Eine Zusammenstellung der schönsten traurigen Arien mit Erklärungen und tollen YouTube-Videos.
TOP 10 DER TRAURIGEN ARIEN
10
POVERO ERNESTO ... CERCHERO LONTANA TERRA
aus DON PASQUALE von Gaetano Donizetti
Handlung: Nachts im Haus von Don Pasquale. Ernesto sitzt auf gepackten Koffern und will nach Amerika auswander. Er fühlt sich von den Seinen verlassen und ist todunglücklich, weil die Heirat mit der geliebten Norina unmöglich geworden ist.
Donizetti präsentiert uns in dieser Arie etwas Ungewöhnliches. Ein tieftrauriges Trompetensolo führt uns in die Stimmung von Ernesto. Normalerweise verbindet der Hörer dieses Instrument nicht mit diesen Gefühlen. Donizetti hat wohl bewusst diesen Effekt provoziert, um die Vielschichtigkeit der Geschichte zu betonen, die mehr sein soll als eine bloße Verwechslungs-Komödie.
Florez präsentiert uns einen verletzlichen aber doch keinen sentimentalen Ernesto. Das Rezitativ des ersten Teils ist großartig interpretiert und lässt die Verzweiflung («Povero Ernesto») des Verlassenen und Betrogenen spüren und am Schluss der langen Arie zeigt er ein makelloses und müheloses hohes C.
9
O TOI QUI PROLONGEA MES JOURS
aus IPHIGÉNIE EN TAURIDE von Christoph Willibald Gluck
Handlung: Iphigénie ist verzweifelt. Nach ihren Eltern glaubt sie auch ihren Bruder tot. Noch immer schwebt der Fluch des Tantalus über der Familie. Sie will nicht mehr weiterleben und wendet sich an die Göttin Diana, sie solle sie mit ihrem Bruder Orest im Jenseits vereinen.
Iphigenies große da-capo Arie (A-B-A) im 1. Akt, mit der die Priesterin die Göttin Diana bittet, sie sterben zu lassen, ist von einer schlichten und edlen Einfachheit gezeichnet. Es ist eine «Aria di cantilena» in langsamem Tempo und mit langen Linien komponiert, die mit perfektem legato zu singen sind.
Nach dem überschäumenden «Pour mon âme» wechselt das Libretto geschickt in den absoluten Gegensatz. Donizetti war sich bewusst, dass eine gute Komödie menschliche Gefühle braucht. Diesen Moment bietet das tieftraurige «Il faut partir, einem weiteren Höhepunkt dieser Oper. Das im düsteren f-Moll getauchte Stück wird von einem melancholischen Solo des Englischhorns eingeführt und begleitet.Für die Uraufführung der Candide hatte das Casting Team große Mühe eine geeignete Sängerin zu finden, die die hohen Noten hinbekam. Barbara Cook war die erste Cunegonde. Bernstein wählte sie persönlich aus und coachte sie für diese schwierige Rolle. Cook verglich später das Singen dieses Stücks mit einem athletischen Großeffort.
8
MY WORLD IS DUST NOW ... IT MUST BE SO
aus CANDIDE von Leonard Bernstein
Handlung:Seine Familie verbietet Candide nicht standesgemäße Verbindung und jagt Candide fort. Er ist tieftraurig, dass er Cunegonde verlassen muss. Doch er will nach vorne schauen, lehrte Dr. Pangloss ihn nicht Optimismus? Er glaubt an das Schicksal, das ihm die beste aller möglichen Welten bereithält.
Candides Figur erinnert mit seiner ernsthaften Musik unmittelbar an Mozarts Tenorrollen wie den Don Ottavio oder den Belmonte. Wie im «Don Giovanni» und in der «Entführung aus dem Serail» handelt es sich um eine ernsthafte Rolle in einer tragischen Komödie, mit anderen Worten eine Figur der Opera seria, die unfreiwillig in eine Opera buffa gerät. Es ist Candides Tragik, dass seine Geliebte kein alter Ego wie Konstanze oder Donna Anna ist, sondern nur eine durchtriebene, luxussüchtige Cunegonde.
7
EINSAM IN TRÜBEN TAGEN
aus LOHENGRIN von Richard Wagner
Handlung: Elsas Bruder ist tod und sie wird verdächtigt dafür verantwortlich zu sein. Der König soll vor dem Gerichtsbaum über Elsa richten. Elsa wird die Möglichkeit gegeben sich vor Gericht zu verteidigen. Sie erscheint und macht einen abwesenden Eindruck, noch immer steht sie unter dem Schock des Todes ihres Bruders.
Nach einer kurzen Einleitung von Flöten und Streichern, beginnt Elsa ihren Traum mit reiner und leuchtender Stimme. Das langsame Tempo verstärkt das Gefühl der Einsamkeit. Der folgende Abschnitt beinhaltet ein großartiges Crescendo. Es beginnt mit «da drang aus meinem Stöhnen» und endet mit «in die Lüfte», wunderbar begleitet von schwirrenden Violinen. Elsa sinkt in den Schlaf und eine wunderschöne orchestrale Überleitung führt in das Grals Motiv. Ihre Vision beginnt…
Janowitz‘ Interpretation dieser Arie ist schlicht großartig. Wir hören in dieser Arie die Reinheit, Verletzlichkeit und Zuversicht der Elsa. Ihr Crescendo ist atemberaubend und der Schluss ist weltentrückt.
6
ACH ICH FÜHLS
aus DIE ZAUBERFLÖTE von Wolfgang Amadeus Mozart
Handlung: Tamino und Papageno werden zur nächsten Prüfung geführt. Die drei Knaben erscheinen und bringen den beiden ihre Instrumente. Erfreut spielt Tamino die Flöte und Pamina erscheint, angelockt vom Klang. Als sie Tamino anspricht, schweigt dieser und Pamina glaubt seine Liebe verloren zu haben. Sie weiß nicht, das Taminos Schweigen Teil der Prüfung ist.
Diese Arie ist in einem tieftraurigen g-Moll geschrieben, mit einer Melodie, die lange Linien im piano hat. Die Phrasen sollten schön gestaltet werden, und jeder Vokal muss ausgesungen werden. Das Orchester beginnt in einem langsamen Andante mit einem Trauermarsch-ähnlichen Motiv. Die Vorhalte auf «fühls» und «hin» des ersten Verses geben dem Stück einen unendlich schmerzlichen Charakter, der mit dem warmen hohen B auf «Liebe» im zweiten Vers kontrastiert. Darauf folgt ein herrlich nostalgische «Nimmer kommet ihr, Wonnestunden». In der nächsten Passage fragt Tamina ungläubig den Tamino «Fühlst Du nicht der Liebe sehnen und beim Wort «Liebe» tönt das hohe B nur noch traurig und resigniert. Bei der Passage «so wird Ruh im Tode sein» wird die Musik gespenstisch und fahl. Die ätherischen Pianissimo-Tonsprünge scheinen bereits aus dem Jenseits zu ertönen.
Hören Sie die wunderschöne Interpretation von Barbara Bonney, sie ist trotz des schnellen Tempos sehr lyrisch.
5
LA MAMMA MORTA
aus ANDREA CHÉNIER von Umberto Giordano
Handlung: Magdalena trauert um das Schicksal ihrer Eltern, die in den Wirren der Revolution umkamen. Nun ist auch ihr Geliebter Andrea Chénier von den Jakobinern festgenommen worden. Sie sucht den Staatsanwalt Gérard auf und bittet ihn Chénier freizulassen. Gérard gesteht Maddalena seine Liebe und Maddalena bietet ihm darauf eine Liebesnacht an, wenn er Chénier freilässt.
Diese Arie der Maddalena besteht aus zwei Teilen. Zu Beginn steht eine bittere Anklage an die Grausamkeiten der Revolution, im zweiten Teil hören wir eine ekstatische Liebeshymne. Die Arie beginnt mit einem einsamen Cello, die «Con espressione» einsetzt. Maddalena beginnt mit zehn auf der gleichen Tonhöhe gewisperten Noten «La Mamma morta», fahl und resignierend. Plötzlich und von Entsetzen erfüllt beschleunigt sich die Musik und sie sieht vor ihrem Auge das brennende Haus ihrer Familie. Grauenvoll hört man im fahlen Tremolo der Streicher das Knistern des Feuers. Bei der Erwähnung von Bersi flackert Wärme auf, kurz darauf wandelt sich der Ton wieder in Bitterkeit, dass Bersi ihre Schönheit zu Markte tragen musste, um ihr beiden Überleben zu sichern. Eine einsame Bratsche mit einem schmerzlichen und tröstenden Motiv von vier aufstrebenden Noten leitet in den zweiten Teil über. Die Stimmung wechselt innerhalb von wenigen Takten. Maddalena singt von ihrer Liebe. Mit einer wunderschönen Passage «nei miei occhi» öffnet sich das Herz förmlich. In der Folge steigert Giordano das Tempo, die Intensität nimmt mehrmals zu und erreicht mit den höchsten Ton H auf «Ah io son l’amor ihren Höhepunkt. Zum Schluss fällt Maddalena wieder in die Resignation des Anfangs zurück mit dem grauenvollen «e vi bacia la morte» und es küsst dich der Tod.
Falls Sie den Film «Philadelphia» kennen, dann erinnern Sie sich vielleicht wie Tom Hanks Denzel Washington die Szene aus Andrea Chenier «La Mamma morta» erklärt, eindrücklich gesungen von Maria Callas.
4
LASCIA CHI-IO PIANGA
aus RINALDO von Georg Friedrich Händel
Handlung: Kurz vor ihrer Heirat mit Rinaldo ist Almirena von Armida entführt worden. Sie sitzt traurig im Garten des Palastes von Armida.
Lascia ch’io pianga ist eine der berühmtesten Arien von Georg Friedrich Händel. Er hat sie bereits 1705 komponiert und wandelte sie für Rinaldo in eine Klagearie um. Händel schaffte es eine Arie zu schreiben die durch ihre Einfachheit berührt. Er schrieb die Arie in der Form einer Sarabande, einem Dreiertakt mit einer Dehnung der zweiten Taktzeit. Die Kombination mit der typischen Chromatik der Notenabfolge und den effektvollen ¼-Pausen ergeben das berühmt Seufzermovtiv des Händelschen Lamentos. Wir hören diesen Effekt gleich zu Beginn.
Diese Arie ist eine der einzigartigsten Stücke der Opernliteratur. Die singende Maschine Olympia ist eine halbe Stunde auf der Bühne und sagt lange Zeit nur «oui». Schlussendlich erwacht sie und beginnt zu singen. Offenbach zeichnete natürlich eine Karikatur der Sängerinnen der Grand Opéra, die Koloratursängerin muss nur aufgezogen werden und schon produziert sie wie ein Automat Töne. Die Arie ist virtuos mit vielen Koloraturen gespickt und gleichzeitig muss die Sängerin mit ihrer Stimme den abgehackten Gesang und die mechanische Tanz-Bewegungen einer Puppe imitieren, so wie es der Komponist genial in Töne gesetzt hatte. Das ist in der Live- Aufführung für die Sängerin eine große Herausforderung.
Diese Arie wurde von unzähligen Sängerinnen eingespielt. Hören Sie sie interpretiert von der amerikanischen Sopranistin Marilyn Horne. Sie verzichtet im ersten Teil auf Verzierungen, was die Schlichtheit des Stücks hervorhebt. Das Vibrato ist sehr expressiv und ihre stupende Technik erlaubt ihr wunderschöne Triller im Mittelteil.
3
PORGI AMOR
aus LE NOZZE DI FIGARO von Wolfgang Amadeus Mozart
Handlung: In den Gemächern der Gräfin. Die Gräfin leidet unter der Treuelosigkeit ihres Gatten und möchte lieber sterben als unwürdig weiterzuleben.
In dieser Arie vermisst die Gräfin die Zeiten, als der Graf sie noch innig liebte. Zweifellos ist «Porgi amor» einer der Höhepunkte der Oper und eine der schönsten lyrischen Stücke, die für Sopran geschrieben wurde. Die Musik ist in Dur gesetzt, obwohl die Stimmung der Gräfin traurig und kontemplativ ist, dies macht vielleicht sogar den Reiz dieses Stückes aus. Die Arie beginnt in piano und kulminiert in der Mitte, mit dem herzzerreissenden Todeswunsch «O mi lascia almen morir», der sich zwei Mal wiederholt, begleitet von der überirdisch-schmerzlichen Kantilene der Klarinette. «Porgi amor» ist der erste Auftritt der Gräfin. Sie ist alleine auf der Bühne und muss gleich die schönste Arie der Oper singen, manche Sängerin hat deswegen Respekt vor diesem Stück. Sonst gibt es keine großen gesangstechnischen Schwierigkeiten, es ist eine einfache Kavatine und deren Dauer vergleichsweise kurz. Aber wie immer bei Mozart, sind die einfachen Dinge die schwierigsten.
Hören Sie diese Arie in der wunderbaren, melancholischen und unschlagbaren Interpretation von Elisabeth Schwarzkopf. Jedes Wort bekommt eine schöne Tonfarbe. Ihre Atmung ist nicht wahrnehmbar und das grossartige Legato lässt die Musik mit schönen langen Phrasierungen glänzen.
2
TENESTE LA PROMESSA ... ADDIO DEL PASSATO
aus LA TRAVIATA von Giuseppe Verdi
Handlung: Violetta befindet in ihrem Schlafzimmer. Sie ist geschwächt und der Arzt flüstert Annina zu, dass sie nur noch wenige Stunden zu leben habe. Violetta liest den Brief von Germont. Sie erfährt, dass Duphol sich mit Alfredo duelliert hatte und schwer verletzt wurde. Alfredo habe sich anschliessend ins Ausland abgesetzt. Georg Germont selbst habe seinen Fehler erkannt und in einem Brief an seinen Sohn alles erklärt und ihn gebeten, zu Violetta zu kommen. Tieftraurig spürt Violetta, dass es zu spät ist.
Währenddem Violetta den Brief von Germont liest, hören wir das Liebesthema zärtlich in den Streichern ertönen. Nun beginnt eine der großen Abschiedsarien der Opernliteratur, eingeleitet von der Oboe und begleitet von sechzehn gedämpften Streichinstrumenten. Violettas Gesang wird vom Englischhorn gelegentlich umspielt, gelegentlich verdoppelt. Die erste Strophe ertönt düster in Moll, die zweite verklärt in Dur.
1
WHEN I AM LAID IN EARTH
aus DIDO AND AENEAS von Henry Purcell
Handlung: Aeneas erscheint bei seiner Geliebten Dido und erklärt ihr, dass die Götter seinen Abschied erzwingen. Doch Dido wirft ihm vor, den Auftrag nur als Vorwand zu nehmen, um sie zu verlassen. Da beschließt Aeneas, den Auftrag der Götter zu verwerfen und zu bleiben. Doch Dido ist nicht an Mitleid interessiert. Nur schon, dass er den Gedanken gefasst habe, sie zu verlassen, ist Grund genug für sie, ihre Liebe aufzukündigen. Als Aeneas Karthago verlassen hat, beschliesst Dido von eigener Hand zu sterben.
Dieses Stück gehört zu den großen Arien der Opernliteratur. Es handelt sich um ein Lamento, einem klassischen Produkt der Barock-Oper. Es gehört zu der handvoll barocken Lamenti, die den Hörer wahrhaftig zu Tränen rühren können. Purcell hat dieses Stück ungemein effektiv geschrieben. Es beginnt mit einem abwärts gerichteten, chromatischen Motiv in der Bass-Begleitung, das zu einen tieftraurigen Ostinato wird. Am Ende des Ostinato setzt Dido mit ihrem Lament ein. Diese Melodie besticht durch viele grossartige Effekte. Besonders eindrücklich: im Gegensatz zum abwärtsgerichteten Ostinato der Begleitstimme strebt Didos Melodie mit Tonsprüngen (und darauffolgenden abwärtsgerichteten Tönen) nach oben (vom g bei «when» bis zum e beim «no», was den Zwiespalt der Dido sichtbar macht. Zur tristen Stimmung trägt auch die schöne Appoggiatura (Vorhalt) auf dem ersten «Laid» bei (einer hinzugefügten, melodiefremde Dissonanz, die auf dem betonten Taktteil erfolgt und auf der nächsten Note aufgelöst wird). Einen weiteren schönen Effekt der Singstimme finden wir im obigen Notenbeispiel im düsteren Tritonus auf «trouble». Im zweiten Teil führt Purcell in der Singstimme ein weiteres Element ein, das durch seine Einfachheit berückende «Remember me». Mit dem letzten «Remember me» lässt Purcell die Musik in tröstliche Höhen schweben, bevor es mit «forget my fate» zum Schluss in die Tiefen der Verzweiflung geht.
Die vielleicht trostloseste und dadurch ergreifendste Aufnahme stammt von Janet Baker. Sie singt die Arie mit beinahe erstickter Stimme, die sich erst mit den letzten Takten öffnet und dadurch einen großartigen Effekt erzeugt.
Die Auswahl und Kommentare sind dem Opernführer 75 GROSSE OPERN von Peter Lutz entnommen:
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