Mozart: das Universalgenie
Auch über 200 Jahre nach dem Tod Mozarts stehen seine Werke mit zuoberst auf den Ranglisten der am meisten aufgeführten Opern. Mozart war kein Opernspezialist und ihm war ein vergleichsweise kurzes Leben beschieden und doch hat er 22 Werke für diese Gattung geschrieben !
Seine Passion für Opern hat er auf seinen Italienreisen erworben. 1770 durfte er beispielsweise mit 14 Jahren das Auftragswerk «Mitridate» für ein Mailänder Theater komponieren und selbst dirigieren. Seine spätere Zusammenarbeit mit Lorenzo dal Ponte hat sein leuchtendes Dreigestirn seiner italienischen Opern hervorgebracht («Don Giovanni», «Le nozze di figaro» und «Cosi fan tutte»).
Mozart hat nicht nur im italienischen Fach der Opera buffa brilliert, sondern auch im Fach der Opera Seria und dem deutschen Singspiel. Während die Opera seria historisierenden Stoffen vorbehalten war und ein vornehmliches höfisches Publikum ansprach (bspw. «Idomeneo» oder «La clemenza di Tito»), war das deutsche Singspiel das Genre für das einfache Volk. Die Stoffe wurden Märchen, Erzählungen und den damals populären Zauber-Geschichten entnommen. «Die Zauberflöte» oder die Entführung sind Mozarts wichtigsten Werke aus diesem Genre.
Was machte Mozarts Opern einzigartig, und welches waren seine Beiträge für die Operngeschichte? Mit diesem Thema könnte man Bücher füllen. Ich möchte kurz 4 Themen ansprechen:
Unsterbliche Figuren. Mozart produzierte als erster Komponist nicht nur schöne Musik für Rollen, sondern wahre Charakter-Portraits. Viele seiner Figuren werden auf ewig am Sternenhimmel der Opernliteratur glänzen, weil sie Menschen aus Fleisch und Blut geworden sind. An vorderster Stelle würde ich die Gräfin und Cherubino aus den Nozze nennen. Papageno und die Königin der Nacht aus der Zauberflöte gehören auf diese Liste wie auch der Don Giovanni aus der gleichnamigen Oper. Diese Liste ließe sich natürlich weiter ergänzen.
Vertonung der Frauen-Gefühle. Die schönsten Partien, Arien und Duette hat Mozart für die Frauen geschrieben. Zärtliche Liebeshymnen, Todeswünsche und Rachegefühle waren die Empfindungen die er meisterhaft zu vertonen wusste. Diese Töne lagen ihm näher als die schmetternden testosterongeschwängerten Stücke für Tenöre.
Gesellschafts-Kritik. Aus persönlicher Erfahrung war die gesellschaftliche Ordnung Mozart ein Dorn im Auge und er thematisierte dies in seinen Opern. Stets sah er das Prärogativ der Adligen kritisch (bspw. „Le nozze di figaro“) und er engagierte sich selbst im Bund der zeitkritischen Freimaurer (Zauberflöte).
Psychologie. Mozart war ein Meister der Psychologie. Die Libretti waren stets feinsinnig und doppeldeutig. Vor allem in der zweiten Hälfte seiner Kompositions Tätigkeit komponiert Mozart Musik und Text auf verschiedenen Ebenen. Dies macht die Interpretation seiner Werke vielschichtig und spannend.
Die Oper der Belcanto Ära: Rossini, Donizetti, Bellini
Belcanto: Diese drei Komponisten bilden das Dreigestirn des Belcantos. Belcanto beschreibt die italienische Gesangstechnik vor 1900. Dazu gehören Reinheit und Feinheit des Tons, der Fluss (Legato) und ferner die dynamische Flexibilität (Messa di voce) und die Agilität bei Verzierungen. Mit den drei Komponisten erreichte der Belcanto seine Blütezeit.
Primadonnen: Die Stars der Belcanto Ära waren die Primadonnen, die die Arien nach eigenem Gutdünken mit Koloraturen, Kadenzen und Verzierungen schmückten. Für die Kastraten der Händel-Ära wurde noch bis ca. 1820 in der Opera seria geschrieben, doch dann endete die Zeit der Farinelli & Co und die Zeit der Tenöre begann. Duprez war der erste berühmte Tenor. Er machte mit seinem «do di petto», dem hohen C aus voller Brust Furore und verunsicherte Rossini, was ihn zu seinem berühmten Aphorismus verleitete, «er töne wie der Todesschrei eines Kapauns».
Vielschreiberei: Die Komponisten dieser Zeit wurden zum Vielschreiben gezwungen. Im sogenannten Impressionario System verfügten die Komponisten nach dem einmaligen Verkauf ihres Werkes an den Theater-Unternehmer (Impressionario) über keine Verwertungsrechte mehr und mussten laufend neue Opern schreiben, um Einkommen zu generieren. So hat Rossini 40 Opern in 20 Jahren geschrieben, Donizetti überflügelte ihn gar noch mit 70 Werken in 27 Jahren. Rossini war berüchtigt dafür, einzelne Stücke mehrfach zu verwenden. Er trieb es sogar so weit, dieselben Ouvertüren sowohl für Opera seria wie für Opera buffa zu verwenden. Die Viel- und Schnellschreiberei war aber nur möglich, indem die Musik und Dramaturgie in starke Schablonen gepresst wurde. Dafür stand sinnbildlich die Scena ed aria, welche einen schematischen Auftritt der Akteure beschreibt. Sie folgt folgendem Ablauf: Rezitativ, langsame Arie (Cavatina), Rezitativ, schnelle Arie (Cabaletta) und eventuell eine Stretta am Schluss. Begleitet wurde die Scena durch verschiedene Auftritte von Stichwortgebern. So konnten Librettisten rasch Stücke schreiben ohne jede Szene detailliert durchzusprechen.
Primat der Melodie: Während für Rossini neben der Stimme der Effekt sehr wichtig war (das berühmte Rossini-Crescendo und die großartigen Ensembles) so galt bei Bellini und Donizetti das Primat der Melodie. Bellini schrieb einem seiner Librettisten, «die Oper muss die Leute zum Weinen bringen, mit Grauen erfüllen, sie durch Gesang sterben lassen». So sind deren Opern voll von Liebesduetten, Schwanengesängen und Wahnsinns-Szenen. Bellini wird oft als der größte Melodiker der Geschichte genannt, selbst Wagner schätzte den Italiener ungemein. Weniger Lob (mit Ausnahme von Rossini) erhielten die Belcanto Komponisten für ihre Orchestrationen, die neben dem Gesang ein Mauerblümchen Dasein fristeten.
Die größten Opern: Mit dem allmählichen Ende dieser Ära wandelte sich das System in Richtung Repertoire Oper. Zwar blieben Neukompositionen stets wichtig, aber viele der Belcanto Opern wurden zu Repertoire Opern. An vorderster Stelle müssen genannt werden: Rossinis Barbiere, Italiana und Tell. Donizettis Lucia, Fille du régiment und Don Pasquale und schließlich Bellinis Puritani und Norma.
Das Singspiel und der Beginn der deutschen Oper
Die Abgrenzung der italienischen Oper vom Singspiel wird häufig über die Verwendung von gesprochen Dialoge des Singspiels gegenüber dem Rezitativen der Italienischen Oper gemacht. Das Singspiel hatte nur wenig Formalismen und so musste sich der (ungeübte) Opernkomponist Beethoven mit seiner Oper Fidelio über Jahre quälen, bis er zu einer zufriedenstellenden Dramaturgie fand.
Das Dreigestirn: Auch im Singspiel gibt es ein leuchtendes Dreigestirn. Es sind die Drei Opern «Die Zauberflöte» (Mozart), «Fidelio» (Beethoven) und der «Freischütz» (von Weber). Weitere Vertreter
Bürgerliches Theater: Das Singspiel war im Gegensatz zur Opera seria das Genre des Volkes. Opern wie der Freischütz sind romantische Stücke des Biedermeiers, ganz im Sinne der Zeit, in welcher märchenhafte Stoffe (E.T.A. Hoffman, Gebrüder Grimm) populär waren. Das vielleicht eindrücklichste Zeugnis ist die berühmte Wolfsschlucht-Szene aus dem Freischütz.
Wagners Vorläufer: Wagner hat ausdrücklich den Fidelio und den Freischütz als die Grundlagen der Deutschen Oper genannt. Eine Aufführung des Fidelio mit der Sängerin Schröder-Devrient nannte er sein Erweckungs-Erlebnis. Und von Weber hat er so hoch geschätzt, dass er sich persönlich für die Überführung der sterblichen Überreste von London nach Deutschland einsetzte.
Die französische Oper: zwischen «opéra comique» und «grand opéra»
Gigantismus der grand opéra: Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde Paris zur Hauptstadt der Opernwelt. Der Grund war die Gründung der Pariser grand opéra. Das Opernschaffen wurde professionalisiert: naturgetreue Bühnenbilder und gigantische Bühnenmaschinen führten zu nie dagewesenen Theater-Erlebnissen. Die Gigantomanie der vertonten Geschichtsdramen verlangte nach 5-Aktigen Opern, riesigen Chören und dem obligaten Ballett. Die Kosten stiegen ins astronomische. Der König der grand opéra war Giacomo Meyerbeer («Les huguenots»). Aber auch die großen Komponisten der angrenzenden Länder wie Verdi («Don Carlo», «Vêpres siciliennes»), Rossini («Guillaume Tell») oder sogar Wagner («Tannhäuser», «Rienzi») komponierten für diesen Magneten.
Opéra comique: Gegenpol der grand opéra in der französischen Hauptstadt war die opéra comique. Kleinere Formen, tiefere Ticket-Preise und gesprochene Dialoge trennte diese Theater-Form von ihrem «großen Bruder». Ihr Name stammte aus den Zeiten als die Tragödie dem Adel vorbehalten war. Vereinzelte dieser Werke stehen heute gelegentlich auf den Spielplänen unserer Opernhäusern (Aubers «Frau Diavolo», Fille du régiment oder Cherubinis Medéa)
Weder-noch: die 4 Hauptwerke: Ironischerweise gehören die vier wichtigsten Werke dieser Zeit keiner Richtung an. Diese 4 Werke gehören zum größten der Opernliteratur überhaupt und vereinigen Elemente beider französischer Opernstile. Zu diesem exklusiven Kreis gehören Gounods «Faust», Massenets «Manon», Bizets «Carmen» und Offenbachs «Les contes d’Hoffmann».
Verdi: der Titan der Italienischen Oper
Verdi ist seit 150 Jahren weltweit der meistgespielte Opernkomponist. Er prägte zusammen mit dem im gleichen Jahr geborenen Richard Wagner die Opernmusik während 50 Jahren.
Der Aufstieg: Mit 26 Jahren schrieb er seine erste Oper (Oberto). Sein erster Grosserfolg war Nabucco, dessen Chorstück «Va pensiero» zur Hymne des Risorgimento, der Freiheitsbewegung der Italiener wurde. Verdi ließ sich sogar in die Abgeordnetenkammer wählen, die er bald darauf wieder verließ. Es folgten die Galeerenjahre (die er selbst so nannte), in denen er regelmäßig und oft unter Zeitdruck Opern komponierte und in Opernhäuser inszenierte. Viele dieser Werke setzten sich rasch durch. Diese mittleren Schaffensjahren kulminierten anfangs der fünfziger Jahre in der Trilogie «Rigoletto, Il Trovatore und La traviata» die allesamt zu den meistgespieltesten Werken überhaupt gehören.
Pariser Jahre: Verdi wollte sich auch in Paris durchsetzen und schrieb dafür Les vêpres siciliennes und Don Carlos, die er später auch für die italienischen Bühnen umschrieb, sodass zwei Fassungen nebeneinander existieren.
Aida und die Spätjahre: Verdi zog sich nach seinen Pariser Jahren mit Giuliana Strepponi auf seinen Landsitz Bussetto zurück. Erst die Anfrage aus Ägypten packte den Ehrgeiz des 58 jährigen und er schrieb für das Opernhaus in Kairo die Aida. 14 Jahre später erarbeitete er mit dem Librettisten Arrigo Boito die zwei Alterswerke Othello und Falstaff, letzteres mit 86 Jahren.
Der Verdi Stil: Viele Formalismen entnahm Verdi der Rossini Zeit. Beispielsweise den Belcanto Stil oder die Formeln der Scena ed aria. Verdi war aber auch innovativ und gab jeder seiner Oper eine eigene musikalische Farbe, der sogenannten «Tinta musicale», die Verdi bevor er sich ans Komponieren machte, als Erstes ausarbeitete. Daneben gibt es weitere Neuerungen der Verdischen «Handschrift» wie bspw. den Verdi-Bariton.
Wagner: der Titan der deutschen Oper
Sein Aufstieg: Seine Musikerkarriere startete Wagner als Kapellmeister. Parallel dazu komponierte er. Grosse Bewunderung hegte er für den Fidelio und den Freischütz, die er als die Gründungswerke der deutschen Oper ansah. Nach seiner Flucht aus Königsberg (Sein teurer Lebensstil und Schulden waren seine treuer Begleiter im Leben) versuchte er sein Glück in Paris, scheiterte aber mit Rienzi.
Der Beginn der Arbeiten am Ring: Aus politischen Gründen floh Wagner in die Schweiz, wo er den Ring-Zyklus mit der Oper Rheingold beginnt. Wanderjahre führen in unter anderem nach Paris (wo er wieder mit dem Tannhäuser scheitert) und er komponiert den Tristan
König Ludwig II rettet ihn: Ludwig bezahlt Wagners Schuldenberg und verhilft ihm zu einer Stellung in München. Doch bald muss er nochmals in die Schweiz emigrieren, wo er die Arbeit am Ring fortführt.
Bayreuth: 1872 zieht die Familie Wagner dorthin um. Die Finanzierung dieses enormen Unterfangens sicherzustellen, kostet Wagner viel Arbeit, aber es gelingt ihm zusammen mit vielen Gönnern Geld für die Grundsteinlegung des Festspielhauses und für den Kauf der Villa Wahnfried zu sammeln. Die ersten Festspiele erfolgen 1876 in Anwesenheit Wilhelms und der ganzen europäischen Kulturprominenz und wurde zu Wagners grösster Triumph. In den nächsten Jahren arbeitet Wagner weiter am Parsifal, seinem letzten Werk, unter grossen Geldsorgen leidend. Die 1876er Bayreuther Festspiele waren so kostspielig, dass es 6 Jahre bis zu den nächsten Festspielen auf dem grünen Hügel, an denen dann der Parsifal uraufgeführt wurde.
Der Wagner Stil: Wagner ist ein Erneuerer der Oper. Seine zwei Hauptwerkzeuge sind das «Musikdrama» und das «Leitmotiv»? Ersteres ist die Abkehr von der «Nummernoper, sondern Drama und Musik bilden eine untrennbare Einheit. Charakteristisch ist, dass die Musik geschlossen ist, und ohne Unterbrechungen (wie Terzett, Finale usw.) auskommt. Wiederkehrende Motive (Leitmotive) schaffen den Zusammenhang. Konsequenterweise hat Wagner zu den meisten seiner Werke den Text und das Libretto selbst verfasst.
Strauss und Puccini: die Erben Wagners und Verdis
Die Zeit nach Wagner und Verdi lässt sich in 3 Strömungen unterteilen. In Italien entwickelt sich der Verismo, in Deutschland und anderen Ländern sind gibt es Komponisten die von Wagner beeinflusst werden.
Der Verismo: Dieser Stil entwickelte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Italien. Er kombiniert realistisches Theater mit roher emotionaler Musik. Das kunstvolle Lied (Belcanto) wird zugunsten von dramatischen Gesangslinien aufgegeben. Die bekanntesten Opern dieser Gattung sind (neben Puccini) «Cavalleria rusticana» (Mascagni), Pagliaccio (Leoncavallo) und Andrea Chénier (Giordano).
Puccini: Puccini nannte sich selbst «Komponist der Kleinigkeiten». Jede seiner Opern hat ihr charakteristisches Gepräge, die Puccini akribisch mit «Kleinigkeiten» zum Leben erfüllt. Es ist vergleichbar mit der «tinta musicale» Verdis. Wie weit weg sind die delikaten Töne der Bohème von den groben und brutalen Szenen der Tosca. Auch Turandot und Butterfly leben von der exotischen musikalischen Tonsprache die Puccini akribisch studiert hat. Puccini ist, hier ähnlich Mozart, der Komponist für die Frauen-Rollen. Seine Butterfly, Mimi, Manon, Tosca etc. sind Rollen, die jedem Opern-Freund im Detail bekannt sind. Puccini ist keiner Schule zuzuordnen, er hat natürlich Elemente des Verismo übernommen aber ebenso hat er Wagner-Techniken angewandt, wo er es sinnvoll fand. Eklatant feststellbar ist das bei der Verwendung der Leitmotive, die Puccini exzessiv nutzt. Oder dass seine Arien sehr kurz sind, da sie immer in das Musikdrama eingebunden sind.
Richard Strauß, Revolutionär und Konservativer:
Als Richard Strauß 1908 mit «Salome» seinen ersten großen Opernerfolg feierte, hatte er die «Wagner-Periode» hinter sich und fand mit einem naturalistischen Stil den Weg in die Avantgarde. Bald schon doppelte er mit der «Arabella» nach und wurde als der Komponist der Moderne gefeiert. Was wäre der logische nächste Schritt gewesen? Atonale Kompositionen? Diesen Weg wollte Strauß nicht gehen. Im Gegenteil – mit dem Rosenkavalier schrieb er sein Größtes aber rückwärtsgewandtes Werk. Es war ein Geniestreich, das er mit Hoffmannsthal ersann, mit dem er insgesamt 10 Opern kreierte.