Porgy and Bess, Gershwin, Opera, Opera Guide, George Gershwin

Online Opernführer & Handlung zu Gershwin’s PORGY AND BESS

Mit „Porgy and Bess“ erreichte Gershwin den Gipfel seiner Könnerschaft. Mit der Komposition ist ihm ein Werk von Weltgeltung gelungen, eine der großen Volksopern der Geschichte. Die Aufführung dieser Oper ist mit großen Schwierigkeiten verbunden, weshalb das Werk selten zu hören ist. Die Kraft und Authentizität seiner Musik hat alle Jazz-Größen des letzten Jahrhunderts veranlasst, Songs zu covern.

 

 

Die grossartige Londoner Porgy-Inszenierung mit Willard White und Simon Rattle auf DVD:

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Inhalt

Handlung

Kommentar

Akt I 

Akt II

Akt III

 

Höhepunkte

Summertime

He’s a-gone … Overflow

My man’s gone now

Oh we’re leavin’ for the promise Lan’

Oh, I got plenty o’nuttin

It ain’t necessarily so

Bess, You Is My Woman Now

Oh,what you want wid Bess

Oh doctor jesus

A redheaded woman

 

Aufnahme Empfehlung

♪ Aufnahme Empfehlung

 

 

 

ROLLEN & HANDLUNG VON PORGY AND BESS

 

 

 

URAUFFÜHRUNG

1935, Boston (Vorpremiere) und New York (Uraufführung)

LIBRETTO

Du Bose Heyward und Ira Gershwin basierend auf Heywards Porgy

HAUPTROLLEN

Porgy, verkrüppelter Bettler (Bass) - Bess, eine junge Frau und Freundin von Crown, später von Porgy (Sopran) - Crown, gewalttätiger Liebhaber von Bess (Bariton) - Serena, gläubige Frau des Fischers Robbins (Sopran) - Clara, Frau des Fischers Jake (Sopran) - Sportin‘ Life, Drogenhändler aus New York (Tenor)

AUFNAHME EMPFEHLUNG

EMI, Willard White, Cynthia Haymon, Harolyn Blackwell, Damon Evans und Gregg Baker, unter der Leitung von Simon Rattle und den London Philharmonic Orchestra und dem Glyndebourne Chorus.

 

 

 

KOMMENTAR

 

Eine Oper die viele Fragen provoziert

Kaum eine andere Oper provoziert in Sekundenschnelle so viele Fragen und Diskussionen wie «Porgy and Bess»:

  • Handelt es sich bei der vom weißen Gershwin komponierten Musik, um eine authentische «schwarze Musik»?
  • Ist es eine Oper oder doch «nur» ein Musical?
  • Soll die Oper nur von Schwarzen gesungen werden?
  • Verstetigt die Oper Vorurteile über Schwarze?

Natürlich wird in diesem Opernportrait auf diese Fragen eingegangen. Der wichtigste Aspekt bleibt aber unbestritten: bei „Porgy and Bess“ muss man von einem großartigen Werk mit höchsten künstlerischen Anspruch sprechen. In diesem Lichte sollten die oben gestellten Fragen diskutiert werden.

 

 

Die Geschichte der Schöpfung der Oper und das Libretto

Schon in den 20er Jahren träumte Gershwin von einer «schwarzen Oper». Als Begründung für seinen Wunsch schrieb er: “Ich habe die Form gewählt, die ich für “Porgy and Bess” verwendet habe, weil ich glaube, dass Musik nur lebt, wenn sie in ihrer ernsten Form vorliegt. Als ich die “Rhapsody in Blue” schrieb, nahm ich den “Blues” und brachte ich sie in eine größere und ernsthaftere Form. Das war vor zwölf Jahren, und die “Rhapsody in Blue” blieb am Leben, wenn ich die gleichen Themen in Lieder gegossen hätte, wären die schon vor Jahren verschwunden.”

Der vielbeschäftigte Komponist fand während vielen Jahren keine Zeit und keinen geeigneten Stoff um seinen Traum zu verwirklichen.

1927 stieß er auf ein Broadway-Theaterstück mit dem Namen «Porgy». Er fing sofort Feuer und kontaktierte die Autoren, das Ehepaar Du Bose und Dorothy Heyward. Sie waren zwar interessiert, doch war eine Zusammenarbeit aus rechtlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt nicht möglich. Als sich diese Gelegenheit dann 5 Jahre später ergab, ergänzte Gershwin die beiden Texter und Autoren mit seinem Bruder Ira, mit dem er bereits unzählige Werke geschrieben hatte. Ira hat für eine Handvoll der Stücke die Texte geschrieben, 3 waren gemeinsame Werke (“Bess, You Is My Woman,” “I Got Plenty o’ Nuttin'” and “I Loves You Porgy”), und der Rest (der Löwenanteil) stammt von Heyward.

Du Bose Heyward hatte 1925 den Roman «Porgy» geschrieben, das von farbigen Werftarbeitern in eine Hafenbezirk von Charleston South Carolina handelt. Die Inspiration zum Stoff bekam Heyward aus einer realen Begebenheit, die er in einer Zeitung gelesen hatte: ein Kleinkrimineller namens Sammy Small («Goat Sammy») soll auf offener Strasse eine Frau überfallen haben und mit einem von Ziegen gezogenen Karren entflohen sein.

Die “Catfish Row” von Porgy and Bess ist ein fiktiver Ort, hat aber ein reales Vorbild. Der Name ist eine Variation einer Appartement-Häuserzeile namens “Cabbage Row” in der Nähe des Wohnortes von DuBose Heyward.

Als die Gershwins sich mit den Heywards an die Arbeit machten und den Stoff entwickelten, wurde die Rolle von Bess im Drehbuch zur Oper immer wichtiger. Um dem Rechnung zu tragen, änderten sie den Namen des Werks zu «Porgy and Bess”. Gershwin war darüber froh, gab dies dem Titel einen «opernhaften» Touch und rückte es so in die Nähe von Opern wie «Pelléas et Mélisande», «Tristan und Isolde», oder «Samson et Delilah.»

 

 

Handelt es sich bei «Porgy and Bess» authentische «schwarze Musik»?

Gershwin kam als Jacob Gerhsovitz, Sohn von jüdisch-stämmigen russischen Immigranten in New York zur Welt. Er und sein Bruder Ira kamen zwar schon früh mit schwarzen Zuzügler aus den Südstaaten in Kontakt, waren aber genauso wie die in South Carolina lebenden Heywards keine Schwarzen und es fehlte ihnen deshalb der Stallgeruch.

Gershwin (geboren 1898) war schon seit 20 Jahren Jazzmusiker und nahm sich 1934 die Zeit, das Leben der ethnische Minderheit der Gullahs in South Carolina zu studieren. Es handelte sich um eine Volksgruppe deren Herkunft direkt zu eingeschleppten Sklaven zurückverfolgt werden konnte, und die ihre Kultur in einer ursprünglichen Form pflegten.

Musikalisch sind Gershwins New Yorker Wurzeln nicht zu verleugnen, aber er basiert die Komposition auf vielen Südstaaten Formen wie Blues, Gospels, Arbeitsgesänge und Spirituals.

Gershwin studierte das Musik Idiom der Schwarzen genau, wollte aber keine Volksmusik übernehmen, sondern schrieb eigenständige Musik (siehe auch den Abschnitt weiter unten über «Summertime»).

Das Werk wurde von den schwarzen Musiker teilweise reserviert aufgenommen, beispielsweise Duke Ellington betitelte das Werk «Kunstmusik» und sprach der Musik die Ursprünglichkeit ab, «jeder Schwarze würde die Täuschung erkennen». Er sprach von «lampblack music», dem Ruß mit dem sich weiße Musiker die Gesichter schwärzten. Es muss bemerkt werden, dass Ellington die Aussage zehn Jahre später zurücknahm und mit Hochachtung von Gershwins Oper sprach und auch einige der Songs aus Porgy & Bess für sich arrangierte. Viele Stück aus Porgy and Bess wie etwa I Loves You, I Got Plenty o’ Nuttin’ oder Summertime sind zu Jazz-Standards geworden und alle großen Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts von Louis Armstrong zu Ella Fitzgerald und Miles Davis coverten Songs von «Porgy and Bess» und rehabilitierten damit Gershwin vollständig.

 

Oper oder Musical?

Gershwin selbst nannte sein Werk eine «amerikanische Volksoper». Er verwendete sowohl Formen aus der Oper, wie beispielsweise die Trennung in Arien und auskomponierte Rezitative,  er komponierte aber auch volksliedhafte Songs sowie Elemente des Musicals. Letzteres wurde Tin-Pan-Alley Stil genannt (nach der Broadway-Nebenstraße wo die Musikverlage ihren Sitz hatten), deren eingängigen Melodien als Dutzendware geschrieben wurden. Gershwin hat innerhalb von 15 Jahren 22 Musicals geschrieben, das berühmteste war „Lady, Be Good!“ aus dem Jahr 1924.

Gershwin studierte vor der Komposition von Porgy and Bess während vier Jahren  Unterricht beim renommierten Musiklehrer Schellinger, um die klassischen Formen sicher zu beherrschen. Mehr darüber erfahren weiter unten im Abschnitt «Todesfuge Nummer 2: Porgy tötet Crown».

Zur Zeit der Komposition war sich die New Yorker Metropolitan Opera der Bedeutung und der Einordnung dieses Werks bewusst und bemühte sich um die Uraufführung. Gershwin entschied sich aber für ein Broadway Theater um mehr Aufführungen der Urversion zu ermöglichen.

Natürlich provozierte die Vermischung der Genres Kritiker, aber das Werk wurde in der Folge und bis in die heutigen Tage sowohl in Musical-, wie auch in Opernhäuern gespielt und ist in beiden Genres akzeptiert.

 

Die Aufführungspraxis

Das Werk wird nicht in der Häufigkeit aufgeführt, welche es verdient hätte und nachgefragt würde. Der Grund liegt in der Komplexität der Produktion. Einerseits verfügten die Erben Gershwins, dass das Werk szenisch nur von schwarzen Künstler aufgeführt werden darf (die konzertante Version ist von dieser Regel ausgenommen) und andererseits ist das Casting extrem aufwändig und teuer, es verlangt nach 22 Solisten und beträchtlichem Chor. Ein Schicksal, welches die Oper mit einer anderen berühmten Volksoper, Boris Godunov, teilt.

 

 

Rassismus

Rassismus ist ein offensichtliches Thema, es wird in der Oper durch den Detective personifiziert. Als die Oper immer populärer wurde, hatten viele Schwarze Angst, dass die Handlung der Oper Vorurteile zementieren würde, wie zum Beispiel, dass Schwarze gewalttätig seien, in Armut lebten oder Drogen nähmen. Manch schwarzer Sänger und Schauspieler, auch prominente wie Harry Belafonte oder Sidney Poitier, lehnte es ab, Rollen wie Crown oder Sportin’ Life zu verkörpern, um nicht in eine Klischee-Falle zu treten und ihre Karriere zu gefährden. So kam die Oper in den Jahren der «Civil Right»- und «Black Power»-Bewegungen wegen angeblicher kultureller Stigmatisierung in die Kritik. Glücklicherweise konnte diese Krise in den siebziger Jahren überwunden werden, und die Oper konnte ihr Stigma ablegen.

Selbst die Truppe der berühmten 1952er Welttournee wurde mit Rassismus konfrontiert. Während die Sänger im Ausland gefeiert wurden, mussten sie auf Konzertreisen in den Vereinigten Staaten aus Rassentrennungsgründen  in verschiedenen Städten des Südens durch die Hintereingänge der Hotels eintreten und in Restaurants in deren Keller essen, weil Schwarzen das Betreten der öffentlichen Räumen untersagt war.

 

 

Musik und Leitmotive

Gershwin verwendet für die Oper exotische Instrumente wie Banjo, Marimbaphon und Röhrenglocken, um die Farbigkeit des Orchesters zu erhöhen. Er verwendete neben kirchlichen Formen wie Spiritual und Gospel, gängige Jazzformen wie Ragtime, Foxtrott, Blackbottom (wörtlich «schwarzer Hintern», einem Tanz mit kräftigen Beckenbewegungen) und Mambo. Die Musik ist, wie im Jazz üblich, geprägt von häufigen Taktwechseln, Jazzharmonik und Synkopen.

Gershwin nutzte für diese Oper ausgiebig die Technik der Leitmotivik. Verschiedenen Personen und Gegenständen hat er Leitmotive zugewiesen. In diesem Opernportrait haben Sie die Möglichkeit, eine Hand voll der Leitmotive kennenzulernen (beispielsweise diejenigen von Porgy und Sportin life).

 

 

Uraufführung und Rezension

Eine Vor-Premiere fand im September 1935 in Boston statt. Die Premiere folgte wenig später im Alvin Theater in New York. Während die Bostoner Aufführung umjubelt wurde, wurde die Broadway Produktion nach 124 Aufführung beendet, was unter Erwarten war und die Kosten nicht ganz deckte.

Einzelne Musiknummern wurden aber rasch populär, sodass Gershwin sie 1936 in einer Suite zusammenstellte um das Werk populär zu machen.

Die europäische Erstaufführung fand 1943 in Kopenhagen mit dänischen Sängern statt. Trotz des heftigen Widerstands der nationalsozialistischen Besatzungsmacht und Gestapo-Aktionen gegen die „jüdische Negeroper mit Urwaldgeschrei“ konnte Porgy and Bess insgesamt 22 Mal vor vollem Haus gespielt werden, bis sie erzwungenermaßen abgesetzt wurde. (Wikipedia)

Nach dem Krieg tourten schwarze Ensembles durch Europa und machten es populär (darunter die berühmteste Produktion von 1952 mit Leontyne Price). 1959 präsentierte eine Verfilmung die Oper einem Millionenpublikum.

 

 

 

 

 

PORGY AND BESS AKT I

 

 

 

Handlung: Charleston in den zwanziger Jahren. Die Catfish Row wurde von den Weißen verlassen. Nun leben arme Schwarze in den heruntergekommenen Häusern. In einem Haus sind Paare am Tanzen und Jasbo Brown sitzt am Piano.

Eine funkelnde orchestrale Einleitung führt nach einer Minute in einen Blues, den Jasbo Brown auf einem verstimmten Klavier spielt. Jasbo Brown war eine Blueslegende und Outsider aus New Orleans, der mit der Story eigentlich nichts zu tun hat. Er beginnt mit einem «laid-down» Blues, dessen Rhythmen allmählich akzentuierter werden und die Paare auf die Tanzfläche treiben. Die Rhythmen haben eine Ähnlichkeit mit dem Leitmotiv von Crown. Gershwin verweist so auf die Verwandtschaft dieser beiden Außenseitern.

Introduction, Jasbo Brown Solo  –  Rattle

 

Summertime, das berühmte Wiegenlied der Clara

Handlung: Neben der Tanzfläche steht Clara, die Frau des Fischers Jake. Sie singt ihrem kleinen Sohn ein Wiegenlied.

Summertime ist eines der schönsten Lieder, welches Gershwin je komponierte. Gershwin wusste, dass er mit diesem Song einen Hit landete und er verwendete ihn in mehrere Stellen von „Porgy and Bess“. Um die Authentizität der Musik sicherzustellen, verbrachte Gershwin einige Zeit in den Südstaaten, komponierte für die Oper aber alle Stücke selbst und verwendete nach eigenen Aussagen keine Volkslieder. Desto trotz wird «Summertime» gelegentlich in die Nähe zu einem Spiritual mit dem Namen «Sometimes I Feel Like a Motherless Child» gerückt. Ob Gershwin das Stück kannte ist nicht bekannt, und so bleibt die Verwandtschaft Spekulation.

Eine kurze Einleitung der Streicher mündet in die beruhigenden Klänge einer Klarinette und sanften Tönen des Glockenspiels im wiegenden 2/2 Takt eines Schlafliedes. Die berühmte Melodie ertönt, mit jazzigen Harmonien des Orchesters begleitet. Als die Melodie wiederholt wird, setzt eine Solovioline und ein Summ-Chor der Frauen ein. Der Chor ist in «piano» notiert und übernimmt die Harmonien des Orchesters und bleibt fast bis zum Schluss im Hintergrund. Die Solovioline ist sogar «pianissimo» notiert und dadurch nur schwach hörbar. Die Orchesterfarben werden immer reicher, schon bald stechen Englischhorn, Oboe und Flöte aus dem Orchester heraus.

Mit einem schönen Schlusseffekt beendet Gershwin dieses Stück: während die Singstimme das Schluss H hält, geht der Summ Chor in die Höhe. Die Singstimme nutzt dieses langanhaltende H mit weiteren Effekten wie Oktavsprüngen und Glissandi. Man schätzt, dass es über 25.000 Aufnahmen dieses Stück gibt, die meisten davon sind Cover Versionen von Jazz- und Pop Größen.

Wir hören Summertime in 2 verschiedenen Versionen:

Leontyne Price ist wahrscheinlich der Blueprint der Opern-Interpretation. Sie war ein Teil der Besetzung der 1952er Welt Tour, welches den weltweiten Durchbruch der Werks erzeugte. Die Aufnahme stammt aus der späteren 1963er RCA Aufnahme.

Summertime – Price

 

Ella Fitzgerald nahm den Song mit verschiedenen Größen der Jazz Musik auf, wie im folgenden Beispiel mit Louis Armstrong. Wir hören diese Interpretation mit Armstrongs Trompete in der ersten Strophe. Anschließend singen die beiden abwechselnd – Armstrong mit Schmirgelpapiersound und Fitzgerald mit klarer reiner Stimme – der Kontrast könnte nicht grösser sein.

Summertime – Fitzgerald

 

 

Die Würfelspielszene

Handlung: Die Männer sind auf der Straße beim Würfelspiel. Claras Kind bleibt unruhig und Jake versucht das Kind zu beruhigen. Da trifft Porgy ein. Er ist ein Krüppel, dem die beiden Unterbeine fehlen und sich mit Hilfe eine kleinen Wagens bewegt. Er hatte etwas Geld erbettelt und beteiligt  sich am Würfelspiel. Jemand erzählt, dass Crown bald komme. Als Porgy sich erkundigt, ob Bess bei Crown sei, wird er aufgezogen, ob er verliebt in sie sei.

In dieser Szene betritt Porgy zum ersten Mal die Bühne und es ertönt sein Leitmotiv (im Tonbeispiel gleich zu Beginn von den Streichern gespielt). Es ist ein nobles Motiv, das den großzügigen Charakter von Porgy beschreibt. In dieser Szene hört man gleich noch das Leitmotiv des Würfelspiels (Crap), es taucht auf bei 1:37 und ist verwandt mit Porgys Motiv, denn Porgy beschreibt sich selber als «Crap shooting idiot».

Here is he old crap shark … No, no brudder

 

 

Todesfuge Nummer 1: Crown tötet Robbins

Handlung: Der brutale Crown erscheint, begleitet von Bess. Die Leute mögen sie nicht, sie denken sie sei eine Hure. Porgy ist am Würfeln und beschwört sein Glück. Crown mischt sich ins Würfelspiel ein. Er ist betrunken und provoziert die Spieler. Als er Robbins des Falschspiels bezichtigt, kommt es zu einem Handgemenge der beiden, bei dem er Robbins mit einem Baumwollhaken ersticht. Crown flieht und lässt Bess zurück.

Mit Porgys «oh little stars» finden wir ein schönes kurzes Stück mit beinahe religiösem Charakter, bei dem Porgy sein Würfelglück beschwört. Anschließend entwickelt sich die Mordszene, die Gershwin mit einer unglaublich dramatischen und sprechenden Musik begleitet. Er wählte dazu die Form einer Fuge. Zu diesem Aspekt finden sie weiter unten beim Abschnitt zum Mord an Crown eine interessante Anekdote.

Oh little stars  –  White

 

 

Bess findet den Weg zu Porgy

Handlung: Bald wird die Polizei auftauchen, und alle verschwinden in ihre Häuser, einzig Bess findet keinen Unterschlupf. Niemand will sie aufnehmen. Der Drogenhändler Sporting gibt Bess etwas «happy dust» und bietet ihr an, sie nach New York mitzunehmen, doch Bess will nicht mitgehen. Da öffnet sich eine Tür und Porgy winkt ihr zu. Dankbar betritt Bess seine armselige Wohnung.

Gershwin schrieb eine schöne sinfonische Musik zur Szene bei der Bess eine Bleibe sucht (im Musikbeispiel ab 3:00).

Jesu, he’s killed him!… That you, Sportin’ Life?

Handlung: Am nächsten Morgen. Robbins Leiche liegt auf dem Bett im Hause seiner Frau. Auf seiner Brust ist ein Teller. Die Trauernden sind um das Totenbett versammelt und spenden für die Beerdigung. Als auch Porgy und Bess erscheinen, reagieren die Leute feindselig auf die Freundin des Mörders.

Ein schönes Spiritual mit Chor und Solisten.

He’s a-gone … Overflow  –  Rattle


 

Susannas ergreifende Trauer um ihren Mann

Handlung: Ein weißer Detektiv platzt in die Gruppe. Er sucht Zeugen und geht die Trauernden grob an. Weil alle behaupten, nichts gesehen zu haben, nimmt er aufs Geratewohl Peter in Beugehaft. Als die beiden weg sind trauert Susanna um ihren Mann Robbins.

Diese Trauerstelle gehört zu den Höhepunkten der Oper. Gershwin wendete ein Motiv mit der Abfolge Moll-Dur-Moll Akkord an, dessen Technik seither oft «kopiert» wurde. Die Nummer endet mit einem großartigen Ausdruck der Verzweiflung.

Wir hören diese Stelle in einer schönen Verfilmung von Trevor Nunn mit Cynthia Clarey. Eindrücklich ist nicht zuletzt der Schluss (ab 4:00).

My man’s gone now  –  Clarey

 

Auch dieser Song wurde von vielen berühmten Sängerinnen gesungen, darunter Ella Fitzgerald und Leontyne Price.  Wir hören Leontyne Prices große Stimme mit einer durch Mark und Herz gehende Interpretation.

My man’s gone now  –  Price

 

 

Handlung: Die Leichenbestatter erscheinen, das Geld reicht kaum für die Bestattung. Als die Leiche weg ist, stimmt Bess ein tröstendes Spiritual an.

Der Gospel-Song beschreibt blumig den Zug ins gelobte Land. Man hört förmlich den Zug rattern und pfeifen.

Oh, the train is at the station… Oh we’re leavin’ for the promise Lan’!!  –  Haymon

 

 

 

PORGY AND BESS AKT II

 

 

 

Handlung: In der Catfish Row. Die Fischer reparieren ihre Netze. Jake will trotz des rauen Wetters  mit dem Boot in die Fischbänke fahren. Er will genug Geld verdienen um seinem Sohn später den Besuch einer guten Schule ermöglichen.

Im Stile eines Arbeitsgesangs (Worksongs) mit Call und Response singt Jake mit den Fischern ein schönes Fischerlied.

Oh, I am getting to the Blackfish banks  –  Hubbard

 

 

Das unbeschwerte «I Got Plenty o’ Nuttin’»

Handlung: Porgy ist zufrieden. Er lebt mit Bess zusammen und preist sein freies Leben als Bettler.

Diesen bekannten Song schrieb Gershwin bevor er den Text hatte. Er wollte einfach einen unbeschwerten Moment kreieren. Sein Bruder Ira hatte dann die genialen Idee für den Titel «I Got Plenty o’ Nuttin’» (so viel wie «ich habe genügend nichts»).

Die Unbeschwertheit des besitzlosen Bettlers wird durch eine einfache Dur-Melodie und eine Begleitung durch das Banjo erzeugt. Mit der ersten Wiederholung der Melodie steigert Gershwin die Atmosphäre wie schon bei Summertime mittels Begleitung eines Summ Chores.

Wir hören das Stück aus der Glyndebourne Produktion von Simon Rattle, gesungen von dem britisch-jamaikanischen Bariton Willard White.

Oh, I got plenty o’nuttin  –  White

 

Der berühmte amerikanische Bariton Lawrence Tibbett sang den Porgy auf einer Plattenaufnahme, die von Gershwin persönlich begleitet wurde. In diesem Sinne kann seiner Interpretation eine hohe Authentizität bescheinigt werden. Erstaunlicherweise wurde er ausgewählt, obwohl der erste Bariton der Metropolitan Opera der dreißiger Jahre ein Weißer war. Das Tempo ist deutlich langsamer als sonst üblich.

Oh, I got plenty o’nuttin  –  Tibbett

 

Das Stück gehört zu den berühmtesten Stücken von Gershwin und wurde unzählige Male gecovert. Wir höhen eine Version von Frank Sinatra.

Oh, I got plenty o’nuttin  –  Sinatra

 

 

Handlung: Ein Winkeladvokat erscheint. Er bietet Bess an, sie für einen Dollar zu scheiden. Porgy ist bereit dafür zu bezahlen, obwohl Bess nie verheiratet war. Als ein Bussard vorbeifliegt, verdüstert sich Porgys Stimmung kurz, weil er den Vogel als schlechtes Omen deutet.

Buzzard keep on flyin (White)


 

Das Liebesduett – Bess, You Is My Woman Now

Handlung: Sporting Life ist zurückgekommen, um Bess zu holen, doch sie schickt ihn weg. Die Leute beschließen auf die Insel zum Picknick zu gehen. Porgy kann wegen seiner Behinderung nicht mit, Bess will bei ihm bleiben. Porgy überredet sie mitzugehen, um etwas Zerstreuung zu finden. Die beiden gestehen sich ihre Liebe und Bess schließt sich der Ausflugs-Gesellschaft an.

Gershwin schreib eine schwärmerische Melodie für das Liebesduett.

Bess, You Is My Woman Now (1) –  White / Haymon

 

Eine zweite schöne Version mit Leontyne Price und William Warfield.

Bess, You Is My Woman Now (2)  –  Warfield / Price

 

 

Die archaische Kittiwash Island Szene

Handlung: Auf Kittiwash Island. Alle vergnügen sich.

Statt sich am Sonntag mit frommen Gesängen zu stärken, bricht das Temperament der Menschen mit einem wilden Tanz durch. Trommeln im 5/4 Takt evozieren das Gefühl afrikanischer Stammestänze.

I ain’t got no shame doin’ what I like to do!

Gershwin hat auch Sportin’ Life, dem Mefistofele der Oper ein Leitmotiv gegeben. Es entspricht genau der Tonfolge des «It ain’t necessarily so». Es ist sehr chromatisch gehalten und verweist so auf dessen sinistren Charakter. Auch seine Handelsware,  das «happy dust» (Kokain),  hat ein Leitmotiv, das mit den Chromatismen Verwandtschaft mit seinem Motiv birgt.

Es ist ein klassischer Call & Response Song mit vulgärem Text, bei dem sich Sportin’ life lustig macht über die Bibelgesänge der Kirche.

Sehen und hören Sie eine coole Version mit Sammy Davis Jr.

It ain’t necessarily so  –  Davis

 

 

 

Bess trifft überraschend auf Crown

Handlung: Als sie abends zum Schiff zurückgehen, trifft Bess überraschend auf Crown, der sich auf der Insel versteckt hält. Mit einer Mischung von Gewalt und Überredungskunst zieht er sie in den Busch. Das Boot verlässt die Insel ohne Bess.

Gleich zu Beginn der Szene, wenn Bess die Anwesenheit von Crown bemerkt, hören wir Crowns Leitmotiv wiederholt in den tiefen Streichern. Später in dieser Szene kommen wir an einen interessanten Punkt. Als Crown sie zu dominieren versucht, hält sie mit den Worten «what you want wid Bess» gegen. Diese Passage (im Tonbeispiel ab 4:30) ertönt mit der Musik des Leitmotivs von Porgy. Weil Bess durch ihre Drogenabhängigkeit keine stabile Persönlichkeit hat, bekommt sie während der ganzen Oper kein eigenes Leitmotiv, sondern ihre Stärke hängt mit ihrer Beziehung zu Porgy zusammen. Bess ist verzweifelt, ihre Drogenabhängigkeit, der brutale Crown, der Mord an Robbins und ihre wachsende Liebe zu Porgy haben sie in einen Zustand höchster Fragilität gebracht, was Gershwin mit einem bluesigen Song dokumentiert, einem der emotionalen Höhepunkte dieses Werks. Aus diesem schönen Motiv von Bess entwickelt sich in der Folge ein beinahe romantisches Duett der beiden (bis 6.50).

Oh, what you want wid Bess

 

Zwei Genrebilder: die Geisterbeschwörung und die Händler

In den nächsten 2 Bildern malt Gershwin liebevoll schöne Alltags Szenen der Catfish Row.

Handlung: Am nächsten Tag geht Jake wieder zu See, das Wetter ist besser. Peter wurde mittlerweile aus dem Gefängnis entlassen. Aus dem Haus von Porgy hört man fiebrige Schreie von Bess. Sie ist nach 2 Tagen krank zurückgekehrt. Susanna geht zu ihr um sie gesund zu beten, das ist günstiger als den Arzt zu rufen.

Ein Sextett mit “Geisterbeschwörung”.

Oh, doctor Jesus, who done trouble water  –  Rattle

 

 

Handlung: Eine Erdbeerhändlerin preist ihre Früchte an. Der Honig Mann und der Krabbenmann stimmen ein.

Oh, dey’s so fresh an’ fine  –  Rattle

 

Handlung: Bess geht es wieder besser. Porgy weiß, dass sie Crown gesehen hat. Sie erzählt ihm, dass Crown sie nach dem Sommer holen will. Bess will bei Porgy bleiben und bittet ihn sie vor Crown zu beschützen.

Das Stück geht in der zweiten Hälfte in ein schönes Liebesduett über.

I wants to stay here  –   Haimon

 

 

Die Hurricane Szene

Handlung: Clara ist nervös. Das Meer ist unruhig und sie hat Angst. Ein Gewitter zieht auf und die Hurricane Glocken läuten. Alle sind in Serenas Haus versammelt und beten für die Fischer, dass sie heil nach Hause kommen mögen. Es klopft an die Tür. Die Abergläubischen Fischer glauben, dass es der Tod ist.

O dere’s somebody knocking at the door

 

 

Crowns großer Auftritt

Handlung: Es ist aber nicht der Tod, sondern Crown, der Bess holen will. Er verspottet die verängstlicht versammelten Fischer. Verächtlich stößt er Porgy weg, der sich schützend vor Bess gestellt hat.

Crowns cooler Song im Tin-Pan-Alley Stil, dessen Charme man sich nicht entziehen kann.

A red headed woman make a choo-choo jump its track  –  Baker

 

Handlung: Plötzlich sieht Clara in der Ferne, wie das Boot von Jake im Sturm kentert. Sie drückt Bess ihr Kind in den Arm und läuft zu den Booten. Niemand hat den Mut, sie mit einem Boot zurückzuholen. Einzig Crown macht sich auf den Weg sie mit einem Boot zu retten.

 

 

PORGY AND BESS AKT III

 

 

 

Handlung: Der Sturm hat sich mittlerweile gelegt. In der Catfish Row sind die Fischer versammelt. Sie trauern um Clara, Jake und weitere, die ihr Leben im Sturm verloren haben. Crown ist nicht aufgetaucht, doch Sportin Life ist sich sicher, dass er noch am Leben ist.

 

Todesfuge Nummer 2: Porgy tötet Crown

Handlung: Es wird Nacht und Bess hat Claras Kind im Arm. Crown schleicht sich in ihr Haus. Porgy hat ihm aufgelauert und ersticht ihn. Triumphierend zeigt er Bess Crowns Leiche und wirft sie auf den Platz.

Die Szene beginnt mit Bess’ Wiegenlied. Als Crown auftaucht, hören wir das hektische Würfelmotiv, das an die Mordszene beim Würfelspiel erinnert. Anschließend folgt die Mord-Szene, komponiert als rein instrumentale Passage. Dazu schrieb Gershwin interessanterweise eine Fuge. Dies hat eine spannende Bewandtnis: als reifer Musiker studierte Gershwin vor der Komposition von Porgy und Bess bei Joseph Schillinger, einem russisch-stämmigen, angesehen Musiklehrer. Schillinger hatte einen mathematisch-basierten Lehransatz entwickelt, bei dem Formen wie die Fuge eine wichtige Rolle spielten, die er seine Schüler üben ließ. Gershwin fand so großen Spaß an den Fugen-Übungen, dass er sie mit kindlicher Freude in die Oper übertrug. Als Schillinger erkannte, dass Gershwin die Übungen für seine Oper verwandte, bestand er zeitweise auf einer Mitautorschaft, was natürlich lächerlich war. Die Fuge der Mordszene beginnt mit dem Motiv des Würfelspiels. (2:12)

Summertime an’ the living is easy

 

 

Sporting life verführt Bess

Handlung: Der Detective erscheint mit dem Leichenbeschauer. Sie gehen zu Porgy und verlangen von ihm, dass er die Leiche identifiziert. Porgy ist aufgewühlt, er kann Crown nicht ins Gesicht schauen.  Er weigert sich und wird abgeführt. Bess ist verzweifelt und Sporting Life bietet ihr an ihn nach New York zu begleiten. Als sie ablehnt, drängt er sie, Rauschgift zu nehmen. Bess, die schon einmal süchtig war, verfällt wieder den Drogen und verlässt willenlos mit ihm den Ort.

Mit süßlicher Musik versucht Sporting Life Bess zu überzeugen, mit ihm nach New York zu gehen. Als Bess ihn schroff abweist, packt der Dealer das Kokain aus der Tasche. Diesen Moment hat Gershwin musikalisch ungemein dramatisch untermalt, sein Leitmotiv erscheint in gehetztem Tempo in den Streichern (im Musikbeispiel 2:47).

There is a boat dat’s leavin’ soon for New York  –  Evans / Haymon

 

 

John W. Bubbles, der erste Sporting Life

“Obwohl Bubbles nicht in der Lage war, Musik zu lesen, wurde er von George Gershwin ausgewählt, um 1935 in seiner Oper Porgy and Bess die Rolle des Sportin’ Life zu spielen. Da er nicht lesen konnte und die Musikpartitur nicht verstand, verbrachte Gershwin die Zeit damit, sie ihm als Stepprhythmus beizubringen. Bubbles verursachte einige Probleme, weil er oft Rhythmen erfand, die zu Verwechslungen mit anderen Mitgliedern der Besetzung führten. Bubbles führte die Rolle in den nächsten zwei Jahrzehnten gelegentlich auf. 1963 führte er in einer Studioaufnahme von Porgy and Bess mit Leontyne Price und William Warfield die beiden Hauptarien von Sportin’ Life aus der Oper auf, “It Ain’t Necessarily So” und “There’s A Boat Dat’s Leavin’ Soon’ Soon For New York”. Wir hören daraus die letztere.

There is a boat dat’s leavin’ soon for New York  –  Bubbles / Price

 

 

Porgy kommt zurück und findet Bess nicht vor

Handlung: Als Porgy eine Woche später aus der Untersuchungshaft zurückkommt, begrüßen die Fischer den glücklichen Bettler.

Good mornin’, sistuh

 

Handlung: Er hat für alle Geschenke mitgebracht und erzählt, dass er sich geweigert hatte Crown ins Gesicht zu blicken. Als er nach Bess fragt, sind alle beklemmt. Maria empfiehlt ihm Bess zu vergessen. Porgys Verzweiflung wächst.

Ein Terzett von Porgy mit Maria und Serena

Where’s Bess … My Bess! I want her now

 

Handlung: Sie erzählen ihm von ihrem Schicksal. Porgy will Bess nicht vergessen. Er packt seine wenigen Habseligkeiten und macht sich auf den Weg nach New York.

Oh Lawd, I’m on my way

 

Porgy and Bess ist eine Oper der unerfüllten Träume. Von den 8 Hauptpersonen sterben vier (Robbins, Jake, Clara und Crown) und drei verlassen die Catfish Row (Sportin’ life, Bess und Porgy). Lediglich Serena bleibt zurück. Trotzdem haben die Bewohner die Zuversicht in Gott nicht verloren und das Werk schließt mit einem großen Choral.

 

Aufnahme Empfehlung

EMI mit Willard White, Cynthia Haymon, Harolyn Blackwell, Damon Evans und Gregg Baker, unter der Leitung von Simon Rattle und den London Philharmonic Orchestra und dem Glyndebourne Chorus.

 

 

 

 

Peter Lutz, opera-inside, der online Opernführer zu PORGY AND BESS von George Gershwin.

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