paul ist allein, Marie erscheint ihm und mahnt ihn zur Treue, Paul erklärt ihr, nur sie in Marietta zu sehen. Die Erscheinung verschwindet und Paul sieht im Wahn Marietta in wallendem Phantasietanzkostüm, prächtig geschmückt, verführerisch lockend tanzen. Dazu ertönen orgiastische Tanzrhythmen.

Die beiden Stimmen singen in gemessenen Tempo in relativen hohem Register, Marie hört man wie aus der Ferne, das Trugbild wird chromatischer und gespenstischer und versinkt wieder in die Ruhe des Anfangs bis es in einen bacchanalischen Tanzrausch ausartet.

Da bist du ja, Marie, ich wusste es  –  Vogt / Pavlovskaya

 

 

 

 

DIE TOTE STADT ZWEITES BILD

 

 

 

 

 

Die Glocken und das Brügge-Thema

Handlung: Die Umrisse eines öden, verlassenen Kais werden sichtbar. Es ist Nacht. Man erkennt einen Glockenturm und daneben Wohnhäuser, schwach beleuchtet von Gaslampen.

Das Bild beginnt mit einem expressiven Prélude. Über flimmernden Streichen hören wir Kirchenglocken und in den Bläsern ertönt wiederholt das Brügge-Motiv:

Brügge_Thema, Bruges_motiv; the dead city, die tote Stadt, Korngold

Prélude

 

 

 

Handlung: Paul erscheint und geht auf das Haus zu, in dem Marietta wohnt. Seine Gedanken sind düster, er hatte Marietta im Theater nicht angetroffen und will sie in ihrer Wohnung aufsuchen. Er schaut zu ihrem Fenster und sieht einen Schatten hinter dem Vorhang. Eine Gruppe Nonnen nähert sich ihm. Er erkennt in der Gruppe Brigitta, die ihn verlassen hatte. Sie sieht ihn und wirft ihm vor, Marie untertreu geworden zu sein.

Die drohenden Glocken erinnern Paul an den Tag an dem Marie zu Grabe getragen wurde. Zwischendurch hört man den Wind (der Windmaschine) der über den verlassenen Kai fegt. Bei «Nun trag’ ich Unrast des Begehrens… » steigert sich der Wind und das Orchester ertönt mit schweren fff, bis es erstirbt und Brigitta auftaucht.

Was ward aus mir?

 

 

Paul sieht Frank

Handlung: Als Paul auf das Haus zugeht, sieht er wie ein Mann die Tür aufsperrt. Es ist sein Freund Frank. Zu seinem Entsetzen erfährt Paul, dass auch Frank ihr Liebhaber ist. Als dieser von Paul verlangt von ihr zu lassen, geraten die beiden in Streit und Paul nimmt ihm den Schlüssel zur Wohnung Mariettas ab. Frank kündigt Paul seine Freundschaft und verlässt den Ort.

Wohin?  –  King / Armstrong

 

Mein Sehnen, mein Wähnen

Handlung: Plötzlich hört er Lärm einer nahenden Gesellschaft. Marietta kommt mit ihrer Theatergruppe auf einem Schiff nach Hause und man hört sie singen und lachen. Darunter sind der reiche Graf Albert und der Schauspieler Fritz, der ein Pierrot Kostüm trägt. Sie haben Champagner und Essen dabei und machen es sich am nächtlichen Kai gemütlich. Marietta bittet Fritz ihr ein Lied zu singen, denn sie weiss, dass Fritz in sie verliebt ist.

Pierrot singt ein wehmütiges Lied mit langsamer, walzerhafter Begleitung. Es ist einer jener Korngoldlieder ihren mit üppigen Farben und verschwenderischen Melodien. Dieses Lied wird in mit einem wunderschönen Summ Chor ergänzt, den uns unweigerlich an Puccinis Madama Butterfly denken lässt.

Mein Sehnen, mein Wähnen  –  Hampson

 

 

 

Handlung: Aufgekratzt will Marie eine für Ihren Mäzen Graf Albert eine Szene aus einem Theaterstück nachspielen. Sie spielt Helene aus Meyerbeers «Robert le diable», in einer Szene wo sie als Tote aufersteht. Im Hintergrund hört man Kirchenglocken läuten, und die Nonnen passieren auf ihrem Rückweg die Theatertruppe. Fassungslos hat Paul der Szene der Wiederauferstehung unerkannt zugeschaut. Er platzt in die Szene und packt Marietta. Nach einem kurzen Handgemenge schickt Marietta die Theaterleute weg und bleibt allein mit Paul zurück. Verbittert wirft Paul ihr vor, ihn mit seinem besten Freund betrogen zu haben. Rachsüchtig erzählt er ihr, dass er sie nur begehrt habe, weil sie seiner toten Frau gleiche, und dass er sie nun verlassen werde.

Der Sänger des Pauls konnte sich eine kurze Pause gönnen. Nun kommt eine Szene, die zu den dramatischsten und anstrengendsten Passagen überhaupt gehört. Pauls Eruption entspricht der eines Vulkans, die Passagen sind in hoher Tessitura notiert, einige Passagen sind in der Partitur sogar mit «schreien» notiert.

Der amerikanische Tenor James King beschrieb diese Rolle einst, dass sie die Tonlage einer Puccini Oper habe, begleitet von einem Wagnerschem Orchester habe. Sie sei so schwer wie der Othello und die einzige Rolle, die ihm Angst eingeflösst hatte.

Bravo, guter Pierrot  – Halt ein! Du eine auferstandene Tote? –  King / Armstrong

 

 

Der ekstatische Aktschluss

Handlung: Marietta erinnert ihn an ihre ekstatischen Liebesstunden, die sie beide genossen haben und Paul spürt, dass er sie nicht verlassen kann. Leidenschaftlich küssen sich die beiden auf der Parkbank. Marietta will nun mit ihm in sein Haus gehen und gegen den Geist seiner toten Frau, der ihn besitzt, ankämpfen.

Diese Passage ist einer der Höhepunkte der Oper. Marietta erkennt die seelischen Qualen Pauls. Sie muss in dieser Szene dramatisch und verführerisch klingen, um die Gewissensqualen und das erotische Verlangen von Paul glaubhaft zu machen. Mit einer Tristan ähnlichen Ekstase schliesst der zweite Akt.

Paul du leidest? (Marietta, Paul)  –  King / Armstrong

 

 

 

DIE TOTE STADT DRITTES BILD

 

 

 

 

 

Marietta nimmt den Kampf mit Marie auf

Handlung: Es ist morgen und Marietta erscheint in weißem Morgengewand im kirchenartigen Zimmer Maries. Sie verharrt kurze Zeit regungslos und stürzt dann mit wilder Bewegung vor das Bild Maries. Marietta fordert den Geist Maries auf von den Lebenden zu lassen. Von draussen hört man Kindergesang, der von einer Prozession stammt, die in der Strasse vorbeizieht. Paul erscheint, ihn hat die Prozession mach aussen getrieben. Er will das Marietta das Zimmer verlässt. Marie will bleiben. Sie kokettiert und fordert ihn hier im Zimmer zu küssen. Paul drückt sie brutal in den Stuhl zurück.

Das Vorspiel zum dritten Bild zeigt Mariettas Aufgewühltheit. Man hört den Sturm in ihr förmlich, die Musik wird immer drängender und rascher. Mit vielen ausgeschriebenen, dramatischen Rubati bereitet Korngold den Auftritt von Marie vor.

Im Laufe der Szene beobachtet Marie aus dem Fenster die Prozession der Kinder, deren Gesang die Musik des Dramas überlagert, welches sich im Zimmer abspielt.

Prélude …Dich such ich, Bild  –  King / Armstrong

 

Handlung: Die religiöse Zeremonie weckt in Paul Wahnvorstellungen. Marietta zieht Paul ob seiner Frömmigkeit auf und fordert ihn auf sie zu küssen. Doch Paul ist in seinen Wahnvorstellungen gefangen.

Im Tonbeispiel beginnt nach 3 Minuten die ekstatische Wahnvorstellung von Paul. Die religiöse Zeremonie und sein emotionaler Zustand lassen ihn auf die Knie sinken. Die Prozession scheint in den Raum zu kommen und Paul gefangen zu nehmen. Die Musik explodiert förmlich, Worte sind nicht mehr möglich, um seine Gefühle zu beschreiben, nur mehr die Musik kann die Dämonen in Paul ausdrücken.  Als er zur Ruhe kommt, hört man den Chor im ostinato Rhythmus den lateinischen Hymnus «Pange, lingua, gloriosi Corporis mysterium» singen. Als Marietta ihm verächtlich zuruft «Du bist ja fromm!» und ihn küssen will, fällt er wieder in den Wahn zurück ruft in hoher Stimme Worte hervor und bricht zusammen.

Sei klug, sei gut  –  King / Armstrong

 

Das grosse Finale

Handlung: Sie selbst habe sich aus schlimmen Verhältnissen retten müssen und sie will das Recht haben Paul ganz für sich zu haben. Gestern noch wollte er sie voll Wollust haben und am Tage spiele er den Frommen. Sie geht zum Bild Maries und packt die Haarflechte Maries, die wie eine Reliquie ausgestellt ist. Paul warnt sie, die Haarflechte nicht zu entweihen. Umso mehr kokettiert Marie mit der Haarflechte. Paul ist ausser sich, als Marie mit der Haarflechte wild tanzt, verliert Paul die Beherrschung, reisst er ihr die Haare aus der Hand, und er erdrosselt sie Marietta mit ihnen, die als Tote ganz Marie gleicht.

 

Handlung: Das Licht erlischt. Als es wieder angeht wacht Paul auf und das Zimmer ist wie zu Beginn. Brigitta erscheint, wenig später auch Marie, die den Schirm vergessen hatte. Zu guter Letzt erscheint auch Frank, der in seinem Gesicht sieht, dass ein Wunder geschehen ist. Tatsächlich erkennt Paul, dass die Episode nur ein Traum war und er sich nun von Marie und Marietta lösen könnte. Er geht zur Tür und verlässt Abschied nehmend das Zimmer.

Nach und nach erwacht Paul aus seinem Traum, das Orchester begleitet ihn zärtlich. Mit dem Erscheinen Brigittas beruhigt sich das Orchester, von Flöten begleitet erscheint Marietta. Als Frank erscheint wechselt die Musik in ein strahlendes B-Dur und das Stück endet im breiten adagio mit melancholischer Zuversicht.

Die Tote, wo, lag sie nicht hier … Glück, das mir verblieb  –  King / Armstrong

 

 

 

 

Aufnahme-Empfehlung

 

ARTHAUS DVD, James King, Karan Armstrong, William Murray, Margit Neubauer, Donald Grobe unter der Leitung von Heinrich Hollreiser und dem Orchester der Deutschen Oper Berlin

 

 

 

Peter Lutz, opera-inside, der Online-Opernführer zu “DIE TOTE STADT” von Erich Korngold.

 

 

 

 

 

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