opera-inside-Lucia_di_Lammermoor_opera_guide-Gaetano_Donizetti-Synopsis_Handlung_Trama_résumé-Aria (2)

Der online Opernführer & Handlung zu LUCIA DI LAMMERMOOR

Lucia di Lammermoor ist die Liebesoper der Bel Canto Ära und machte Donizetti unsterblich. Mit der Wahnsinnsszene und dem Sextett hat er eine Generation von Komponisten beeinflusst und neben Rossinis «Barbiere di Siviglia» und Bellinis «Norma» das größte Monument dieser Periode geschaffen.

 

 

Der Film aus 2018, die spannende Hommage an Maria Callas:

Bild = Link zum Shop

 

ÜBERSICHT & SCHNELLZUGRIFF

 

Inhalt

Handlung

Kommentar

♪ Akt I

♪ Akt II 

♪ Aufnahme-Empfehlung

 

Höhepunkte

Cruda funesta … La pietade

Regnava nel silenzio… Quando, rapito in estasi

Veranno a te sull’aure

Soffriva nel pianto

Chi mi frena a tal momento (Sextett)

Qui del padre ancor respira

Oh! qual fusto avvenimento

Il dolce suono … Sorge il tremendo fantasma (Wahnsinns-Szene)

Spargi d’amor pianto

Fra poco a me ricovero

Tu che a dio spiegasti l’ali

 

 

 

ROLLEN & HANDLUNG VON LUCIA DI LAMMERMOOR IN 4 MINUTEN

 

 

 

 

 

 

URAUFFÜHRUNG

Neapel, 1835

LIBRETTO

Felice Romani, basierend auf Eugène Scribes Roman Le philtre

HAUPTROLLEN

Edgardo di Ravenswood, Sohn des ehemaligen Lord von Ravenswood (Tenor) - Enrico Ashton Lammermoor, Lord von Ravenswood (Bariton) - Lord Arturo Bucklaw, Einflussreicher Adliger (Tenor) - Lucia, Schwester Ashtons (Sopran) - Raimondo, Kaplan und Vertrauter Lucias (Bass) - Normanno, Hauptmann (Tenor)

AUFNAHME EMPFEHLUNG

Für Callas-Liebhaber: EMI mit Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Rolando Panerai unter der Leitung von Herbert von Karajan und dem Chor der Mailänder Scala und dem RIAS Sinfonie-Orchester Berlin. Für Sutherland-Liebhaber: DECCA mit Joan Sutherland, Luciano Pavarotti und Sherill Milnes unter der Leitung von Richard Bonynge und dem Chor und Orchester des Royal Opera House Convent Garden.

 

 

 

 

 

KOMMENTAR

 

 

 

Libretto

Die literarische Grundlage für die Oper bildet Walter Scotts Roman «The bride of Lammermoor». Scott war Schotte und ein berühmter und vielgelesener Verfasser von Historienromanen. Er nahm in diesem Werk reale politische Gegebenheiten auf und kombinierte sie mit einer klassischen «Romeo & Julia»-Story. Der Librettist Salvatore Cammarano entschlackte die weitschweifigen politische Verstrickungen und reduzierte den Plot weitgehend auf eine Dreiecksgeschichte. Cammarano, ein Liebhaber des Schauerromans, reicherte die Handlung in hochromantischem Stil mit einer Geistergeschichte an und ergänzte sie mit einer Wahnsinnsszene. Donizetti war zu dieser Zeit fasziniert von der schottischen Geschichte, zusammen mit «Maria Stuarda» und «Roberto Devereux» bildet «Lucia di Lammermoor» die sogenannte «Tudor Trilogie». Cammarano, ursprünglich ein Bühnenmaler, schrieb insgesamt sechs Libretti für Donizetti, die «Lucia» war die erste Zusammenarbeit und entstammt einem Zufall. Donizetti hatte einen Vertrag mit Neapel für einen Aufführung für den Juli 1835 unterzeichnet. Die Lieferung des Stoffes verzögerte sich und er bekam die Skizze der Vorlage Scotts erst im Mai. Der unerfahrene Librettist Cammarano (es war sein erstes Libretto!) wurde beigezogen, weil er vor Ort war und so in direktem Kontakt mit Donizetti gleich loslegen konnte, denn Musik und Libretto mussten parallel erschaffen werden. Anfang Juli war das Werk rechtzeitig fertiggesellt. Dieser Zusammenarbeit sollten noch fünf weitere gemeinsame Projekte folgen.

 

 

Wahnsinn

Die Wahnsinns-Szene des zweiten Aktes gehört zu den berühmtesten Opernszenen überhaupt und die Verbindung zu Donizettis späteren Schicksal im Irrenhaus in Paris gehört zu den tragischsten biografischen Eigentümlichkeiten der Opernliteratur. Die Ursache für Donizettis psychischen Probleme lag in einer Syphilis Infektion, die er vermutlich kurz vor seiner Hochzeit geholt hatte. Vermutlich gab es zwischen dem frühen Tod seiner Gattin und seiner beiden Kinder und der Krankheit einen Zusammenhang, was zu Schuldgefühlen und daraus resultierenden psychischen Labilität führte. Donizetti neigte schon früh zu manisch-depressiven Schwankungen und schwerwiegenden Symptomen wie beispielsweise Kopfweh oder Probleme des Verdauungstrakts. Inwieweit er in sich schon 10 Jahre vor seinem großen Zusammenbruch bereits in die Gefühlswelt wahnsinnigen Lucia hineinversetzen konnte, bleibt Spekulation.

 

 

Die Musik

Donizetti hat in «Lucia di Lammermoor» eine unfassbaren Melodiefülle an den Tag gelegt, ohne auf frühere Opern zurückgegriffen zu haben. Ihm wird gelegentlich eine holzschnittartige Orchestrierung der «Lucia» vorgeworfen. Diese Kritik ist teilweise berechtigt. Allerdings muss man den unerhörten Zeitdruck berücksichtigen, der es nicht erlaubte, diesem Aspekt genügend Zeit einzuräumen. Da Donizetti in erster Linie Melodiker war und auch sein Publikum diesem Aspekt höchste Priorität einräumte sollte dieser Aspekt dem Komponisten nachgesehen werden. Dass er zu einer meisterhaften Stimmbehandlung fähig war zeigt er in den wichtigen Szenen, wie beispielsweise dem Sextett.

 

 

Die Rolle der Lucia

Die Lucia der Uraufführung, Fanny Tacchinardi-Persiani, war ein klassischer Koloratursopran, obwohl Donizetti eher eine dramatische Sopranistin mit guter Koloratur vorschwebte. Während die Rolle der Lucia während vieler Jahren von «Kanarienvögel» wie Adelina Patti, Jennie Lind und Co. dominiert wurden, änderte Maria Callas die Interpretationsgeschichte und brachte die Rolle ins dramatische Fach zurück (dramatischer Koloratursopran). Eine wichtige Rolle spielte dabei die Live-Aufführung 1955 in Berlin mit Herbert von Karajan. In der Nachkriegszeit wurde die Lucia eine Paraderolle vieler Soprane und die Rivalität zwischen Callas-Anhänger («la Assoluta») und Sutherland-Fans («La Stupenda») wer die beste Lucia war, wurde während Jahren von Opernfreunden herzlich debattiert. Wer war die bessere Lucia? Wer die gesangstechnischen Qualitäten sucht, wird wohl mit den Aufnahmen der Sutherland glücklich werden. Wer Dramatik und Leidenschaft sucht, wird bei den Aufnahmen mit Maria Callas landen. Aber bilden Sie sich doch in diesem Opernportrait selbst ein Urteil.

 

 

Uraufführung

Die für den Juli geplante Uraufführung musste auf den September verschoben werden. Grund waren die finanziellen Probleme des neapolitanischen Teatro San Carlo, was dazu führte, dass die Sänger nicht bezahlt werden konnten. Im September war es dann soweit, trotzdem zwangen Sparmaßnahmen zu Änderungen, beispielswiese wollte das Theater nicht auf die hohen Forderungen des Glasharmonika Spielers eingehen und es konnte kein Ersatz gefunden werden, so musste Donizetti die Begleitung für Querflöte umschreiben. Nichtsdestotrotz durfte Donizetti an diesem 26. September 1835 den vielleicht größten Triumph seiner Karriere feiern, insbesondere die Wahnsinnsarie führte zu gewaltigen Ovationen.

 

 


LUCIA DI LAMMERMOOR AKT I

 


Handlung: Enrico, der Fürst von Ravenswood, durchkämmt mit seinen Getreuen die Umgebung. Sie suchen einen geheimnisvollen Unbekannten. Enrico vermutet, dass es sich um Edgardo handelt, dem vormaligen Fürsten von Ravenswood, dessen Adelstitel Enrico unrechtmäßig entwendet hat. Enrico hat große finanzielle Probleme und hoffte sie mit der Verheiratung seiner Schwester zu lösen, doch diese lehnte die arrangierte Heirat mit Arturo ab.

Donizetti eröffnet die Oper mit einer düsteren Vision. Der trauermarschähnlichen Rhythmus dieses Abschnittes wird im Verlaufe der Oper mehrmals wiederholt. Dissonante Tremoli, Moll Akkorde und bleierne Bläser schildern die Trostlosigkeit und lassen die kommenden tragischen Ereignisse erahnen.

Preludio

 

 

Cruda funesta smania…La pietade in suo favore

Handlung: Sein Kaplan Raimondo erklärt dem überraschten Enrico, dass Lucia die Heirat aus Liebe zu einem anderen Mann ablehnt. Als er die Vermutung ausspricht, dass es sich um Edgardo handelt, ist Enrico erzürnt und er schwört diese Verbindung mit allen Mitteln zu verhindern.

Der Konvention entsprechend schreibt Donizetti eine Scena ed aria. Sowohl die Cavatina wie auch die Cabaletta zeichnen Enrico als getriebenen, unversöhnlichen Charakter. Er ist so der klassische Antagonist des Liebhabers des Typus der romantischen Oper.

Hören Sie Tito Gobbi (1913-1984), der vielleicht beste Bariton seiner Zeit in «Cruda funesta smania…La pietade in suo favore».

Cruda funesta smania…La pietade in suo favore –  Gobbi

 

Hören Sie in einer zweiten Interpretation Ettore Bastiannini, dessen samtweiche Stimme für ihre brillante Höhe bekannt war, erstaunlicherweise begann er seine Karriere als Bass und wechselte dann ins Baritonfach.

Cruda funesta smania  –  Bastiannini

 


Regnava nel silenzio…Quando rapito in estasi – zwei berühmte Arien

Handlung: Lucia trifft sich seit einiger Zeit mit Edgardo und erwartet ihn im Schlosspark. Abends am Brunnen erzählt sie ihrer Zofe mit dunkler Miene, dass ihr einst der Geist einer toten Ravenswood erschienen ist, die beim Brunnen von einem Verwandten ermordet worden war und seither in der Tiefe des Brunnens begraben liegt. Bald hellt sich ihr Gemüt wieder auf, ausgelöst durch die Vorfreude auf das baldige Eintreffen von Edgardo. Ihre Zofe warnt sie, dass Enrico von ihrer Liebschaft wisse und ratet ihr, von der Verbindung zu lassen.

Lucia singt die Legende des Brunnens. Diese berühmte Arie zeigt Lucia als verträumte und nachdenkliche Frau. Die Gesangslinien sind lyrisch, aber trotzdem brillant in ihren Verzierungen. Streicher und Bläser setzen im Piano ein und die schweren Blechbläser verbreiten eine düstere Stimmung. Nach zwei Takten setzt die Klarinette mit einer arpeggierten Figur ein. Diese andauernd wiederholte Figur verstärkt die nocturne-artige Stimmung und die Sopran-Stimme setzt im piano über den arpeggierten Figuren ein. Diese Anordnung ermöglicht es der Sängerin, die Melodie des «Regnava nel silenzio» ausdrucksvoll zu gestalten. Besonders bemerkenswert sind drei Triller bei «si pria limpida». Mit der anschliessenden Cabaletta «Quando rapito in estasi» hellt sich die Stimmung von Lucia auf. Die Erregung über die baldige Ankunft Edgardos komponierte Donizetti mit großen Ton-Sprüngen aus, welche die Sängerin vor erhebliche Schwierigkeiten stellen. Donizetti schreibt auch in dieser Arie bemerkenswerte Rubati. Beispielsweise steht die Zeit im «Il ciel per me» beinahe still, und geht dann gleich wieder ins Grundtempo mit «Si schiuda il ciel per me» über. Bemerkenswert ist auch der Triller in der Mitte der Arie, der sich über zwei Takte erstreckt. Dieser erste Teil wird nochmals wiederholt. Für den Schluss wählte Donizetti eine kunstvolle Wendung: das zweitletzte «Ciel» endet auf einem C, und mit einer schönen Figur wiederholt er noch einmal «Si schiuda il ciel», welches auf einem spektakulären D endet.

Maria Callas hat mit der Rolle der Lucia Bühnengeschichte geschrieben.  Der berühmte Produzent Walter Legge wollte mit dem Ensemble der Scala und Serafin neue Aufnahme-Maßstäbe setzen, und wählte unter anderem die «Lucia di Lammermoor». Kesting («Die großen Stimmen»): «Die Aufnahme von Lucia war noch nicht abgeschlossen, als Legge die letzten drei Minuten von Akt II auf einem Bandschnipsel an Karajan schickte. Der entschloss sich sogleich, das Werk selbst zu inszenieren, und mit der Aufführung reiste er alsbald nach Berlin und Wien. Callas als Lucia sorgte in beiden Opernhäusern für ein Pandämonium, und es war nicht zuletzt dieser Erfolg, der Wien bestimmte, Herbert von Karajan zum Nachfolger des ausgeschiedenen Karl Böhm an der Staatsoper zu ernennen.»

Hören Sie Maria Callas in einer großartigen und eindringlichen Interpretation dieser Arie in dieser Aufnahme unter der Leitung von Tullio Serafin.

Regnava nel silenzio…Quando rapito in estasi (1)  –  Callas/Serafin

 

Sie hören eine zweite schöne Interpretation von Anna Netrebko. Mit dieser Rolle hat sie in den Jahren um 2007 überzeugt. Sie zeigt eine lyrische und farbenfrohe Interpretation. Sie ist jedoch keine klassische Koloratursopranistin, wie man an den Trillerpassagen erkennen kann (vgl. die Aufnahme mit Joan Sutherland unten).

Regnava nel silenzio…Quando rapito in estasi (2)  –  Netrebko

 

Die dritte Aufnahme stammt von Joan Sutherland.  Die Lucia war eine ihrer bedeutendsten Rollen. 1959 katapultierte sich die damals 32-jährige in die Top Liga mit der Londoner Lucia di Lammermoor und wurde die große Konkurrentin der Maria Callas im Bellini / Donizetti Repertoire. Ironischerweise war der damalige Dirigent der italienische Maestro Tullio Serafin, der mit der Australierin Sutherland eine musikalisch und darstellerisch überzeugende Lucia einstudierte. Sutherland wurde eine der überragenden Koloratursopranistinnen des Jahrhunderts. In der folgenden Aufnahme aus dem Jahre 1968 hören Sie wieso. Einzigartig wie sie die schwierigen Trillerpassagen virtuos meistert.

Regnava nel silenzio…Quando rapito in estasi (3)  –  Sutherland


Edgardo erscheint

Handlung: Edgardo erscheint und erklärt, dass er wegen einer heiklen politischen Mission nach Frankreich müsse. Zuvor wolle er sich aber mit Enrico versöhnen, um den Weg zur Heirat freimachen zu können. Als Lucia ihn bittet, die Liebe einstweilen geheim zu halten, wird Enrico ungehalten. Doch Lucia beschwört ihre Liebe.

Edgardo ist erregt, sein punktiertes Motiv zeigt seinen Aufruhr. Lucia versucht ihn mit einer langen, emotionalen Kantilene zu beruhigen. Sie ist erfolgreich, denn das Duett endet im mit einer schönen, gemeinsam gesungenen Kadenz.

Sulla tomba – Callas / Campora

 

Handlung: Lucia beschwört Edgardo, dass er ihr aus Frankreich schreibt und sie tauschen feierlich Verlobungsringe aus.

Donizetti schrieb dieses spektakuläre Duett im unisono der Stimmen, die sich im Oktavabstand bewegen. Er wollte damit die vollendete Harmonie zwischen den beiden unterstreichen, um so den Kontrast zu den nachfolgenden Umwälzungen auf die Spitze zu treiben.

Wir hören diesen berühmten Abschnitt in drei Versionen.

Zuerst Joan Sutherland mit Luciano Pavarotti:

Verrano a te sull’aure (1)  –  Sutherland/Pavarotti

 

Als nächstes Maria Callas mit Giuseppe di Stefano:

Verrano a te sull’aure (2)  –  Callas/diStefano

 

Ein einzigartiges Duett-Paar waren Tito Schipa und Amelita Galli-Curci.

Verrano a te sull’aure (3)  –  Galli-Curci/Schipa

 

 

 


Handlung: Während der Abwesenheit Edgardos hat Enrico dessen Korrespondenz an Lucia abgefangen. Er arrangiert die Hochzeit mit Arturo und übergibt Lucia gefälschte Briefe, welche belegen sollen, dass Edgard eine andere liebt.

Soffriva nel pianto – Callas / Gobbi

 

 

Se tradirmi potrai – die Intrige Enricos

Handlung: Lucia widersetzt sich den Heiratsplänen Enricos. Doch er bedrängt sie und behauptet, dass sein Schicksal besiegelt sei, wenn sie nicht in die Heirat einwillige.

In einer feurigen Cabaletta macht Enrico Druck auf die unglückliche Lucia. «Das Brautgemach sei bereitet», drängt Enrico – «das Grab» erwidert Lucia.

Hören Sie Maria Callas in diesem Duett «Se tradirmi potrai».

Se tradirmi potrai  –  Callas/Panerai

 

Handlung: Auch ihr Vertrauter Raimondo spielt die Karte Enricos und er bittet sie, sich für die Ehre und das Wohl ihrer Familie zu opfern. Nun willigt Lucia gedemütigt in die Hochzeit mit Arturo ein.

Mit dem feierlich-gestelzten Ton eines Priesters übt Raimondo Druck auf Lucia aus. Ein linkisch punktierter Rhythmus und der übertriebene Einsatz von Trompeten, Posaunen und Pauken zeugen von der Ungeheuerlichkeit Raimondos. Lucia weiß, dass dieser Schritt die Zerstörung ihres Lebens bedeutet.

Al ben de’tuoi qual vittima  –  Sutherland/Siepi

 

 

Die Hochzeits-Szene

Handlung: Die Gäste sind im großen Saal versammelt, um der Unterzeichnung des Vertrags und der Hochzeit beizuwohnen. Arturo erwartet ungeduldig das Eintreffen von Lucia, Enrico behauptet, sie sei noch in Trauer um ihre verstorbene Mutter. Als sie erscheint ist sie totenbleich und unterschreibt apathisch den Vertrag.

Donizetti lässt die Violinen diese Szene erzählen. Mit einer gefälligen Melodie der Violinen unterhalten sich Arturo und Enrico in Erwartung von Lucia. Als sie erscheint, wechselt das Orchester schlagartig in die Tragik von absteigenden Figuren der Violinen. «Mein Urteil hab ich unterschrieben» flüstert sie beim Unterzeichnen des Vertrages.

Dov’è Lucia – Callas / Franke / Sordello

 

Handlung: Plötzlich ist Lärm zu hören. Entsetzt realisieren die Gäste, dass Edgardo in die Hochzeitsszene eindringt. Edgardo ist blind vor Wut.

Literaturliebhaber kennen vielleicht die Stelle von Flauberts «Madame Bovary» in der Emma Bovary mit ihrem langweiligen Mann die Oper von Rouen besuchen und der Schriftsteller mit den Gedanken seiner Protagonisten über das Sextett schreibt. In einem Zeitlupenmoment (sogenanntes «Concertato») singen die Hauptdarsteller in diesem Sextett ihren Schmerz, Wut und Verwirrung von der Seele. Musikalisch hat Donizetti diesen Moment interessant gelöst. Das Sextett beginnt im harmonischen Gesang der beiden Erzfeinde. Das ganze Sextett ist in Dur gehalten, es ist die Ruhe vor dem Sturm. Zu dieser berühmten Stelle meinte Giacomo Puccini, dass in einer Beziehung die Italiener die deutschen Komponisten übertreffen, nämlich in der Fähigkeit, unendliche Traurigkeit in der Dur-Tonart auszudrücken.

In der Operngeschichte ist die Bedeutung dieses Stücks nicht zu unterschätzen, es wurde zum Vorbild einer ganzen Generation. Das Sextett stellt, auf Augenhöhe mit dem «Rigoletto»-Quartett, einen der unübertroffenen Höhepunkte der romantischen Ensemble-Kultur dar.

1908 machten der Tenor Enrico Caruso und fünf Sänger/innen eine Aufnahme dieses Sextetts, die zur Legende wurde – sowohl wegen der Musikkunst als auch wegen des exorbitanten Verkaufspreises der Aufnahme. Es wurde auf einer einseitigen Platte zu einem Preis von $7 verkauft und hat sich damit einen Spitznamen verdient, den es seitdem trägt: das «Seven-Dollar Sextet». Dies entspricht einem Verkaufspreis mit heutiger Kaufkraft von etwa 170 Dollar.

Chi mi frena a tal momento  –  Caruso et al.

 

Eine weitere berühmte Gegebenheit rund um dieses schöne Stück hat sich in den fünfziger Jahre ergeben. Sie finden Sie eine berühmte Aufnahmestelle eines legendären Berliner Mitschnittes von 1955 mit Karajan und Callas. Aufsehen erregend war der Umstand, dass Herbert von Karajan aufgrund des großartigen Momentes ein «Da capo» anordnete.

Chi mi frena a tal momento (Sestetto)  –  di Stefano / Panerai / Callas / Zaccaria

 

Handlung: Enrico und seine Getreuen ziehen seine Schwerter, doch Raimondo kann sie überzeugen Edgardos Blut zu verschonen. Er zeigt ihm die Heiratsurkunde und fordert ihn auf den Ort zu verlassen. Ungläubig starrt Edgardo auf das Papier, verlangt von der hoffnungslosen und überraschten Lucia seinen Ring zurück und verlässt die Burg.

T’allontana sciagurato – Kraus / Plishka / Elvira

 

 

 

LUCIA DI LAMMERMOOR AKT II

 

 

 

Handlung: Edgardo ist nach Hause zurückgekehrt. Draußen tobt ein Gewitter.

Donizetti komponierte eine äußerst effektive Gewittermusik, die die fiebrige, dunkle Atmosphäre genial zeichnet.

Orrida è questa notte –  Bergonzi

 

Handlung: Enrico sucht ihn auf. In einem erregten Disput, von Gewitterlärm begleitet, verabreden sich die beiden zu einem Duell am nächsten Morgen.

Dieser Auftritt erfolgt nach festem Schema zweigeteilt, auf das langsame «Qui del padre ancor respira» folgt der Schwur im Duell den Gegner zu töten («O sole, più rapido»).

Hören Sie ein packendes Duett der beiden Todfeinde interpretiert von Luciano Pavarotti und Sherill Milnes.

Qui del padre ancor respira  –  Pavarotti / Milnes

 

Handlung: Im Hochzeitssaal feiern die Gäste die Hochzeit. Da erscheint Raimondo und berichtet, dass Lucia im Hochzeitsbett ihren Mann erstochen habe. Die Gäste sind schockiert.

Wir hören in dieser Passage die Stimme des Priesters Raimondo über einem hymnischen Chor, der bereits die Chorpassagen von Zaccaria und den Juden ahnen lässt, die Verdi sieben Jahre später in «Nabucco» komponieren wird.

Oh! qual funesto avvenimento! – Ghiaurov / Bonynge

 

 

Lucias Wahnsinns Arie

Handlung: Lucia erscheint mit blutverschmierten Kleidern und einem Messer in der Hand. Sie fantasiert und bricht dann ohnmächtig zusammen.

Diese berühmte Arie ist ein hoch virtuoses Stück. Die sogenannte Wahnsinns-Szene besteht nicht aus einer Arie, sondern ist ein Labyrinth von Stücken, welches mit einem Andante beginnt, dann in ein manisches Allegro vivace mündet, von einem Recitativo Accompagnato gefolgt von einer Larghetto-Arie (mit Chor) und ein Allegro-Trio mit Enrico, Raimondo und vollem Chor übergeht und in einer weiteren Arie plus Coda endet.  Kein Wunder, dass diese Szene als eine der schwierigsten der Opernliteratur gilt. Zudem verlangen rasche Tonsprünge zwischen hohen und tiefen Stimmregister und virtuose Verzierungen eine virtuose Koloratur-Technik. Donizetti schrieb diese Arie mit einer Begleitung ursprünglich mit einer Glass-Harmonika und ergänzte eine Version für Flöte. Heutzutage wird die berühmte Passage in der Regel mit der Begleitung der Koloratursequenz mit der Flöte gesungen.

In der Aufführungspraxis haben viele der Sängerinnen die Arie nach eigenem Gutdünken ausgeschmückt. Einige dieser Interpretationen wurden von anderen Sängerinnen übernommen oder wurden sogar zu einem Aufführungsstandard (siehe weiter unten die Anmerkung zu Nellie Melba). Dies änderte sich schlagartig mit Maria Callas Interpretation begleitet von Herbert von Karajan von 1955. Sie hat in dieser Rolle Furore gemacht und dies weitgehend in der Version «Come scritto» also so, wie von Donizetti komponiert und mit nur wenigen ergänzenden Ornamenten.

Il dolce suono…Sorge il tremendo fantasma (1)  –  Callas/Karajan

 

«Eine einschneidende Modifizierung dieser Szene wurde jedoch rund 30 Jahre nach dem Tod Donizettis vorgenommen. Um 1880 wagte es die australische Sopranistin Nellie Melba, am Ende des besagten langsamen Satzes eine erweiterte Kadenz mit Soloflötenbegleitung zu singen – ein fast unglaublicher Drahtseilakt, bei dem die Sopranistin sich auf einen Wettstreit mit der Flöte einlässt nach dem Motto: ‚Alles, was Du spielen kannst, kann ich nachsingen, aber höher‘» (Abbate/Parker, Eine Geschichte der Oper). Hören Sie Nellie Melba, in einer Aufnahme von 1904 mit dieser berühmten Stelle.

Del ciel clemente un riso (Cadenza) (2)  –  Melba

 

Diese Wahnsinnkadenz wurde in der Folge zur berühmtesten Stelle dieser Oper und wird bis zum heutigen Tag von den meisten Sopranistinnen getreulich reproduziert. Hören Sie die berühmte Joan Sutherland mit der Wahnsinnsarie (und der Kadenz kurz vor 9:00).

Sutherland Stimme «ist die glückliche Verbindung der Fülle einer dramatischen Sopranstimme mit der Höhensicherheit und Koloraturgewandheit eines «Soprano d’agilità». (Fischer, «Große Stimmen»). Die großen Höhen waren jedoch nicht gottgeben, diese musste sie sich erarbeiten, zu Beginn ihrer Ausbildung wurde sie noch als Mezzosopran eingeschätzt. Ihr Mann, der Pianist und Dirigent Richard Bonynge erkannte, dass sie das Potenzial hatte und «im Gegensatz zu ihr hatte er das absolute Gehör, und so konnte er sie täuschen, indem er ihre Stimme nach oben trieben, behauptend, sie sänge eine Terz tiefer, als sie in Wirklichkeit sang; so brachte sie in der privaten Arbeit Dinge zustande, die sie sich öffentlich nicht zugetraut hätte.» (Fischer,  «Große Stimmen»).

Il dolce suono riso (3) – Sutherland

 

Eine spannende Aufnahme hören wir von Anna Netrebko aus einer Aufführung der New Yorker Metropolitan Opera, in der eine Glasharmonika als Begleitinstrument zum Einsatz kommt (mit Ausnahme der Kadenz, die mit Flöte gespielt wird). Das Instrument erzeugt eine faszinierende, übernatürliche Stimmung.

Il dolce suono riso (3) – Netrebko

Handlung: Enrico kehrt zurück und realisiert was passiert ist. Er sieht den Zustand seiner Schwester und Mitleid ergreift ihn. Lucia nimmt nun Abschied, sie phantasiert und bittet ihren Geliebten an ihrem Grab eine Träne zu vergießen.

Lucia ist bereits entrückt, sie hat das Stadium des Deliriums erreicht. Wir hören nur noch virtuose Triller und Skalen, Mit einer schönen, von der Flöte begleiteten Stretta endet die Szene.

Spargi d’amaro pianto  –  Callas

 

 

Edgardos großes Finale

Handlung: Edgardo hat seinen Lebenswillen verloren und er ist bereit von Feindeshand zu sterben.

Der Schluss gehört Edgardo und dem Chor. Es folgt nochmals eine klassische Scena ed aria die mit der Cavatina «Fra poco a me ricovero» beginnt. Schwere Posaunenakkorde und absteigende Halbtöne kündigen im Rezitativ («Tombe degli avi mei») das nahende Unglück an. Die melancholische Cavatina wird von einem trauermarschähnlichen Motiv der Bläser begleitet.

Hören Sie diese Stelle gesungen von Placido Domingo in der Aufnahme mit Giulini. Wir hören eine Stimme, in der Blüte ihrer Schönheit in einer Arie, die von der Tessitura her in wunderbar zu seiner reichen Stimme passt.

Fra poco a me ricovero  –  Domingo / Giulini

 

Handlung: Da passiert eine Gruppe Personen sein Zuhause. Edgardo erfährt von ihnen die Geschehnisse in Ravenswood, und dass Lucia im Sterben liegt. Plötzlich ertönen Kirchenglocken, das Zeichen, dass Lucia gestorben ist.

Diese Szene ist großartig angelegt. Die Musik des Orchesters ist im Rhythmus eines Trauermarsches geschrieben. Dazu hören wir den Chor und darüber die ergreifenden Kantilenen von Edgardo.

O meschina – Pavarotti

 

Handlung: Edgardo hat den Lebensmut verloren. Er ersticht sich mit dem Dolch, um im Himmel zusammen mit Lucia vereint zu sein.

Wir hören zum Schluss eine expressive Melodie des Tenors die nach der tödlichen Verwundung von einem Streichtrio begleitet wird.

Wir hören diesen Schluss in zwei Versionen.

Wir starten mit Luciano Pavarotti. Der Edgardo von 1971 gehört neben den beiden anderen Donizetti Rollen des Nemorino und des Tonio mit zu seinen größten Aufnahmen seiner Laufbahn und wurde in der Aufnahmegeschichte nicht übertroffen.

Tu che a Dio spiegasti  l’ali (1)  –  Pavarotti

 

Verpassen Sie nicht die Aufnahme mit Tito Schipa aus den zwanziger Jahren. Keiner kann so viel Emotion in seine Stimme bringen.

Tu che a Dio spiegasti l’ali (2)  –  Tito Schipa

 


Aufnahme Empfehlung

 

Für Callas-Liebhaber: EMI mit Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Rolano Panerai unter der Leitung von Herbert von Karajan und dem Chor der Mailänder Scala und dem RIAS Sinfonie-Orchester Berlin.

Für Sutherland-Liebhaber: DECCA mit Joan Sutherland, Luciano Pavarotti und Sherill Milnes unter der Leitung von Richard Bonynge und dem Chor und Orchester des Royal Opera House Convent Garden.

 

 

 

Peter Lutz, opera-inside, der online Opernführer zu LUCIA DI LAMMERMOOR

 

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert