Der online Opernführer zu DER FLIEGENDE HOLLÄNDER (Handlung)
Lernen Sie die Handlung der Oper DER FLIEGENDE HOLLÄNDER von RICHARD WAGNER kennen. In einem 4-Minuten Film erfahren Sie die wesentlichsten Handlungen. Angereichert mit Rollenbeschreibungen und informativen Grafiken.
ÜBERBLICK & SCHNELLZUGRIFF
Inhalt
♪ Handlung in 4 minutes – YouTube Video
♪ Link zum Opern-Portrait (mit interessanten Informationen, und Youtube Videos)
Libretto
♪ Akt I (Sandwike-Szene)
♪ Akt II (In Dalands Haus)
♪ Akt III (Erlösungs-Szene)
Die Handlung von DER FLIEGENDE HOLLÄNDER in 4 Minuten
Beziehungsdiagramm von DER FLIEGENDE HOLLÄNDER der Hauptrollen
Das Opern Portrait zum fliegenden Holländer
hier geht es zum Opern Portrait mit interessanten Fakten und grossartigen YouTube Videos
Die geschriebene Handlung von DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Die Personen
Senta, Tochter des Seefahrers Daland
Erik, Jäger und Verlobter Sentas
Daland, Schiffkapitän und Kaufmann / Vater der Senta
Holländer, Verfluchter und Kapitän des Holländers
Die Handlung
Daland muss mit seinem Schiff in einer schützenden Bucht namens Sandwike Zuflucht vor einem Sturm suchen. Im Nebel entdeckt er ein zweites Schiff, den fliegenden Holländer. Der Kapitän des Holländers ist verdammt auf ewig auf der See zu sein. Nur alle 7 Jahre darf er an Land gehen. Fände er dort eine Frau wären er und seine Mannschaft vom Fluch erlöst. Daland lädt den Käpitän auf sein Schiff ein. Dieser erfährt im Gespräch mit Daland von dessen Tochter Senta . Der Holländer zeigt Daland sein Gold und hält um dessen Tochter Senta’s Hand an. Daland ist geblendet ob des Reichtums und willigt ein.
Zu Hause in der Spinnerei ist Dalands Tochter versunken in das Gemälde des fliegenden Holländers. Mary hat ihr die Geschichte des Holländers erzählt. Senta singt die Ballade des Holländers und träumt von ihrer Rolle als Erlöserin. Gebannt hören die Spinnerinnen zu. Erik, Sentas Freund, vermeldet die Ankunft von Dalands Schiff. Erik möchte Senta heiraten und erzählt ihr seinen Traum, in dem er Senta zusammen mit dem Holländer sah. Für Senta ist das ein Zeichen, dass ihr Erlösertraum sich verwirklichen wird. Daland und der Holländer treten in Sentas Zimmer. Die beiden spüren, dass sie füreinander bestimmt sind. Die Hochzeit wird vereinbart.
Das Schiff des Holländers liegt vor Anker. Kein Licht und kein Ton dringt nach aussen. Die Matrosen Dalands provozieren die Matrosen des Holländers. Plötzlich ertönt ein unheimlicher Chor und das Meer beginnt zu Tosen. Beim Fest auf dem Schiff erinnert Erik Senta an ihr Treuegelöbnis, Senta weist ihn ab. Der Holländer hat das Gespräch mitgehört und erzählt den Fluch. Er will Senta verschonen und sticht mit seinem Schiff in die See. Senta gelobt ihm Treue, steigt auf einen Felsen und stürzt sich ins Meer. Das Schiff des Holländers verschwindet augenblicklich im Meer. Senta und der erlöste Holländer schweben gegen den Himmel.
Die 5 Höhepunkte aus DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Ouverture – Klemperer / Philharmonia
Mit Gewitter und Sturm – Wunderlich
Johohohe (Sentas Ballade) – Flagstadt
Steuermann lass die Wacht – Solti
Verloren, ach verloren – King/Stewart/Löwlein
Libretto
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER AKT I
(Steiles Felsenufer. Das Meer nimmt den grössten Teil der Bühne ein; weite Aussicht auf dasselbe. Die Felsen im Vordergrund bilden auf beiden Seiten Schluchten, aus denen die Echos antworten. – Finsteres Wetter; heftiger Sturm; zwischen den Felsen selbst verliert der Wind, den man in offener See die Wogen peitschen sieht, seine Macht, – nur von Zeit zu Zeit scheint das Heulen des Sturmes hereinzudringen. Das Schiff Dalands hat soeben dicht am Ufer Anker geworfen; die Mannschaft ist in geräuschvoller Arbeit beschäftigt, die Segel aufzustreichen, Taue auszuwerfen usw. – Daland ist ans Land gegangen; er ersteigt einen Felsen und sucht landeinwärts, die Gegend zu erkennen)
DIE MASTEROSEN
(während der Arbeit)
Hojohe! Hallojo!
Hojohe! Hallojo! Ho! He!
Ho! He! Ja! Ho! Hallojo!
Ho! Johe! Hallohe! Hallohe!
DALAND
(kommt vom Felsen herab)
Kein Zweifel! Sieben Meilen fort
trieb uns der Sturm vom sichren Port.
So nah’ dem Ziel nach langer Fahrt,
war mir der Streich noch aufgespart!
STEUERMANN
(vom Bord durch die hohlen
Hände rufend)
Ho! Kapitän!
DALAND
Am Bord bei euch, wie steht’s?
STEUERMANN
Gut, Kapitän! Wir haben sichren Grund!
DALAND
Sandwike ist’s! Genau kenn’ ich die Bucht.
Verwünscht! Schon sah am Ufer ich mein Haus,
Senta, mein Kind, glaub’ ich schon zu umarmen: –
da bläst es aus dem Teufelsloch heraus!
Wer baut auf Wind, baut auf Satans Erbarmen!
(an Bord gehend)
Was hilft’s? Geduld! Der Sturn lässt nach;
wenn er so tobte, währt’s nicht lang. –
(an Bord)
He, Bursche! Lange war’t ihr wach;
zur Ruhe denn! Mir ist nicht bang!
(Die Matrosen steigen in den Schiffsraum hinab)
Nun, Steuermann, die Wache nimmst du wohl für mich?
Gefahr ist nicht, doch gut ist’s, wenn du wachst.
STEUREMANN
Seid ausser Sorg’! Schlaft ruhig, Kapitän!
(Daland geht in die Kajüte. Der Steuermann allein auf dem Verdeck. Der Sturm hat sich etwas gelegt und wiederholt sich nur in abgesetzen Pausen; in hoher See türmen sich die Wellen. Der Steuermann macht noch einmal die Runde, dann setzt er sich am Ruder nieder. Er gähnt; dann rüttelt er sich auf, als ihm der Schlaf kommt)
STEUERMANN
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer,
mein Mädel, bin dir nah!
Über turmhohe Flut vom Süden her,
mein Mädel, ich bin da!
Mein Mädel, wenn nich Südwind wär’,
ich nimmer wohl käm’ zu dir:
Ach, lieber Südwind, blas noch mehr!
Mein Mädel verlangt nach mir!
Hohojo! Hallohoho!
Jollohohoho! Hohoje!
Hallohoho! ho ho ho ho ho ho!
(Eine grosse Woge schwillt an und rüttelt heftig das Schiff. Der Steuermann fährt auf; er sieht nach; er überzeugt sich, dass kein Schade geschehen, setzt sich wieder am Steuer nieder und singt, während ihn die Schläfrigkeit immer mehr übermannt. Er gähnt)
STEUERMANN
Von des Südens Gestad’, aus weitem Land –
ich hab an dich gedacht;
durch Gewitter und Meer vom Mohrenstrand
hab dir was mitgebracht.
Mein Mädel, preis den Südwind hoch,
ich bring dir ein gülden Band;
Ach, lieber Südwind, blase doch!
Mein Mädel hätt’ gern den Tand.
Hoho! Je! holla ho!
(Er kämpft mit der Müdigkeit und schläft endlich ein. Der Sturm beginnt von neuem heftig zu wüten; es wird finsterer. In der Ferne zeigt sich das Schiff des fliegenden Holländers mit blutroten Segeln und schwarzen Masten. Es naht sich schnell der Küste nach der dem Schiffe des Norwegers entgegengesetzten Seite. Mit einem furchtbaren Krach sinkt der Anker in den Grund. – Der Steuermann zuckt aus dem Schlafe auf; ohne seine Stellung zu verlassen, blickt er flüchtig nach dem Steuer und überzeugt, dass kein Schade geschehen, brummt den Anfang seines Liedes)
STEUERMANN
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär’.
(Er schläft von neuem ein. Stumm und ohne das geringste fernere Geräusch hisst die gespenstische Mannschaft des Holländers die Segel auf usw. Der Holländer geht an das Land; er trägt schwarze spanische Tracht)
ZWEITE SZENE
HOLLÄNDER
Die Frist ist um, und abermals verstrichen
sind sieben Jahr’: – voll Überdruss wirft mich
das Meer ans Land. Ha, Stolzer Ozean!
In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen!
Dein Trotz ist beugsam, doch ewig meine Qual.
Das Heil, das auf dem Land ich suche, nie
werd ich es finden! Euch, des Weltmeers Fluten,
bleib’ ich getreu, bis eure letzte Welle
sich bricht und euer letztes Nass versiegt!
– Wie oft in Meeres tiefsten Schund
stürzt’ ich voll Sehnsucht mich hinab,
doch ach! den Tod, ich fand ihn nicht!
Da, wo der Schiffe furchtbar Grab,
trieb mein Schiff ich zum Klippengrund;
doch ach! mein Grab, es schloss sich nicht.
Verhöhnend droht’ ich dem Piraten,
in wildem Kampfe hofft’ ich Tod.
Hier – rief ich – zeige deine Taten,
von Schätzen voll sind Schiff und Boot!
Doch ach! des Meer’s barbar’scher Sohn
schlägt bang das Kreuz und flïgt davon!
Nirgends ein Grab! Niemals der Tod!
Dies der Verdammis Schreckgebot.
(Er richtet seinen Blick gen Himmel)
Dich frage ich, gepreisner Engel Gottes,
der meines Heils Bedingung mir gewann;
war ich Unsel’ger Spielwerk deines Spottes,
als die Erlösung du mir zeigtest an? –
Vergebne Hoffnung! Furchtbar eitler Wahn!
Un ew’ge Treu auf Erden ist’s getan!
Nur eine Hoffnung soll mir bleiben,
nur eine unerschüttert stehn:
solang der Erde Keim’ auch treiben,
so muss sie doch zugrunde gehn!
Tag des Gerichtes! Jüngster Tag!
Wann brichst du an in meine Nacht?
Wann dröhnt er, der Vernichtungschlag,
mit dem die Welt zusammenkracht?
Wann alle Toten auferstehn,
dann werde ich in Nichts vergehn.
Ihr Welten, endet euren Lauf!
Ew’ge Vernichtung, nimm mich auf!
(Der Holländer lehnt sich mit verschränkten Armen, dumpf in sich gekehrt, an eine Felswand des Vordergrundes)
CHOR DER MANNSCHAFT DES HOLLÄNDERS
(im Schiffsraumunsichtbar)
Ew’ge Vernichtung, nimm uns auf!
DRITTE SZENE
(Daland kommt aus der Kajüte, er sieht sich nach dem Winde um und erblickt das fremde Schiff)
DALAND
(sich nach dem Steuermann umsehend)
He! Holla! Steuermann!
STEUERMANN
(sich schalftrunken halb aufrichtend)
‘s ist nichts! ‘s ist nichts!
“Ach, lieber Südwind, blas noch mehr,
mein Mädel…”
DALAND
(den Steuermann aufrüttelnd)
Du siehst nichts? – Gelt, du wachest brav, mein Bursch!
Dort liegt ein Schiff. – Wie lange schliefst du schon?
STEUERMANN
(rasch auffahrend)
Zum Teufel auch! Verzeiht mir, Kapitän!
(Er setzt hastig das Sprachrohr an
und ruft über Bord)
Wer da?
(Man hört Echo den Ruf wiederholen.
– Lange Pause)
Wer da?
(Lange Pause, abermaliges Echo)
DALAND
Es scheint, sie sind gerad
so faul als wir.
STEUERMANN
(wie vorher)
Gebt Anwort! Schiff und Flagge?
DALAND
(den Holländer am Lande erblickend)
Lass ab! Mich dünkt, ich seh’ den Kapitän!
(den Holländer anrufend)
He! Holla! Seemann! Nenne dich! Wes Landes?
(Langes Stillschweigen)
HOLLÄNDER
(ohne seine Stellung zu verlassen)
Weit komm ich her; – verwehrt bei Sturm und Wetter
ihr mir den Ankerplatz?
DALAND
Behüt es Gott!
Gastfreundschaft kennt der Seemann!
(an das Land gehend)
Wer bist du?
HOLLÄNDER
Holländer.
DALAND
Gott zum Gruss! So trieb auch doch
der Sturm an diesen nackten Felsenstrand?
Mi ging’s nicht besser: wenig Meilen nur
von hier ist meine Heimat; fast erreicht,
musst’ ich aufs neu mich von ihr wenden. Sag,
woher kommst du? Hast Schaden du genommen?
HOLLÄNDER
Mein Schiff ist fest, es leidet keinen Schaden.
Durch Sturm und bösen Wind verschlagen,
irr auf den Wassern ich umher, –
wie lange? weiss ich kaum zu sagen,
schon zähl ich nicht die Jahre mehr.
Unmöglich dünkt mich’s, dass ich nenne
die Länder alle, die ich fand:
das eine nur, nach dem ich brenne, –
ich find es nicht, mein Heimatland!
Vergönne mir auf kurze Frist dein Haus,
und deine Freundschaft soll dich nicht gereun:
mit Schätzen aller Gegenden und Zonen
ist reich mein Schiff beladen: willst du handeln,
so sollst du sicher deines Vorteils sein.
DALAND
Wie wunderbar! Soll deinem Wort ich glauben?
Ein Unstern, scheint’s, hat dich bis jetzt verfolgt. –
Um dir zu frommen, biet ich, was ich kann, –
doch darf ich fragen, was dein Schiff enthält?
HOLLÄNDER
(Gibt der Wache seines Schiffes ein
Zeichen, auf welches man von
demselben eine Kiste ans Land bringt)
Blick hin, und überzeuge dich vom Werte
des Preises, den ich für ein gastlich’ Dach
dir biete!
DALAND
(voll Erstaunen den Inhalt
der Kiste übersehend)
Wie? Ist’s möglich? Diese Schätze!
Wer ist so reich, den Preis dafür zu bieten?
HOLLÄNDER
Den Pries? Soeben hab ich ihn genannt;
dies für das Obdach einer einz’gen Nacht!
Doch, was du siehst, ist nur der kleinste Teil
von dem, was meines Schiffes Raum verschliesst.
Was frommt der Schatz? Ich habe weder Weib
noch Kind, und meine Heimat find ich nie!
All meinen Reichtum biet ich dir, wenn bei
den Deinen du mir neue Heimat gibst.
DALAND
Was muss ich hören!
HOLLÄNDER
Hast du eine Tochter?
DALAND
Fürwahr, ein treues Kind.
HOLLÄNDER
Sie sei mein Weib!
DALAND
(freudig betroffen)
Wie? Hör ich recht? Meine Tochter sein Weib?
Er selbst spricht aus den Gedanken!
Fast fürcht ich, wenn unentschlossen ich bleib,
er müsst’ im Vorsatze wanken.
Wüsst’ ich, ob ich wach’ oder träume?
Kann ein Eidam willkommener sein?
Ein Tor, wenn das Glück ich versäume!
Voll Entzücken schlage ich ein!
HOLLÄNDER
Ach, ohne Weib, ohne Kind bin ich,
nichts fesselt mich an die Erde;
rastlos verfolgte das Schicksal mich,
die Qual nur war mir Gefährte.
Nie werd ich die Heimat erreichen,
zu was frommt mir der Güter Gewinn?
Lässt du zu dem Bund dich erweichen,
o! so nimm meine Schätze dahin!
DALAND
Wohl, Fremding, hab ich eine schöne Tochter,
mit treuer Kindeslieb’ ergeben mir;
sie ist mein Stolz, das höchste meiner Güter,
mein Trost im Unglück, meine Freund’ im Glück.
HOLLÄNDER
Dem Vater stets bewahr’ sie ihre Liebe!
Ihm treu, wird sie auch treu dem Gatten sein.
DALAND
Du gibst Juwelen, unschätzbare Perlen,
das höchste Kleinod doch, ein treues Weib –
HOLLÄNDER
Du gibst es mir?
DALAND
Ich gebe dir mein Wort.
Mich rührt dein Los; freigebig, wie du bist,
zeigst Edelmut und hohen Sinn du mir:
den Eidam wünscht ich so, und wär dein Gut
auch nicht so reich, wählt’ ich doch keinen andren!
HOLLÄNDER
Hab Dank! Werd ich die Tochter heut noch sehn?
DALAND
Der nächste günst’ge Wind bringt uns nach Haus;
du sollst sie sehn, und wenn sie dir gefällt –
HOLLÄNDER
So ist sie mein…
(für sich)
Wird sie mein Engel sein? –
Wenn aus der Qualen Schreckgewalten
die Sehnsucht nach dem Heil mich treibt,
ist mir’s erlaubt, mich festzuhalten
an einer Hoffnung, die mir bleibt?
Darf ich in jenem Wahn noch schmachten,
dass sich ein Engel mir erweicht?
STEUERMANN
(an Bord)
Südwind! Südwind!
DIE MASTEROSEN
(die Mützen schwenkend)
Halloho!
STEUERMANN
Ach, lieber Südwind, blas noch mehr!
DIE MATROSEN
Hohohe! Halloho!
Hallo ho ho ho ho!
DALAND
Du siehst, das Glück ist günstig dir;
der Wind ist gut, die See in Ruh.
Sogleich die Anker lichten wir
und segeln schnell der Heimat zu.
HOLLÄNDER
Darf ich dich bitten, so segelst du voran:
der Wind ist frisch, doch meine Mannschaft müd;
ich gönn ihr kurze Ruh und folge dann.
DIE MATROSEN
(während sie die Segel aufziehen)
Ho! Ho! Hallohe!
Hallohe! Hallohohe!
STEUERMANN
Hallohe! Hallohe!
DALAND
Doch, unser Wind?
HOLLÄNDER
Er bläst noch lang aus Süd.
Mein Schiff ist schnell, es holt dich sicher ein.
DALAND
Du glaubst? Wohlan, es möge denn so sein!
Leb wohl, mögst heute du mein Kind noch sehn!
HOLLÄNDER
Gewiss!
DALAND
(an Bord seines Schiffes gehend)
Heil! Wie die Segel schon sich bläh’n!
Hallo! Hallo!
(Er gibt ein Signal auf der Schiffspfeife)
Frisch, Jungen, greifet an!
(Das Schiff wird losgemacht)
DIE MATROSEN
(im Absegeln, jubelnd)
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer, –
mein Mädel, bin dir nah! Hurrah!
Über turmhohe Flut vom Süden her, –
mein Mädel, ich bin da! Hurrah!
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär,
ich nimmer wohl käm zu dir;
Ach, lieber Südwind, blas noch mehr!
Mein Mädel verlangt nach mir.
(im Absegeln, jubelnd)
Hohoho! Johoho!
Hohohohoho!
(Der Holländer besteigt sein Schiff)
(Der Vorhang fällt)
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER AKT II
DIE MÄDCHEN
Summ und brumm, du gutes Rädchen,
munter, munter, dreh dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ und brumm!
Mein Schatz ist auf dem Meere draus,
er denkt nach Haus
ans fromme Kind;
mein gutes Rädchen, braus und saus!
Ach, gäbst du Wind,
er käm geschwind.
Spinnt! Spinnt!
Fleissig, Mädchen!
Brumm! Summ!
Gutes Rädchen!
Tralaralalalala!
MARY
Ei, fleissig, fleissig, wie sie spinnen!
Will jede sich den Schatz gewinnen.
DIE MÄDCHEN
Frau Mary, still! Denn wohl ihr wisst,
das Lied noch nicht zu Ende ist!
MARY
So singt! Dem Rädchen lässt’s nicht Ruh. –
(zu Senta)
Du aber, Senta, schweigst dazu?
DIE MÄDCHEN
Summ und brumm, du gutes Rädchen,
munter, munter dreh dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ und brumm!
Mein Schatz da draussen auf dem Meer,
im Süden er
viel Gold gewinnt;
ach, gutes Rädchen, saus noch mehr! –
Er gibt’s dem Kind,
wenn’s fleissig spinnt!
Spinnt! Spinnt!
Fleissig, Mädchen!
Brumm! Summ!
Gutes Rädchen!
Tralaralalalala!
MARY
(zu Senta)
Du böses Kind! Wenn du nicht spinnst,
vom Schatz du kein Geschenk gewinnst.
DIE MÄDCHEN
Sie hat’s nicht not, dass sie sich eilt;
ihr Schatz nicht auf dem Meere weilt:
bringt er nicht Gold, bringt er doch Wild,
man weiss ja, was ein Jäger gilt!
(Sie lachen.Senta, ohne ihre Stellung zu verlassen, singt leise einen Vers aus der folgenden Ballade vor sich hin)
MARY
Da seht ihr! Immer vor dem Bild! –
(zu Senta)
Willst du dein ganzes junges Leben
verträumen vor dem Konterfei?
SENTA
(ohne ihre Stellung zu verlassen)
Was hast du Kunde mir gegeben,
was mir erzählet, wer er sei…
(seufzend)
der arme Mann!
MARY
Gott sei mit dir!
DIE MÄDCHEN
Ei, ei! Ei, ei! Was hören wir!
Sie seufzet um den bleichen Mann!
MARY
Den Kopf verliert sie noch darum!
DIE MÄDCHEN
Da sieht man, was ein Bild doch kann!
MARY
Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm!
Komm! Senta! Wend dich doch herum!
DIE MÄDCHEN
Sie hört euch nicht! Sie ist verliebt!
Ei, ei! Wenn’s nur nicht Händel gibt!
Denn Erik hat gar heisses Blut,
dass er nur keinen Schaden tut!
Sagt nichts! Er schiesst sonst wutentbrannt
den Nebenbuhler von der Wand!
(Sie lachen)
SENTA
(heftig auffahrend)
O schweigt mit eurem tollen Lachen!
Wollt ihr mich ernstlich böse machen?
DIE MÄDCHEN
(fallen ein, indem sie in komischem
Eifer die Spinnräder heftig und mit
grossem Geräusch drehen, gleichsam
um Senta nicht Zeit zum Schmälen zu lassen)
Summ und brumm, Du gutes Rädchen,
munter, munter dreh dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen!
Gutes Rädchen, summ und brumm!
SENTA
(ärgerlich unterbrechend)
O, macht dem dummen Lied ein Ende!
Es brummt und summt nur vor dem Ohr.
Wollt ihr, dass ich mich zu euch wende,
so sucht was besseres hervor!
DIE MÄDCHEN
Gut! Singe du!
SENTA
Hört, was ich rate; –
Frau Mary singt uns die Ballade.
MARY
Bewahre Gott! das fehlte mir!
Den fliegenden Holläender lasst in Ruh!
SENTA
Wie oft doch hört’ ich sie von dir!
MARY
Bewahre Gott, das fehlte mir!
SENTA
Ich sing sie selbst! Hört, Mädchen, zu!
Lasst mich’s euch recht zum Herzen führen:
des Ärmsten Los – es muss euch rühren!
DIE MÄDCHEN
Uns ist es recht!
SENTA
Merkt auf die Wort’!
DIE MÄDCHEN
Dem Spinnrad Ruh!
MARY
(ärgerlich)
Ich spinne fort!
(Die Mädchen rücken, nachdem sie ihre Spinnräder beiseite gesetzt haben, die Sitze dem Grossvaterstuhle näher und gruppieren sich um Senta. Mary bleibt am Kamin sitzen und spinnt fort)
SENTA
(im Grossvaterstuhl)
(BALLADE)
I.
Johohoe! Johohohoe!
Hohohoe! Johoe!
Traft ihr das Schiff im Meere an,
blutrot die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
des Schiffes Herr, wacht ohne Rast.
Hui! Wie saust der Wind! Johohe!
Hui! Wie pleift’s im Tau! Johohe!
Hui! Wie ein Pfeil fliegt er hin,
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!
Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,
fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! –
Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, dass bald
ein Weib Treue ihm halt’!
(Gegen Ende des Verses hehrt Senta sich gegen
das Bild. Die Mädchen hören teilnahmvoll zu;
Mary hat aufgehört zu spinnen)
II.
Bei bösem Wind und Sturmeswut
umsegeln wollt’ er einst ein Kap;
er flucht’ und schwur mit tollem Mut:
“in Ewigkeit lass’ ich nicht ab!” –
Hui! Und Satan hört’s! Johohe!
Hui! Nahm ihm beim Wort! Johohe!
Hui! Und verdammt zieht er nun
durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh! –
Doch, dass der arme Mann noch Erlösung fände auf Erden,
zeigt’ Gottes Engel an, wie sein Heil ihm einst könnte werden:
Ach, könntest du, bleicher Seemann, es finden!
Betet zum Himmel, dass bald
ein Weib Treue ihm halt’!
DIE MÄDCHEN
(gerührt und ergriffen)
Ach! könntest du, bleicher Seemann, es finden!
Betet zum Himmel!
SENTA
(fährt mit immer zunehmender
Aufregung fort)
III.
Vor Anker alle sieben Jahr,
ein Weib zu frein, geht er ans Land; –
er freite alle sieben Jahr,
noch nie ein treues Weib er fand.
Hui! “Die Segel auf!” Johohe!
Hui! “Den Anker los!” Johohe!
Hui! “Falsche Lieb’, falsche Treu’!
Auf, in See, ohne Rast, ohne Ruh!”
(Senta, zu heftig angegriffen, sinkt in den Stuhl zurück)
DIE MÄDCHEN
(singen nach einer Pause tief
ergriffen leise weiter)
Ach! wo weilt sie, die dir Gottes Engel einst könnte zeigen?
Wo triffst du sie, die bis in den Tod dein bleibe treueigen?
SENTA
(von plötzlicher Begeisterung
hingerissen, springt vom Stuhle auf)
Ich sei’s, die dich durch ihre Treu’ erlöse!
Mög’ Gottes Engel mich dir zeigen!
Durch mich sollst du das Heil erreichen!
MARY UND DIE MÄDCHEN
(erschreckt aufspringend)
Hilf, Himmel! Senta! Senta!
ERIK
(ist zur Türe hereingetreten
und hat Sentas Ausruf vernommen)
Senta! Willst du mich verderben?
DIE MÄDCHEN
Helft, Erik, uns! Sie ist von Sinnen!
MARY
Ich fühl in mir das Blut gerinnen!
Abscheulich Bild, du sollst hinaus!
Kommt nur der Vater erst nach Haus!
ERIK
(düster)
Der Vater kommt.
SENTA
(die in ihrer letzten Stellung verblieben
und von allem nichts vernommen hatte,
wie erwachend und freudig auffahrend)
Der Vater kommt?
ERIK
Vom Felsen seh sein Schiff ich nahn.
DIE MÄDCHEN
(voll Freude)
Sie sind daheim! Sie sind daheim!
MARY
(in grosser Geschäftigkeit)
Nun seht, zu was eu’r Treiben frommt!
Im Hause ist noch nichts getan!
DIE MÄDCHEN
Sie sind daheim! Auf, eilt hinaus!
MARY
(die Mädchen zurückhaltend)
Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus!
Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen.
In Küch’ und Keller Säumet nicht!
DIE MÄDCHEN
Ach! Wie viel hab ich ihn zu fragen!
Ich halte mich vor Neugier nicht!
MARY
Lasst euch nur von der Neugier plagen!
Vor allem geht an eure Pflicht!
DIE MÄDCHEN
Schon gut! Sobald nur aufgetragen,
hält hier uns länger keine Pflicht.
(Mary hat die Mädchen hinausgetrieben und ist ihnen gefolgt)
ZWEITE SZENE
(Senta will ebenfalls fort; Erik hält sie zurück)
ERIK
Bleib, Senta! Bleib nur einen Augenblick!
Aus meinen Qualen reisse mich! Doch willst du,
ach! so verdirb mich ganz!
SENTA
(zögernd)
Was ist…? Was soll?
ERIK
O Senta, sprich, was aus mir werden soll?
Dein Vater kommt: eh’ wieder er verreist,
wird er vollbringen, was schon oft er wollte…
SENTA
Und was meinst du?
ERIK
(mit Entschluss und Verzweiflung)
Dir einen Gatten geben!
Mein Herz, voll Treue bis zum Sterben,
mein dürftig Gut, mein Jägerglück; –
darf so um deine Hand ich werben?
Stösst mich dein Vater nicht zurück? –
Wenn dann mein Herz im Jammer bricht,
sag, Senta, wer dann für mich spricht?
SENTA
Ach, schweige, Erik, jetzt! Lass mich hinaus,
den Vater zu begrüssen!
Wenn nicht, wie sonst, an Bord die Tochter kommt,
wird er nicht zürnen müssen?
ERIK
Du willst mich fliehn?
SENTA
Ich muss zum Bord.
ERIK
Du weichst mir aus!
SENTA
Ach, lass mich fort!
ERIK
Fliehst du zurück vor dieser Wunde,
die du mir schlugst, dem Liebeswahn?
O, höre mich zu dieser Stunde!
Hör’ meine letzte Frage an:
Wenn dieses Herz im Jammer bricht,
wird’s Senta sein, die für mich spricht?
SENTA
Wie? Zweifelst du an meinem Herzen?
Du zweifelst, ob ich gut dir bin?
O sag, was weckt dir solche Schmerzen?
Was trübt mit Argwohn deinen Sinn?
ERIK
Dein Vater, ach! nach Schätzen geizt er nur!
Und Senta, du – wie dürft ich auf dich zählen?
Erfülltest du nur eine meiner Bitten?
Kränkst du mein Herz nicht jeden Tag?
SENTA
Dein Herz?
ERIK
Was soll ich denken! – Jenes Bild…
SENTA
Das Bild?
ERIK
Lasst du von deiner Schwärmerei wohl ab?
SENTA
Kann meinem Blick Teilnahme ich verwehren?
ERIK
Und die Ballade, – heut noch sangst du sie!
SENTA
Ich bin ein Kind und weiss nicht, was ich singe!
O sag, wie? Fürchtest du ein Lied, ein Bild?
ERIK
Du bist so bleich, sag’, sollte ich’s nicht fürchten?
SENTA
Soll mich des Ärmsten Schreckenslos nicht rühren?
ERIK
Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?
SENTA
O, prahle nicht! Was kann dein Leiden sein?
Kennst jenes Unglücksel’gen Schicksal du?
(Sie führt Erik dicht vor das Bild
und deutet darauf)
Fühlst du den Schmerz, den tiefen Gram,
mit dem herab auf mich er sieht?
Ach, was die Ruhe für ewig ihm nahm,
wie schneidend Weh durchs Herz mir zieht!
ERIK
Weh mir! Es mahnt mich mein unsel’ger Traum!
Gott schütze dich! Satan hat dich umgarnt!
SENTA
Was erschreckt dich so?
ERIK
Senta, lass dir vertraun!
Ein Traum ist’s! Hör ihn zur Warnung an!
(Senta setzt sich erschöpft in den Lehnstuhl nieder; bei dem Beginn von Eriks Erzählung versinkt sie wie in magnetischen Schlaf, so dass es scheint, als träume sie den von ihm erzählten Traum ebenfalls. Erik steht an den Stuhl gelehnt zur Seite)
ERIK
(mit gedämpfter Stimme)
Auf hohem Felsen lag ich träumend,
sah unter mir des Meeres Flut;
die Brandung hört’ich, wie sich schäumend
am Ufer brach der Wogen Wut!
Ein fremdes Schiff am nahen Strande
erblickt ich, seltsam, wunderbar;
zwei Männer nahten sich dem Lande,
der ein’, ich sah’s, dein Vater war.
SENTA
(mit geschlossenen Augen)
Der andre?
ERIK
Wohl erkannt ich ihn;
mit schwarzen Wams, bleicher Mien’…
SENTA
(wie zuvor)
Der düstre Blick…
ERIK
(auf das Bild deutend)
der Seemann, er.
SENTA
Und ich?
ERIK
Du kamst vom Hause her,
du flogst, den Vater zu begrüssen; –
doch kaum noch sah ich an dich langen,
du stürztest zu des Fremden Füssen;
ich sah dich seine Knie umfangen…
SENTA
(mit steigender Spannung)
Er hub mich auf…
ERIK
An seine Brust;
voll Inbrunst hingst du dich an ihn, –
du küsstest ihn mit heisser Lust…
SENTA
Und dann?
ERIK
(Senta mit unheimlicher
Verwunderung anblickend)
Sah ich aufs Meer euch fliehn.
SENTA
(schnell erwachend,
in höchster Begeisterung)
Er sucht mich auf! Ich muss ihn sehn!
ERIK
Entsetzlich! Mir wird es klar!
SENTA
Mit ihm muss ich zugrunde gehn!
ERIK
Sie ist dahin! mein Traum sprach wahr!
(Erik stürzt voll Verzweiflung und Entsetzen ab. Senta, nach dem Ausbruch ihrer Begeisterung in stummes Sinnen versunken, verbleibt in ihrer Stellung, den Blick auf das Bild geheftet)
SENTA
(leise, aber tief ergriffen)
Ach, möchtest du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, dass bald
ein Weib Treue ihm…
(Die Tü geht auf. Daland und der Holländer zeigen sich)
DRITTE SZENE
(Der Holländer ist sogleich eingetreten; Sentas Blick streift von dem Bilde auf ihn, – sie stösst einen gewaltigen Schrei der Überraschung aus und bleibt wie festgebannt stehen, ohne ihr Auge vom Holländer abzuwenden. Der Holländer schreitet, die Augen auf Senta geheftet, langsam in den Vordergrund)
(Daland ist unter der Tür stehengeblieben und scheint zu erwarten, dass ihm Senta entgegenkomme)
DALAND
(sich Senta allmählich nähernd)
Mein Kind, du siehst mich auf der Schwelle:
Wie? Kein Umarmen? Keinen Kuss?
Du bleibst gebannt an deiner Stelle:
Verdien ich, Senta, solchen Gruss?
SENTA
(als Daland bei ihr anlangt,
ergreift sie seine Hand)
Gott dir zum Gruss!
(ihn näher an sich ziehend)
Mein Vater, sprich!
Wer ist der Fremde?
DALAND
(lächelnd)
Drängst du mich?
Mögst du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heissen!
Seemann ist er, gleich mir, das Gastrecht spricht er an.
Lang ohne Heimat, stets auf fernen, weiten Reisen,
in fremden Landen er der Schätze viel gewann.
Aus seinem Vaterland verwiesen,
für einen Herd er reichlich lohnt.
Sprich, Senta, würd es dich verdriessen,
wenn dieser Fremde bei uns wohnt?
(Senta nickt beifällig mit dem Kopf)
DALAND
(wendet sich zum Holländer)
Sagt, hab ich sie zuviel gepreisen?
Ihr seht sie selbst, ist sie euch recht?
Soll ich von Lob noch überfliessen?
Gesteht, sie zieret ihr Geschlect?
(Der Holländer macht eine bejahende Bewegung)
DALAND
(wendet sich wieder zu Senta)
Mögst du, mein Kind, dem Manne freundlich dich erweisen;
von deinem Herzen auch spricht holde Gab er an;
reich ihm die Hand, denn Bräutigam sollst du ihn heissen!
Stimmst du der Vater bei, ist morgen er dein Mann.
(Senta macht eine zuckende, schmerzliche
Bewegung; ihre Haltung bleibt aber ruhig.
Daland zieht einen Schmuck hervor
und zeigt ihn Senta)
Sieh dieses Band, sieh diese Spangen!
Was er besitzt, macht dies gering.
Muss, teures Kind, dich’s nicht verlangen?
Dein ist es, wechselst du den Ring.
(Senta, ohne Daland zu beachten,
wendet ihren Blick nicht vom Holländer ab,
sowie auch dieser nur in Sentas Anblick
versunken ist. Daland wird es gewahr)
Doch keines spricht!… Sollt’ ich hier lästig sein?
So ist’s! Am besten lass’ ich sie allein.
(Er betrachtet den Holländer und Senta
aufmerksam und wendet sich dann zu Senta)
Mögst du den edlen Mann gewinnen!
Glaub mir, solch Glück wird nimmer neu!
(zum Holländer)
Bleibt hier allein! Ich geh von hinnen: –
Glaubt mir, wie schön, so ist sie treu!
(Daland entfernt sich langsam, indem er Senta un den Holländer in der neugierigen Erwartung, ob sie sich einander nähern werden, eine Zeitlang beobachtet; endlich geht er in verdriesslicher Verwunderung ab. Er blickt noch einmal ins Zimmer und schliesst dann die Tür. Der Holländer und Senta sind allein; sie bleiben bewegungslos, in ihren gegenseitigen Anblick versunken auf ihrer Stelle)
HOLLÄNDER
(tief ergriffen)
Wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten
spricht dieses Mädchens Bild zu mir:
wie ich’s geträumt seit bangen Ewigkeiten,
vor meinen Augen seh ich’s hier. –
Wohl hub auch ich voll Sehnsucht meine Blicke
aus tiefer Nacht empor zu einem Weib:
ein schlagend Herz liess, ach! mir Satans Tücke,
dass eingedenk ich meiner Qualen bleib.
Die düstre Glut, die hier ich fühle brennen,
sollt ich Unseliger sie Liebe nennen?
Ach nein! Die Sehnsucht ist es nach dem Heil: –
würd es durch solchen Engel mir zuteil!
SENTA
Versank ich jetzt in wunderbares Träumen?
Was ich erblicke, ist’s ein Wahn?
Weilt’ ich bisher in trügerischen Räumen?
Brach des Erwachens Tag heut an?
Er steht vor mir, mit leidenvollen Zügen,
es spricht sein unerhörter Gram zu mir:
kann tiefen Mitleids Stimme mich belügen?
Wie ich ihn oft gesehn, so steht er hier.
Die Schmerzen, die in meinem Busen brennen,
ach, dies Verlangen, wie soll ich es nennen?
Wonach mit Sehnsucht es dich treibt, das Heil,
würd es, du Ärmster, dir durch mich zuteil!
HOLLÄNDER
(schreitet, sich Senta etwas näernd,
einige Schritte nach der Mitte)
Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?
Was er versprach, wie, dürft es gelten?
Du könntest dich für ewig mir ergeben,
und deine Hand dem Fremdling reichtest du?
Soll finden ich, nach qualenvollen Leben
in deiner Treu’ die langersehnte Ruh?
SENTA
Wer du auch seist, und welches das Verderben,
dem grausam dich dein Schicksal konnte weihn,
was auch das Los, das ich mir sollt’ erwerben,
gehorsam stests werd ich dem Vater sein!
HOLLÄNDER
(gerührt)
So unbedingt, wie? könnte dich durchdringen
für meine Leiden tiefstes Mitgefühl?
SENTA
(für sich)
O, welche Leiden? Könnt ich Trost dir bringen!
HOLLÄNDER
(der Sentas Ausruf vernommen)
Welch holder Klang im nächtigen Gewühl!
(hingerissen)
Du bist ein Engel, eines Engels Liebe
Verworfne selbst zu trösten weiss!
Ach, wenn Erlösung mir zu hoffen bliebe,
(niederkniend)
Allewiger, durch diese sei’s!
SENTA
Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,
Allewiger, durch mich nur sei’s!
HOLLÄNDER
(erhebt sich heftig)
Ach, könntest das Geschick du ahnen,
dem dann mit mir du angehörst,
dich würd es an das Opfer mahnen,
das du mir bringst, wenn Treu’ du schwörst:
Es flöhe schaudernd deine Jugend
dem Lose, dem du sie willst weihn,
nennst du des Weibes schönste Tugend,
nennst ew’ge Treue du nicht dein!
SENTA
Wohl kenn ich Weibes heil’ge Pflichten;
sei drum gestrost, unsel’ger Mann!
Lass über die das Schicksal richten,
die seinem Spruche trotzen kann!
In meines Herzens höchster Reine
kenn ich der Treue Hochgebot.
Wem ich sie weih, schenk ich die eine;
die Treue bis zum Tod.
HOLLÄNDER
(mit Erhebung)
Ein heil’ger Balsam meinen Wunden
dem Schwur, dem hohen Wort entfliesst.
Hört es: mein Heil hab ich gefunden,
ihr Mächte, die ihr zurück mich stiesst!
Du, Stern des Unheils, sollst erblassen!
Licht meiner Hoffnung, leuchte neu!
Ihr Engel, die mich einst verlassen,
stärkt jetzt dies Herz in seiner Treu!
SENTA
Von mächt’gem Zauber überwunden,
reisst mich’s zu seiner Rettung fort;
hier habe Heimat er gefunden,
hier ruh sein Schiff in sichrem Port!
Was ist’s, das mächtig in mir lebet?
Was schliesst berauscht mein Busen ein?
Allmächt’ger, was so hoch mich erhebet,
lass es die Kraft der Treue sein!
DALAND
(tritt wieder auf)
Verzeiht! Mein Volk hält draussen sich nicht mehr;
nach jeder Rückkunft, wisset, gibt’s ein Fest:
verschönern möcht ich’s, komme deshalb her, –
ob mit Verlobung sich’s vereinen lässt?
(zum Holländer)
Ich denk, ihr habt nach Herzenswunsch gefreit? –
(zu Senta)
Senta, mein Kind sag, bist auch du bereit?
SENTA
(mit feierlicher Entschlossenheit)
Hier meine Hand! Und ohne Reu’
bis in den Tod gelob ich Treu’!
HOLLÄNDER
Sie reicht die Hand! Gesprochen sei
Hohn, Hölle, dir! Hohn, Hölle, dir durch ihre Treu’!
DALAND
Euch soll dies Bündnis nicht gereun!
Zum Fest! Heut soll sich alles freun!
(Der Vorhang fällt)
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER AKT III
DRITTER AUFZUG
ERSTE SZENE
(Seebucht mit felsigem Gestade; das Haus Dalands zur Seite im Vordergrunde. Den Hintergrund nehmen, ziemlich nahe beieinander liegend, die beiden Schiffe, das des Norwegers und das des Holländers ein. Helle Nacht: das norwegische Schiff ist erleuchtet; die Matrosen desselben sind auf dem Verdeck. Jubel und Freude. Die Haltung des holländischen Schiffes bietet einen unhbeimlichen Kontrast: eine unnatürliche Finsternis ist über dasselbe ausgebreitet; es herrscht Totenstille auf ihm)
CHOR DER NORWEGISCHEN MATROSEN
(auf ihrem Schiffe)
Steuermann! Lass die Wacht!
Steuermann! Her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Hisst die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!
Fürchten weder Wind noch bösen Strand,
wollen heute mal recht lustig sein!
Jeder hat sein Mädel auf dem Land,
herrlichen Tabak und guten Branntwein.
Hussassahe!
Klipp’ und Sturm’ drauss –
Jollohohe!
lachen wir aus!
Hussassahe!
Segel ein! Anker fest!
Klipp’ und Sturm lachen wir aus!
Steuermann, lass die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Steuermann, her! Trink mit uns!
Ho! He! Je! Ha!
Klipp’ und Sturm, he!
sind vorbei, he!
Hussahe! Hallohe!
Hussahe! Steuermann, He!
Her! Komm und trink mit uns!
(Sie tanzen auf dem Verdeck, indem sie den
Niederschlag jedes Taktes mit starkem
Aufstampfen der Füsse begleiten)
DIE MÄDCHEN
(kommen aus dem Hause: sie tragen
Körbe mit Speisen und Getränken)
Mein! Seht doch an! Sie tanzen gar!
Der Mädchen bedarf’s da nicht, fürwahr!
(Sie gehen auf das holländische Schiff zu)
CHOR DER MATROSEN
He! Mädel! Halt! Wo geht ihr hin?
DIE MÄDCHEN
Steht euch nach frischem Wein der Sinn?
Eu’r Nachbar dort soll auch was haben!
Ist Trank und Speis’ für euch allein?
STEUERMANN
Fürwahr! Tragt’s hin den armen Knaben!
Vor Durst sie scheinen matt zu sein!
DIE MATROSEN
Man hört sie nicht!
STEUERMANN
Ei, seht doch nur!
Kein Licht,… von der Mannschaft keine Spur!
DIE MÄDCHEN
(im Begriff, an Bord des Holländers zu gehen)
He! Seeleut’! He! Wollt Fackeln ihr?
Wo seid ihr doch? Man sieht nicht hier!
DIE MATROSEN
(lachend)
Hahaha! Weckt sie nicht auf! Sie schlafen noch.
DIE MÄDCHEN
(dicht am Ufer in das holländische
Schiff hineinrufend)
He! Seeleut’! He! Antwortet doch!
(Grosse Stille)
DIE MATROSEN
(spöttisch, mit affektierter Traurigkeit)
Haha! Wahrhaftig, sie sind tot;
sie haben Speis’ und Trank nicht not!
DIE MÄDCHEN
(in das holländische Schiff hineinrufend)
Ei, Seeleute, liegt ihr so faul schon im Nest?
Ist heute für euch denn nicht auch ein Fest?
DIE MATROSEN
(wie vorher)
Sie liegen fest auf ihrem Platz,
wie Drachen hüten sie den Schatz!
DIE MÄDCHEN
He! Seeleute, wollt ihr nicht frischen Wein?
Ihr müsset wahrlich doch durstig auch sein!
DIE MATROSEN
Sie trinken nicht, sie singen nicht!
In ihrem Schiffe brennt kein Licht.
MÄDCHEN
Sagt, habt ihr denn nicht auch ein Schätzen am Land?
Wollt ihr nicht mit tanzen auf freundlichen Strand?
DIE MATROSEN
Sie sind schon alt und bleich statt rot,
und ihre Liebsten, die sind tot!
DIE MÄDCHEN
(immer stärker und ängstlicher rufend)
He! Seeleut’! Seeleut’! Wacht doch auf!
Wir bringen euch Speis’ und Trank zuhauf!
DIE MATROSEN
(den Ruf der Mädchen verstärkend)
He! Seeleut’! Seeleut’! Wacht doch auf!
(Langes Stillschweigen)
DIE MÄDCHEN
(betroffen und furchtsam)
Wahrhaftig, ja! Sie scheinen tot!
Sie haben Speis’ und Trank nicht not.
DIE MATROSEN
(mit steigender Ausgelassenheit)
Vom fliegenden Holländer wisst ihr ja: –
Sein Schiff, wie es liebt, wie es lebt, seht ihr da!
DIE MÄDCHEN
(wie zuvor)
So weckt die Mannschaft ja nicht auf!
Gespenster sind’s, wir schwören drauf!
DIE MATROSEN
Wieviel hundert Jahre schon sied ihr zur See?
Euch tut ja der Sturm und die Klippe nicht weh!
DIE MÄDCHEN
Sie trinken nicht, sie singen nicht,
in ihrem Schiffe brennt kein Licht.
DIE MATROSEN
Habt ihr keine Brief’, keine Aufträg’ für’s Land?
Unsern Urgrossvätern wir bringen’s zur Hand!
DIE MÄDCHEN
Sie sind schon alt und bleich statt rot,
und ihre Liebsten, ach! sind tot!
DIE MATROSEN
(lärmend)
Hei, Seeleute, spannt eure Segel doch auf,
und zeigt uns des fliegenden Holländers Lauf!
DIE MÄDCHEN
(entfernen sich furchtsam aus der
Nähe des holländischen Schiffes)
Sie hören nicht! Uns graust es hier!
Sie wollen nichts, – was rufen wir?
DIE MATROSEN
Ihr Mädel, lasst die Toten ruhn!
Lasst’s uns Lebend’gen gütlich tun!
DIE MÄDCHEN
(den Matrosen ihre Körbe
über Bord reichend)
So nehmt! Der Nachbar hat’s verschmäht!
STEUERMANN
Wie? Kommt ihr denn nicht selbst an Bord?
DIE MATROSEN
Wie? Kommt ihr denn nicht selbst an Bord?
DIE MÄDCHEN
Ei, jetzt noch nicht! Es ist ja nicht spät!
Wir kommen bald, jetzt trinkt nur fort!
Und wenn ihr wollt, so tanzt dazu,
nor gönnt dem müden Nachbar Ruh!
(Sie gehen ab)
DIE MATROSEN
(öffnen und leeren die Körbe)
Jucche! Da gibt’s die Fülle!
Lieb Nachbar, habe Dank!
STEUERMANN
Zum Rand sein Glas ein jeder fülle!
Lieb Nachbar liefert uns den Trank.
DIE MATROSEN
Hallohohoho! Hallohohoho!
Lieb’ Nachbarn, habt ihr Stimm und Sprach,
so wachet auf und macht’s uns nach!
(Von hier an beginnt es sich auf dem holländischen Schiffe zu regen)
DIE MATROSEN
(lachend)
Wachet auf! Wachet auf!
Auf! macht’s uns nach!
(Sie trinken aus und stampfen
die becker heftig auf)
Hussa!
Steuermann! Lass die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho, he, je, ha!
Hisst die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!
Wachten manche Nacht bei Sturm und Graus,
tranken oft des Meers gesalznes Nass;
heute wachen wir bei Saus und Schmaus,
besseres Getränk gibt Mädel uns vom Fass.
Hussassahe! Klipp’ und Sturm drauss –
Jollolohe! lachen wir aus!
Hussassahe! Segel ein! Anker fest!
Klipp’ und Sturm lachen wir aus!
Steuermann, lass die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho, he, je, ha!
Steuermann, her! Trink mit uns!
Klipp’ und Sturm, ha!
sind vorbei! He!
Hussahe! Hallohe!
Hussahe! Steuermann! He!
Ho! He! Je! Ha!
Her, komm und trink mit uns!
(Das Meer, welches sonst überall ruhig bleibt, hat sich im Umkreise des holländischen Schiffes zu heben begonnen; eine dünkelbläuliche Flamme lodert in diesem als Wachtfeuer auf; hettiger Sturmwind pfeift durch die Tauen; die Mannschaft, von der man zuvor nichts sah, hat sich beim Leuchten der Flamme belebt)
DIE MANNSCHAFT DES HOLLÄNDERS
Johohoe! Johohohoe!
Hojohohoe! Hoe! Hoe! Hoe!
Huissa!
Nach dem Land treibt der Sturm, –
Huissa!
Segel ein! Anker los!
Huissa!
In die Bucht laufet ein!
Schwarzer Hauptmann, geh ans Land!
Sieben Jahre sind vorbei!
Frei’ um blonden Mädchens Hand!
Blondes Mädchen, sie ihm treu!
Lustig heut, hui!
Bräutigam! Hui!
Sturmwind heult Brautmusik, Ozean tanzt dazu! –
Hui! Horch, er pfeift!
Kapitän! Bist wieder da?
Hui! Segel auf!
Deine Braut – sag, wo sie blieb?
Hui! Auf, in See! –
Kapitän! Kapitän! hast kein Glück in der Lieb’!
Hahaha!
Sause, Sturmwind, heule zu!
Unsern Sgeln lässt du Ruh!
Satan hat sie uns gefeit, –
reissen nicht in Ewigkeit, –
hohoe! Hoe! Nicht in Ewigkeit!
(Während des Gesanges der Holländer wird ihr Schiff von den Wogen auf und abgetragen; furchtbarer Sturmwind heult und pfeift durch die nackten Taue. Die Luft und das Meer bleiben übrigens, ausser in der nächsten Umgebung des holländischen Schiffes, ruhig wie zuvor)
DIE NORVEGISCHEN MATROSEN
(welche erst mit Verwunderung,
dann mit Entsetzen zugehört
und zugesehen haben)
Welcher Sang! Ist es Spuk? Wie mich’s graust!
Stimmet an – unser Lied! Singet laut!
Steuermann, lass die Wacht! usw.
DIE MANNSCHAFT DES HOLLÄNDERS
Huissa!
Johohoe! Johohoe!
Sause, Sturmwind, heule zu! usw.
(Die Norwegischen Matrosen, durch den Sturm und das Toben des immer wilder gewordenen Spukes zum Schweigen gebracht, verlassen, von Grausen übermannt, ihr Verdeck, indem sie das Zeichen des Kreuzes schlagen. Die Mannschaft des Hohngelächter auf: ha ha ha ha ha ha! – sogleich herrscht auf ihrem Schiffe die frühere Totenstille, dichte Finsternis ist wieder über dasselbe ausgebreitet; Luft und Meer sind ruhig wie zuvor)
ZWEITE SZENE
(Senta kommt bewegten Schrittes aus dem Hause; ihr folgt Erik in der höchsten Aufregung)
ERIK
Was musst’ ich hören! Gott, was musst’ ich sehen!
Ist’s Täuschung? Wahrheit? Ist es Tat?
SENTA
(sich mit peinlichem Gefühle abwendend)
O frage nicht! Antwort darf ich nicht geben.
ERIK
Gerechter Gott! Kein Zweifel, es ist wahr!
Welch unheilvolle Macht riss dich dahin?
Welche Gewalt verführte dich so schnell,
grausam zu brechen dieses treuste Herz!
Dein Vater – ha! den Bräut’gam bracht er mit;
wohl kenn ich ihn, mir ahnte, was geschieht!
Doch du… ist’s möglich! reichest deine Hand
dem Mann, der deine Schwelle kaum betrat.
SENTA
(in heftigem inneren Kampfe)
Nicht wieter! Schweig! Ich muss! ich muss!
ERIK
O des Gehorsams, blind wie deine Tat!
Den Wink des Vaters nanntest du willkommen,
mit einem Stoss vernichtest du mein Herz!
SENTA
(wie vorher)
Nicht mehr! nicht mehr! Ich darf dich nicht mehr seh’n,
nicht an dich denken: hohe Pflicht gebeut’s!
ERIK
Welch hohe Pflicht? Ist’s höhre nich, zu halten,
was du mir einst gelobtest, ewige Treue?
SENTA
(heftig erschrocken)
Wie? Ew’ge Treue hätt’ ich dir gelobt?
ERIK
(schmerzlich)
Senta, o Senta, leugnest du? –
Willst jenes Tags du nicht dich mehr entsinnen,
als du zu dir mich riefest in das Tal?
Als, dir des Hochlands Blume zu gewinnen,
mutvoll ich trug Beschwerden ohne Zahl?
Gedenkst du, wie auf steilem Felsenriffe
vom Ufer wir den Vater scheiden sahn?
Er zog dahin auf weissbeschwingtem Schiffe,
und meinem Schutz vertraute er dich an.
Als sich dein Arm um meinen Nacken schlang,
gestandest du mir Liebe nicht aufs neu?
Was bei der Hände Druck mich hehr durchdrang
sag, war’s nicht Versichrung deiner Treu’?
(Der Holländer hat den Auffritt belauscht; in furchtbarer Aufregung tritt er jetzt hervor)
HOLLÄNDER
Verloren! Ach! Verloren! Ewig verlornes Heil!
ERIK
(entsetzt zurücktretend)
Was seh ich! Gott!
HOLLÄNDER
Senta, leb wohl!
SENTA
(sich dem Holländer in den Weg werfend)
Halt ein! Unsel’ger!
ERIK
(zu Senta)
Was beginnst du?
HOLLÄNDER
In See! In See! In See für ew’ge Zeiten!
(zu Senta)
Um deine Treue ist’s getan,
um deine Treue – um mein Heil!
Leb wohl! Ich will dich nicht verderben!
ERIK
Entsetzlich! Dieser Blick…!
SENTA
(sich dem Holländer entgegenwerfend)
Halt’ ein!
Von dannen sollst du nimmer fliehn!
HOLLÄNDER
(gibt ein gellendes Zeichen auf seiner Pfeife
und ruft der Mannschaft des Schiffes zu)
Segel auf! Anker los!
Sagt Lebewohl auf Ewigkeit dem lande!
Fort auf das Meer triebt’s mich auf’s neue!
Ich zweifl an dir! Ich zweifl an Gott!
Dahin, dahin, ist alle Treue!
Was du gelobtest, war dir Spott!
SENTA
Ha, zweifelst du an meiner Treue?
Unsel’ger, was verblendet dich?
Halt ein! Das Bündnis nicht bereue!
Was ich gelobte, halte ich!
ERIK
Was hör ich! Gott, was muss ich sehen?
Muss ich dem Ohr, dem Auge traun?
Senta! Willst du zugrunde gehen?
Zu mir! Du bist in Satans Klau’n!
HOLLÄNDER
Erfahre das Geschick, vor dem ich dich bewahr’!
Verdammt bin ich zum grässlichsten der Lose;
zehnfacher Tod wär mir erwünschte Lust!
Vom Fluch ein Weib allein mich kann erlösen,
ein Weib, das Treu’ bis in den Tod mir hält. –
Wohl hast du Treue mir gelobt, – doch vor
dem Ewigen noch nicht; – dies rettet dich!
Denn wiss’, Unsel’ge, welches das Geschick,
das jene trifft, die mir die Treue brechen: –
Ew’ge Verdammnis ist ihr Los! –
Zahllose Opfer fielen diesem Spruch
durch mich: – Du aber sollst gerettet sein!
Leb wohl!
(zum Abgang gewandt)
Fahr him, mein Heil, in Ewigkeit!
ERIK
(in furchtbarer Angst nach dem Hause
und dem Schiffe zurufend)
Zu Hilfe! Rettet, rettet sie!
SENTA
(den Holländer aufhaltend)
Wohl kenn ich dich! Wohl kenn ich dein Geschick!
Ich kannte dich, als ich zuerst dich sah!
Das Ende deiner Qual ist da: – Ich bin’s,
durch deren Treu’ dein Heil du finden sollst!
ERIK
Helft ihr! Sie ist verloren!
(Auf Eriks Hilferuf sind Daland, Mary und die Mädchen aus dem Hause, die Matrosen von dem Schiffe herbeigeeilt)
MARY, DALAND, MÄDCHEN, MATROSEN
Was erblick ich!
HOLLÄNDER
(zu Senta)
Du kennst mich nicht, du ahnst nicht, wer ich bin!
(Er deutet auf sein Schiff, dessen rote
Segel aufgespannt sind und dessen
Mannschaft in gespenstischer Regsamkeit
die Abfahrt vorbereitet)
Befrag die Meere aller Zonen, befrag
den Seemann, der den Ozean durchstrich: –
er kennt dies Schiff, das Schrecken aller Frommen:
den fliegenden Holländer nennt man mich.
(Der Holländer gelangt mit Blitzesschnelle an Bord seines Schiffes, welches augenblicklich die Küste verlässt und in See geht. Senta will dem Holländer nacheilm, Daland, Erik und Mary halten sie zurück)
DIE MANNSCHAFT DES HOLLÄNDERS
(den Anker lichtend)
Johohoe! Johohohoe! Hojohohoe!
Hoe! Hoe! Hoe! Huissa!
MARY, DALAND, ERIK,
DIE MÄDCHEN, DIE MATROSEN
Senta! Senta! Was willst du tun?
SENTA
(hat sich mit wütender Gewalt
losgerissen und erreicht ein vorstehendes
Felsenriff; von da aus ruft sie mit
aller Kraft dem absegeinden Holländer nach)
Preis deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh ich, treu dir bis zum Tod!
(Sie stürzt sich in das Meer; sogleich versinkt das Schiff des Holländers mit aller Mannschaft. Das Meer schwillt hoch auf und sinkt dann in einem Wirbel wieder zurück. – Im Glührot der aufgehenden Sonne sieht man über den Trümmern des Schiffes die verklärten Gestalten Sentas un des Holländers, sich umschlungen haltend, dem Meere entsteigen und aufwärts schweben)
Reproduced with express permission from http://www.murashev.com/opera/
Peter Lutz, opera-inside, dem online Opernführer zu DER FLIEGENDE HOLLÄNDER, Die Handlung
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