Der Online-Opernführer zu DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Mit dem “Fliegenden Holländer” ist Wagner sein erstes Meisterwerk gelungen. Die perfekte Orchestersprache, die grandiosen Leitmotive und die prächtigen Chorszenen machen dieses Werk zu einem der Spitzenwerke des deutschen Komponisten.
Überblick und Schnellzugriff
Inhalt
♪ Handlung
♪ Akt I (Sandwike-Szene)
♪ Akt II (In Dalands Haus)
♪ Akt III (Erlösungs-Szene)
Aufnahmeempfehlung
Highlights
♪ Summ und brumm du gutes Rädchen
♪ Johohohe (Sentas Ballade)
♪ Wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten
♪ Verloren, ach verloren (Finale)
Handlung
PREMIERE
Dresden, 1843
LIBRETTO
Richard Wagner, nach einer Sage und Schriften von Heinrich Heine (Aus den Erinnerungen des Herrn von Schnabelewopski)
HAUPTROLLEN
Senta, Tochter des Seemanns Daland (Sopran) - Erik, Jäger und Sentas Verlobter (Tenor) - Daland, Schiffskapitän und Sentas Vater (Bass) - Holländer, verfluchter Mann und Holländers Kapitän (Bariton) - Steuermann, Matrose auf Dalands Schiff (Tenor)
AUFNAHMEEMPFEHLUNG
DECCA, Leonie Rysanek, George London, Giorgio Tozzi und Karl Liebl unter der Leitung von Antal Dorati und dem Royal Opera House Convent Garden Chorus and Orchestra.
KOMMENTAR
Der biographische Hintergrund
Wagners biografische Anekdote über den Hinweis auf den “Fliegenden Holländer” ist zur Legende geworden: Als er 1839 wieder einmal in Riga war, zwang ihn die Angst vor seinen Gläubigern zu einer überstürzten Flucht. Sein Ziel war Paris, das Mekka der Oper, wo er seinen “Rienzi” an der Grand Opéra aufführen wollte. Wagner beschloss, auf dem Wasserweg nach Paris zu fliehen, und sie wurden in Königsberg an Bord der “Thetis” geschmuggelt. In der Meerenge zwischen Dänemark und Schweden geriet das Schiff in schwere Stürme. Der Kapitän war gezwungen, in Sandwike an der Südküste Norwegens Schutz vor dem starken Westwind zu suchen. Doch nach einigen ruhigen Tagen an der Nordsee brach ein noch schlimmerer Sturm aus, der zwei Tage lang mit turmhohen Wellen und schrecklichen Gewittern wütete. Und wie genau Wagner das Libretto nach seinen eigenen Erfahrungen gestaltet hat, zeigt der erste Auftritt von Daland, der schreit: “Sandwike ist’s! Ich kenne die Bucht genau.” Als die Wagners nach Umwegen in Paris ankamen, sollten sie fast drei Jahre in der französischen Hauptstadt bleiben. In Paris schrieb er das Libretto zum “Holländer”. Die Grand Opéra führte Rienzi nicht auf, und Wagner musste das Libretto an den Holländer verkaufen, um sich finanziell über Wasser zu halten, was ihn jedoch nicht daran hinderte, das Libretto weiterhin für seine Zwecke zu verwenden. 1842 verließ er Paris in Richtung Dresden, wo er die Zusage für die Uraufführung seines Rienzi erhalten hatte.
Der “neue Wagner”
Mit dem “Holländer” beendet Wagner seine frühe Phase. Im Alter von 30 Jahren hat Wagner seinen Stil in Musikdrama und Kunst gefunden. Auch wenn vieles noch weiter entwickelt werden sollte, finden wir in dieser Oper alle Dispositionen des reifen Wagner:
- Wagners Lebensthemen
- Der Weg zum Musikdrama
- Das Libretto aus seiner eigenen Feder
- Die Verwendung von Leitmotiven
Wagners Lebensthemen
Mit dem Holländer hat Wagner seinen unverwechselbaren künstlerischen Weg gefunden: “Vier Themen, die auch Wagners weiteres Werk beherrschen, bilden die Eckpfeiler der Handlung im Fliegenden Holländer: die Todessehnsucht, die Opferbereitschaft der Frau, der Liebestod und die Erlösung.” (Holland/Csampai, “Opernführer”). Diese Themen sind biographisch bedingt, so dass man davon ausgehen kann, dass die Person und das Schicksal des Holländers mit der Person Richard Wagners in Verbindung steht: Wie der Holländer ist auch der Künstler Wagner ein Getriebener, der durch die Widrigkeiten der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Erlösung als Künstler sucht. Dieser Erlöser erscheint in dieser Oper in Form von Senta, Wagners erster “Frau der Zukunft”. Im Holländer ist diese “Frau der Zukunft” noch passiv, sie gibt sich dem Tod hin; spätere Erlöserfiguren werden einen umfassenderen Anspruch entwickeln. “Wagner hat über nichts so tief nachgedacht wie über die Erlösung: Seine Oper ist die Oper der Erlösung. Es will immer jemand mit ihm erlöst werden … das ist sein Problem. (Nietzsche).
Der Weg zum Musikdrama
Noch ist der Holländer in weiten Teilen eine Nummernoper. Doch Wagner beginnt bereits, die Nummern zu kombinieren und zu Szenen zu formen und bildet erste Ansätze zum Musikdrama.
Das Libretto aus seiner eigenen Feder
Wagner übernahm die Geschichte aus einem Buch von Heinrich Heine (“Aus den Memoiren des Herrn von Schnabelewopski”), das eine jahrhundertealte Sage zitiert. Wagner änderte an der Geschichte nicht viel, machte aber nach eigener Aussage mit diesem Werk den Schritt vom “Autor von Operntexten” zum Dichter. Er war nun in der Lage, sein eigenes Inneres auf die Figuren der Senta und des Holländers zu übertragen. Das aufgewühlte Meer wird zur Metapher für den Sturm, der in den Protagonisten tobt. “Ich kann nur in Extremen leben”, sagte Wagner über sich selbst. Kein Satz beschreibt die Beziehung zwischen dem Holländer und Sentas besser, denn die Beziehung ist mehr als Liebe, sie sucht die Erlösung im Tod. So ruft Senta im zweiten Satz aus: “Ich muss ihn sehen! Mit ihm muss ich zugrunde gehen!” Erik und Daland sind die Gegenwelt, deren Handeln rein äußerlich bleibt. Das drückt sich auch in der Musik aus, die in Dalands und Eriks Part sehr tonal bleibt und in Sentas und des Holländers Part bereits eine charakteristische Chromatisierung erfährt.
Die Verwendung von Leitmotiven
Wagner verfügt noch nicht über die volle Kunstfertigkeit der Verwendung von Leitmotiven und der “Holländer” ist nicht seine erste Oper mit dieser Technik. Aber zum ersten Mal haben die Leitmotive eine Prägnanz, die die ganze Oper beherrscht. In den Kommentaren zu den Szenen finden Sie verschiedene Notenbeispiele zu den wichtigsten Motiven.
Premiere in Dresden
Die Premiere fand am 2. Januar 1843 im Königlichen Hoftheater in Dresden statt. Wagner selbst stand am Dirigentenpult. Nach der triumphalen Uraufführung von Rienzi am gleichen Ort drei Monate zuvor hoffte Wagner auf eine Wiederholung. Er wurde jedoch enttäuscht: Das Publikum nahm sein Werk nur sehr lauwarm auf und die Inszenierung wurde nach vier Aufführungen abgesetzt. Wilhelmine Schröder-Devrient soll eine beeindruckende Senta gewesen sein, aber die durchwachsene Inszenierung und die anderen Sänger entsprachen nicht Wagners Erwartungen. Der Erfolg des Holländers kam erst mit der bearbeiteten Fassung der Zürcher Aufführung von 1852 richtig in Schwung.
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER AKT I
Die Leitmotive der Ouvertüre
Handlung: Daland gerät mit seinem Handelsschiff in einen Sturm und muss in einer schützenden Bucht namens Sandwike Zuflucht suchen.
Die Oper beginnt mit einer der unvergleichlichen Ouvertüren Wagners. Die stürmische See wird wie in einer symphonischen Dichtung gemalt. Rossinis und Meyerbeers Stürme sind nur eine leichte Brise im Vergleich zu Wagners Orkan. Wir hören drei wichtige Leitmotive in diesem Eröffnungsstück. Gleich zu Beginn hören wir das Holländer-Motiv:
Kurz darauf das prägnante Geistermotiv:
Nach diesem Abschnitt hören wir ein lyrisches Thema, das sogenannte Erlösungsmotiv
Und kurz darauf das Liebesmotiv:
Der Sturm zieht wieder auf und es erklingt das Seemannslied “Steuermann, lass die Wacht”, das wir im dritten Akt hören werden. Am Ende beruhigt sich die Stimmung wieder und mit dem Thema des Erlösungsmotivs endet die Ouvertüre feierlich.
Ouvertüre – Klemperer / Philharmonia
Das Lied des Steuermanns
Handlung: Das Schiff liegt ruhig vor Anker und der Steuermann hat die Nachtwache übernommen. Um wach zu bleiben, singt er ein Lied.
Diese sehnsüchtige Arie des Steuermanns ist ein schönes Seemannslied. Die Stimme ist sehr hoch geschrieben und erreicht am Ende sogar das hohe C.
Mit Gewitter und Sturm – Wunderlich
Der Monolog des Holländers – die Überraschung am Ende
Handlung: Unbemerkt ankert ein Schiff in der Nähe. Der Kapitän dieses Schiffes ist dazu verdammt, für immer auf See zu sein. Nur alle 7 Jahre, so wie jetzt, darf er an Land gehen. Wenn er dort eine Frau fände, wären er und seine Mannschaft von dem Fluch befreit.
Die wenigen Takte, die den Monolog des Holländers einleiten, zeichnen die Einsamkeit und Trostlosigkeit der Bucht als ein Spiegelbild seiner Seele. Zu Beginn des Monologs ist keine Tonart zu erkennen, was eine gespenstische Spannung erzeugt. Im zweiten Teil “Wie oft in Meeres tiefstem Schlund” hören wir die wichtigsten Leitmotive des Holländers. Im dritten Teil “Dich frag ich frag ich gepriesener Engel Gottes” wird der Holländer von den Tremoli der Violinen begleitet, die zwischen den Tonarten C-Dur und c-Moll oszillieren und so seine Zerrissenheit zwischen Angst und Hoffnung auf Erlösung musikalisch festhalten, und im vierten Teil kehrt die düstere Stimmung des Anfangs zurück. Die Stimmung ist gekippt, und der Holländer ist bereit, die Hoffnung aufzugeben: “Ihr Sterne da oben, hört auf zu laufen! Ewige Auslöschung fällt auf mich!”. Als die Musik den Schlussakkord erreicht, geschieht das Wunder, sie ist in strahlendem C-Dur geschrieben, und mit einer kurzen, leuchtenden Kadenz endet dieser große Monolog.
Die Frist ist um – Hotter
Der Holländer und Daland machen ein Geschäft
Handlung: Als Daland an Deck geht, erkennt er im Nebel ein zweites Schiff. Daland lädt den Kapitän auf sein Schiff ein. Im Gespräch mit Daland erfährt der Kapitän von Dalands Tochter Senta. Der Holländer zeigt Daland sein Gold und bittet um die Hand von Sentas Tochter. Daland ist geblendet von dem Reichtum und willigt ein.
Durch Sturm und bösen Wind verschlagen – London
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER AKT II
Handlung: Zu Hause in Dalands Spinnerei sind die Spinnerinnen bei der Arbeit.
Wagner schätzte Carl Maria von Weber sehr, diese Szene ist eine unverhohlene Kopie der berühmten Vorlage der Spinnradszene aus dem Freischütz (Schelm, halt fest).
Summ und brumm
Sentas Ballade
Handlung: Dalands Tochter Senta ist in das Bild des Fliegenden Holländers vertieft, dessen Geschichte Maria ihr erzählt hatte. Senta erzählt den Spinnern von ihrer Rolle als Retterin.
Laut Wagner hat er diese Ballade zuerst geschrieben und sie wurde zum Dreh- und Angelpunkt der Musik und des Dramas der Komposition. In der Ballade erzählt Senta die Geschichte des Holländers und es tauchen die wichtigsten Leitmotive auf. In den ersten beiden Strophen hören wir die Geschichte des Holländers. Dieser Teil beginnt mit dem Motiv des Holländers des Orchesters, gefolgt von Sentas gesungenem Gespenstermotiv und endet mit dem Erlösungsmotiv. Danach stimmen die Mädchen bewegt in das Erlösungsmotiv ein und Senta beendet die Ballade ekstatisch mit dem Wunsch, den Holländer zu erlösen.
Hören Sie sich Sentas Ballade in zwei Interpretationen an:
Johohoe! Traft ihr das Schiff im Meere an (1) – Norman
Ein Leckerbissen ist Kirsten Flagstads Ballade aus den 30er Jahren. Flagstadt war eine der bedeutendsten Wagner-Sängerinnen, ihre Stimme hatte auch in dramatischen Passagen ein großes Volumen und Klangreichtum.
Johohohe (1) – Flagstadt
Erik erzählt Senta seinen Traum
Zusammenfassung: Sentas Verlobter Erik kommt in die Spinnerei und berichtet über die Ankunft von Daland. Die Mädchen rennen zum Strand. Erik hält Senta zurück, weil ihn Sentas Schwärmerei für den Holländer beunruhigt. Er versichert ihr seine Liebe und erzählt ihr von seinem Traum, in dem er sie mit einem Fremden auf das Meer hinaus fliehen sah. Gebannt hört Senta ihm zu und weint: “Ich muss ihn sehen! Mit ihm muss ich untergehen!”. Entsetzt stürmt Erik aus dem Zimmer.
Auf hohem Felsen lag ich – König
Senta trifft den Holländer
Handlung: Senta betrachtet gedankenverloren das Bild des Holländers, als ihr Vater zusammen mit dem Holländer eintritt. Nun stehen sich Senta und der Holländer gegenüber.
Bei dieser Szene handelt es sich nicht um ein Duett zweier Schauspieler, sondern um zwei Menschen, die von ihrem Schicksal getrieben werden. Was mit ihnen geschieht, ist vom Schicksal vorherbestimmt. Sei es der Fluch des Holländers oder Sentas Bestimmung als Retterin. Es ist ein zärtlicher Traum von zwei verwandten Seelen. Text und Musik beschreiben nicht ein Liebesduett, sondern ein unausgesprochenes Schicksal und eine Erlösung.
Hören Sie das ergreifende Duett “Wie aus längst vergangenen Zeiten” mit Birgit Nilsson und Hans Hotter. Hotter war der führende Niederländer der 1950er/60er Jahre, neben George London, und wurde vielleicht auch später nicht übertroffen (Fischer, Große Stimmen). Hotter (1909-2003) hatte nicht die Stimme des klassischen Heldenbaritons, sondern besaß eine belcantianisch-weiche Stimme.
Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten (1) – Nilsson/Hotter
Eine weitere Interpretation des Duetts “Wie aus der Ferne” wird von Kirsten Flagstad (sublim) und Herbert Janssen (selten hört man den Schmerz schöner) wunderschön gesungen. Leider rauscht und knistert die Aufnahme.
Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten (2) – Flagstad/Janssen
Handlung: Daland kommt zurück und will die Entscheidung von ihnen hören. Senta und der Holländer schwören, zu heiraten. Daland bittet sie, bei der Rückkehrfeier zu erscheinen.
Verzeiht! Mein Volk hält sich draußen nicht mehr – Morris / Voigt / Heppner
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER AKT III
Chor der Steuermänner
Handlung: Die Dorfbewohner feiern die Ankunft der Matrosen mit einem Fest auf Dalands Schiff. Sie rufen nach den Matrosen der Dutchman, aber es bleibt gespenstisch dunkel und still dort.
Mit einer Übergangsmusik und ohne Pause beginnt der dritte Akt mit dem Chor der Matrosen. Die Chorpartien des “Fliegenden Holländers” sind überwältigend in ihrer musikalischen Wirkung.
Steuermann lass die Wacht – Solti
Handlung: Die Matrosen von Dalands Schiff singen in ausgelassener Stimmung und verspotten die Matrosen der Dutchman. Plötzlich ertönt ein unheimliches Lied vom Schiff des Holländers und das Meer beginnt zu tosen.
Chor des Holländers – Solti
Handlung: Erik versucht erneut, Senta umzustimmen und erinnert sie an ihr Treuegelübde.
Hören Sie sich diese Kavatine, gesungen von Placido Domingo, an.
Willst Du jenes Tags – Domingo/Sinopoli
Das große Finale des Fliegenden Holländers
Handlung: Der Holländer will Senta verschonen, und ohne sie sticht er in See. Senta schwört ihm die Treue, klettert auf einen Felsen und stürzt sich ins Meer. In der Ferne erheben sich beide in verklärter Gestalt aus dem Meer; der Holländer hält Senta in seinen Armen.
Wagner hat für dieses Finale eine elektrisierende Musik komponiert. Sentas Entsagung folgt auf die dramatische Abschiedsszene des Holländers “Verloren, oh verloren, das Heil ist für immer verloren”, die dramatische Abschiedsszene des Holländers.
Verloren, ach verloren – König / Stewart / Löwlein
Aufnahmeempfehlung
DECCA, Leonie Rysanek, George London, Giorgio Tozzi und Karl Liebl unter der Leitung von Antal Dorati und dem Chor und Orchester des Royal Opera House Convent Garden
Peter Lutz, opera-inside, der Online-Opernführer zu DER FLIEGENDE HOLLÄNDER von Richard Wagner
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