Online Opernführer & Handlung zu Charles Gounods FAUST
Gounods Faust gehört zu den ganz grossen Opern. Es ist ein Meisterwerk mit vielen berühmt gewordenen Stücken. Die Rolle der Margarethe gehört zu den schönsten und anspruchsvollsten Partien der Opernliteratur.
Inhalt
♪ Handlung
♪ Akt I (Studierzimmer Szene)
♪ Akt II (Kirmes Szene)
♪ Akt III (Garten Szene, Liebes Szene)
♪ Akt IV (Spinnrad Szene, Kirchen Szene, Duell Szene)
♪ Akt V (Walpurgis Nacht, Kerker Szene)
Höhepunkte
♪ Faites-lui mes aveux (Blumen Arie)
♪ Salut, demeure chaste et pure
♪ Ah! je ris de me voir (Juwelen Arie)
♪ Déposons les armes (Soldaten Chor)
♪ À l’étude mon maitre (Terzett Finale)
ROLLEN & HANDLUNG VON FAUST IN 4 MINUTEN
URAUFFÜHRUNG
Paris, 1859
LIBRETTO
Jules Barbier, Michel Carré, basierend auf Goethes gleichnamigen Roman.
HAUPTROLLEN
Faust, ein Gelehrter (Tenor) - Mefisto, Teufel (Bass) - Margarethe, eine junge Frau (Sopran) - Valentin, Bruder der Margarethe (Bariton) - Siebel, ein junger Mann (Sopran) - Marthe, Nachbarin von Margarethe (Mezzosopran).
AUFNAHME EMPFEHLUNG
WARNER BROTHERS mit Cheryl Studer, Richard Leech, Thomas Hampson und José van Dam unter der Leitung von Michel Plasson und dem Orchester und Chor des Capitole von Toulouse und dem Chor der französischen Armee.
KOMMENTAR
Das Thema des Dr. Faustus
Die Legende des Dr. Faust stammt aus dem Mittelalter und wurde von verschiedenen Schriftstellern in Literatur gegossen und von vielen Komponisten in Töne gesetzt. Man denke nur an Berlioz Sinfonische Dichtung oder Boitos Oper Mefistofele. Die bekannteste literarische Vorlage ist diejenige von Goethe. Er vollendete seinen Faust 50 Jahre vor der Uraufführung von Gounods Werk.
Zwischen französischer grand opéra und deutschem Tiefgang
Barbier, der eine Librettist des Faust, hatte sein Libretto schon zuvor Meyerbeer angeboten. Doch dieser hatte abgewinkt, mit der Begründung dass der Faust ein Heiligtum sei, das nicht mit profaner Musik entweiht werden sollte.
Die Handlung von Gounods Faust ist in den groben Grundzügen vergleichbar mit der Goethes, ohne aber den philosophischen und wissenschaftlichen Tiefgang der literarischen Vorlage zu haben, was dem Werk öfters den Vorwurf der Oberflächlichkeit einbrachte. Gounods Faust wurde in den Jahrzehnten des vergnügungssüchtigen Paris vor dem deutsch-französischen Krieg geschrieben. Der Faust von Gounod ist kein Mann der nach Weltverstehen strebt, sondern auf Mephistos Frage wonach er strebe, die Genüsse der Liebe erwähnt. («A moi les plaisirs, les jeunes maîtresses!»). Für Gounod war die Tragödie der Gretchen die wichtigere Geschichte, und er stellte sie ins Zentrum seines Werks. Letztendlich ist es eine schöne französische Oper, mit der Intention nicht zu viel Ballast des literarischen Vorbilds mitzuschleppen. Im deutschen Opernbetrieb wird diese Oper oft «Margarethe» genannt um sie von Goethes Faust abzugrenzen.
Die Aufnahme des Werkes
Die Proben zu der Uraufführung 1859 waren nervenaufreibend. Gounod litt einerseits unter dem diktatorischen Theaterdirektor Carvalho, der gleichzeitig auch Regisseur war. Zudem sang dessen Frau die weibliche Hauptrolle. Als ob das noch nicht genug wäre, musste er laufend Musik streichen, selbst am Tag der Generalprobe, war die Oper mit 4 Stunden noch immer zu lang. Ein Beobachter, der diese Szenen später schilderte war Jules Massenet, der dies als Pauker des Orchesters hautnah miterlebte. Der Oper war zuerst nur ein mäßiger Erfolg beschieden, fand aber bei den Kritikern viele Komplimente. Der Erfolg begann in den folgenden Jahren in Deutschland. Nach einer Überarbeitung für die Grand Opéra begann der Welterfolg. In den Jahren zwischen den Weltkriegen wurde die Oper sogar zu der meistaufgeführtesten Oper. Nach dem Krieg fiel sie an vielen Orten aus dem Repertoire und brauchte einige Jahrzehnte, bis sie wieder häufiger aufgeführt wurde.
So gibt es von Faust in zwei Versionen. Die Urversion wurde für das Théatre lyrique geschrieben und die moderne Version adaptierte Gounod 10 Jahr später für die Grand Opéra. Neben dem Ausbau der Ballettszenen wurden die Rezitative statt gesprochenen, neu gesungene und vom Orchester begleitetet. Trotzdem ist Faust keine klassische Oper der «Grand Opéra» geworden. Es fehlen (glücklicherweise) die üblichen überdimensionierte Chorszenen, Gewittermusiken und komplizierte weltpolitische Auseinandersetzungen.
FAUST AKT I
Die Ouvertüre
Im ersten Teil der Ouvertüre herrscht eine mysteriöse und düstere Stimmung vor. In der zweiten Hälfte präsentiert uns Gounod zwei prächtige Themen aus der Oper (eines davon treffen wir in der Arie des Valentin des 2. Aktes an), die im Glanz des Orchesters ertönen und die Ouvertüre klingt nachdenklich aus.
Ouvertüre – Binder / Wiener Philharmoniker
Rien!
Handlung: Faust sitzt im Studierzimmer. Vor sich hat er unzählige Bücher und Atlanten. Rien! Er ist verzweifelt, denn er hat viele Wissen gesammelt und doch wenig Weisheit erlangt. Er ist der ständigen Suche nach dem Lebens Sinn überdrüssig. Der Giftbecher ist schon gemischt. Als er ihn zum Mund führt, hört er den Gesang junger Frauen und Landleuten.
Gounod kürzt die Geschichte Goethes ab. Mit einem grandiosen «Rien» fasst er den ersten Abschnitt des Fausts in einem Wort zusammen (Mefistos Wette mit Gott).
Rien! En vain j’interroge, en mon ardente veille – Kraus
Handlung: Der Gesang lenkt ihn ab. Doch bald schon hat er den Giftbecher wieder in der Hand. Liebe, Glück und Ruhm haben ihn verlassen. Einen letzten Versuch würde er wagen, selbst mit Satans Hilfe. Der erscheint tatsächlich in der Person von Mefisto. Er fragt Faust, wieso er ihn gerufen habe. Faust weist ihn ab. Mefisto hakt nach: ist es Gold oder Ruhm das er sich wünscht? Da erklärt sich Faust: Die Liebe ist es, was er vermisst. Diesen Wunsch könne Mefisto ihm erfüllen. Auf Fausts Frage, was er dafür will, antwortet er, sein Diesseits solle Faust gehören, aber im Jenseits gehöre seine Seele ihm.
In der nächsten Szene hören wir den Auftritt von Mefisto, der mit einem Knall plötzlich vor dem verdutzen Faust steht und ihn befragt nach was er strebt.
Me voici! D’où vient ta surprise? – Björling / Siepi
Mefistofele‘s Vision von Margarete
Handlung: Mefisto lässt Margarethe am Spinnrad als Vision erscheinen. Faust ist gebannt und entzückt. Schnell unterschreibt er Mefistos Papier und er erhält dafür einen Verjüngungstrank, den er gierig trinkt. Faust triumphiert und besingt seine Jugend.
Ein wunderschönes Stück Gounods mit einem schönen kompositorischen Effekt : als Faust die Vision Gretchens empfängt wird der jubelnde Refrain (« à moi les plaisirs ») mehrmals wiederholt, jeweils einen halben Ton höher, was einen ekstatischen Sog ergibt (ab 5 :00)
A moi tes désirs, A moi ton ivresse, A moi tes plaisirs – Leech / van Dam
Eine zweite Interpretation mit Björling und Siepi. Sie besticht durch das Feuer und die Ekstase. Die Aufnahme leidet etwas unter der schlechten Qualität einer Live-Aufzeichnung.
O merveille … a moi les plaisirs, Les jeunes maîtresses! (!)
FAUST AKT II
Valentin muss in den Krieg ziehen
Handlung: Eine Kirmes in der Stadt. Valentin muss in den Krieg ziehen. Er trinkt und schaut nachdenklich ein Amulett seiner Schwester Margarethe an, dass sie ihm als Glückbringer geschenkt hat. Siebel und Wagner sehen ihn und fragen, wieso er bedrückt sei. Valentin antwortet, dass er Gretchen schutzlos zurücklassen muss. Siebel anerbietet für sie zu schauen. Valentin dankt ihm, jetzt könne er beruhigt zur Armee.
Die Arie des Valentin wurde eines der beliebtesten Stücke für Baritone und wird oft in Recitals gesungen. In der ersten Fassung der Oper war diese Arie noch nicht enthalten. Erst nachdem der Bariton einer Londoner Inszenierung von 1865 sich beschwerte, dass Valentin keine schöne Arie habe, fügte Gounod dieses Stück ein. Dabei nahm er ein Thema aus der Ouvertüre und machte daraus diese schöne Arie.
Diese Arie war eine der Schlachtrösser Hvorostovskys. Er singt den Schluss effektvoll mit langer und hoch gesungener Schlussnote.
Avant de quitter ces lieux – Hvorostovsky
Robert Merrill hatte eine üppige, farbige Stimme die in diesem Stück wunderbar zur Geltung kommt.
Oh sainte médaille … Avant de quitter ces lieux – Merrill
Mefistofeles bombastischer Auftritt – le veau d’or, das goldene Kalb
Handlung: Wagner versucht ihn aufzumuntern. Mefisto taucht auf, gesellt sich zu den drei Freunden und behauptet, dass Gold die Welt regiert.
Dieses Stück ist ein Element der Opera Comique. Wenn man Goethes Faust vor Augen hat, mutet es seltsam an, dass gerade der Teufel in dieser Oper eine Buffo Arie singen muss. Vielleicht ist diese Trivialisierung einer der Gründe, dass diese Oper in deutschsprachigen Ländern immer noch nicht denjenigen Erfolg gehabt hat, wie in den englisch-sprachigen Ländern.
Die Musik beginnt mit einem Orchester Fortissimo und dem triumphalen Auftritt des Mefisto. Seine Beschreibung der Menschen, die ums goldene Kalb tanzen, muss mit sarkastischem Ton gesungen werden. Das Stück ist kurz und doch anspruchsvoll für den Sänger, der die Nuancen dieser Arie über den «Lärm» des Orchesters tragen muss.
Wir hören eine bombastische Inszenierung aus der Wiener Staatsoper. Ruggiero Raimondi war ein exzellenter, beeindruckender Darsteller, der mit einem beeindruckenden, mächtigen Klangorgan ausgestattet war.
Le veau d’or est toujours debout! – Raimondi
Handlung: Als Wagner ihn begrüßen will, schaut Mefisto dessen Handlinien an und prophezeit ihm, dass er beim nächsten Angriff sterben wird. Siebel prophezeit er, dass jede Blume, die er von nun an anfassen wird, verwelken wird. Anschließend preist er mit höhnischen Worten die Schönheit Margaretes. Als Valentin ihren Namen hört, geht er mit seinem Schwert auf Mefisto los um ihn zu bestrafen. Sein Schwert prallt an Mefisto ab, eine magische Macht schützt den Teufel und Valentins Schwert zerbricht. Der Satan persönlich! Als einzig mögliche Verteidigung bilden Valentin und seine Freunde mit ihren Schwertern ein Kreuz. Mefisto weicht zurück.
Ein schönes, choralartiges Stück schließt diese Szene effektvoll ab.
Chor der Schwerte – Blanc / Autron / Bertan
Faust sieht Margarete
Handlung: Die drei Freunde verlassen den Platz. Faust taucht auf und erinnert Mefisto an sein Versprechen. Dieser lässt Frauen auftreten und fordert Faust, auf seine Wahl zu treffen. Doch Faust besteht auf der Person, die er gesehen hat – Margarete. Sie taucht bald schon in Begleitung von Siebel auf. Mefisto verscheucht den Begleiter und Faust spricht Margarete an. Doch sie weist ihn ab, was Faust nicht entmutigt, sondern ihn noch mehr anstachelt. Der Platz füllt sich wieder mit Leuten.
Die Musik dieser Szene ist unter dem Namen «Faust-Waltzer» bekannt geworden.
Ainsi que la brise légère – Met Opera
FAUST AKT III
Der berühmte dritte Akt
Der dritte Akt ist der gewichtigste Akt dieser Oper. Er dauert in der Regel etwa eine Stunde und ist eine Abfolge von großartigen Bildern.
Handlung: Siebel ist im Garten in der Nähe von Margaretes Haus. Er ist verliebt in Margarete und will für sie Blumen pflücken. Doch kaum in der Hand verwelken sie. Als er seine Hand in den Weihwasser Topf legt hat er den Bann gebrochen und die Blumen welken nicht mehr. Er legt einen Strauss vor Margaretes Tür.
Siebel ist eine sogenannte Hosenrolle und wird von einer Frau gesungen. Die Blumenarie ist eines der vielen Stücke dieser Oper, die populär geworden ist. Die amerikanische Mezzo Joyce di Donato singt in der folgenden Interpretation ein großartiges Rollenportrait.
Faites-lui mes aveux – Di Donato
Faust grosse Arie « Salut! demeure chaste et pure »
Handlung: Faust taucht im Garten in Begleitung von Mefisto auf. Mefisto geht ab, um ein Geschenk für Margarete beschaffen. Derweil ist Faust alleine und seine Vorfreude auf das Wiedersehen mit Margarete ist groß.
Ein Merkmal dieser berühmten Arie ist, dass der Tenor von einer Solo Violine begleitet wird, die während des ganzen Stücks seine Stimme umspielt. Berlioz meinte, dass dieser Kunstgriff Gounods «viel eher schade, als dass es dem Ganzen dienlich sei, und ich glaube, der Sänger Duprez hatte recht, der eines Tages, als ein Instrumentensolo im Orchester ihn bei einer Romanze begleitete, sagte: Dies Teufelsinstrument mit seinen Läufen und Variationen irritiert mich wie eine Fliege, die mir um den Kopf surrt und sich auf meine Nase setzen will. »
Conde hielt dem entgegen, dass Gounod mit der Violine das ausspricht, was die Worte nur zur Hälfte sagen konnten (« ce que les mots ne disent qu’à demi »)
Fausts’ Worte sind spirituell und expressiv. Worte wie « innocente et divine » oder « Que de richesse » geben dem Sänger die Gelegenheit die Subtilität und Reichhaltigkeit seiner Stimme zu zeigen. Die Intensität steigert stetig sich bis zum klimaktischen Höhepunkt der Arie mit dem spektakulären hohen C, welches geschmackvoll gesungen werden sollte und auf keinem Fall grob und Beifall erheischend gestaltet werden darf, was die Stimmung dieses Stücks zerstören würde. Das Stück klingt im Adagio wunderschön mit der Solo Violine aus.
Wir hören diese Arie in zwei Aufnahmen.
Björlings Interpretation ist vielleicht unschlagbar. Er hat diese Arie wiederholt aufgenommen. In dieser Aufnahme sehen wir ihn in einer Fernsehproduktion. Wir vermerken zu Beginn einen unsicheren Blick, doch dann betört Björling den Zuhörer von der ersten Sekunde an. Er verwandelt sich in einen zärtlichen, romantischen Liebhaber. Sein Singen und Spielen ist von großer Natürlichkeit, genauso wie das hohe C des Schlusses. Diese Performance ist und war neben Carusos Interpretation die Blaupause für alle Tenöre die nach ihnen folgten.
Salut, demeure chaste et pure – Björling
Caruso, der eine eher baritonale Stimme hatte, bekundete zu Beginn seiner Karriere Mühe mit hohen Tönen. «Als er seine ersten Aufnahmen machte war dieses Problem jedenfalls behoben, wie die prachtvolle Aufnahme von “Salut, demeure chaste et pure” zeigt, die er im Februar 1906 sang und in der die Verschmelzung des Lyrischen mit dem Heroischen sehr schön zu hören ist: “Aus einem zarten Mezza voce entwickelt, blüht die Stimme immer mehr auf und entfaltet sich auf einem prachtvollen hohen C, das keine Anzeichen einer mühevollen Plage macht. » (Fischer, große Stimmen)
Salut, demeure chaste et pure – Caruso
Margaretes Wechselbad der Gefühle
Handlung: Mefisto ist zurück und trägt eine Schachtel mit Schmuck unter seinem Arm. Er legt sie neben den Blumenstrauß Siebels und schiebt diesen weg. Faust hat nun Gewissensbisse wegen Margaretes Keuschheit, doch Mefisto wischt sie weg. Faust entfernt sich vom Haus und beobachtet das Geschehen aus Hördistanz. Margarete erscheint in nachdenklicher Stimmung, sie denkt wehmütig an ihre verstorbene Mutter und Schwester. Sie setzt sich ans Spinnrad und singt die Ballade vom König von Thule. Sie erinnert sich an den jungen Mann, den sie auf dem Markplatz gesehen hatte. Wer mag er wohl gewesen sein? Er hat ihr gefallen, sie war aber zu schüchtern, um mit ihm zu sprechen.
Das neunte Bild des dritten Akts ist mit zwei Höhepunkten der Oper bestückt. Margarete singt zuerst die Ballade des Königs von Thule und anschließend die berühmte Juwelenarie.
In der Arie « il était un roi de Thulé » paraphrasiert Gounod das Stück aus Goethes Faust. Thule ist eine Insel in arktischen Meer, vielleicht Island, wo eine Frau melancholisch über Trauer, Tod und ewige Liebe singt. Margarete hat ihre Mutter und ihre kleine Schwester verloren. Nun ist ihr Bruder im Krieg, den sie vielleicht nie mehr wieder sehen wird und fühlt sich einsam.
Callas hat die Melancholie des Stücks wunderbar eingefangen. Sie kann die verschiedenen Stimmungsveränderungen, durch die Margarete in dieser Arie durchgeht, stimmlich eindrücklich festhalten.
Il était un roi de Thulé – Callas
Margarete sieht den Schmuck – die berühmte Juwelenarie
Handlung: Margarete sieht Siebels Blumenstrauß und nimmt ihn in die Hände. Als sie die Schmuckschachtel sieht, lässt sie den einfachen Strauß fallen. Fasziniert probiert sie den Schmuck an. Nun fühlt sie sich wie eine Prinzessin. Wäre der Fremde doch jetzt bei ihr und könne sie sehen.
Dieses Stück verlangt das Stimmfach eines lyrischen Koloratursoprans. Der Großteil der Oper ist für einen lirico-spinto, einen dramatischen Sopran geschrieben, der die gesamte Gefühlsklaviatur glaubhaft darstellen kann: Sie muss die Unschuld der jungen Frau darstellen, danach die Geliebte des Faust sein, anschliessend die gläubige Kirchengängerin, später die tragisch Verlassene und schlussendlich die Wahnsinnige, Eingekerkerte darstellen. In dieser Arie kommt jetzt noch die mit Verzierung gespickte Musik der koketten jungen Frau hinzu.
Diese grosse Anforderungspalette macht die Margarete zu einer der anspruchsvollsten Rollen der Opern-Literatur und ist dementsprechend schwer zu besetzen. Der berühmte britische Sängerkritiker John Stean schrieb 1971 dass in der durch Schallplatten dokumentierten Geschichte nur vier Sängerinnen dieses gesamte Gesangsspektrum abdecken konnten: Lili Lehmann, Rosa Ponselle, Maria Callas und Montserrat Caballé. Von zwei dieser Sängerinnen gibt es Aufnahmen dieser Oper.
Wir hören die Interpretation in 2 Aufnahmen. Zuerst Angela Gheorghiu und anschließend die zitierte Maria Callas.
Mit großartiger, vergnügter Spiellust und schöner Stimme hören wir zuerst Angela Gheorghiu.
Ah! je ris de me voir – Gheorghiu
Als zweites Maria Callas. Fantastisch welche stimmliche Nuancen sie aus der Arie holen kann. «Wenn je die von Gounod verlangte Einheit von Diktion und Deklamation, feiner Wortnuancierung und Eloquenz des Vortrags nach dem Krieg wieder erreicht wurde, dann in dieser Aufführung» (Kesting).
Ah! Je ris de me voir – Callas
Mefistos Trick und das grosse Quartett
Handlung : Ihre Nachbarin Marthe erscheint und bewundert die mit Juwelen geschmückte Margarete. Als sie miteinander plaudern, erscheinen Faust und Mefisto. Um Marte von Margarete wegzulocken, erfindet Mefisto die Geschichte, dass er komme um ihr zu berichten, dass ihr Mann gestorben sei. Bald schon macht er ihr den Hof, denn sie brauche jetzt doch einen neuen Gatten. Marthe fühlt sich geschmeichelt und geht mit ihm auf einen Spaziergang. Faust und Margarete sind jetzt allein. Margarete erzählt von sich, sie sei ganz allein. Mutter und Schwester sind gestorben und ihr Bruder sei im Krieg.
Aus dieser Szene entwickelt sich ein schönes Quartett. Die Orchestrale Begleitung ist wunderschön und reich instrumentiert.
Prenez mon bras un moment – Gedda / de los Angeles / Christof / Michel
Das grosse Liebesduett von Faust und Margarete
Handlung : Mefisto verlässt Marthe und zaubert für die beiden Liebenden eine romantische Nachstimmung.
Berlioz äußerte sich sehr positiv über Gounods Faust. Er erwähnte speziell diese Szene: «Ich wüsste nicht zu sagen, was schöner ist, die süße Harmonie des Gesanges oder die verschleierte Orchestration der Begleitung. Dieser poetische Dämmerton, dieser musikalische Mondschein, welcher den Zuhörer umschmeichelt, ihn nach und nach berückt und bezaubert und ganz erfüllt von einer Erregung, die sich bis zum Schlusse stets steigert, ist bewunderungswürdig. Und diese prachtvolle Seite wird noch gekrönt durch Margaretes Monolog am Fenster. Die Leidenschaft des Mädchens bricht hier zum Schlusse mit ungestümer Macht und packender Beredsamkeit hervor. Und dies glaube ich, ist das Meisterstück der Partitur.»
Il était temps! .. O nuit d’amour – Gedda / de los Angeles
Wir hören Jussi Björling in dieser Szene mit einer wunderschönen Stimme mit wunderschönem Ton.
Il était temps! .. O nuit d’amour – Björling / Kirsten
FAUST AKT IV
Margaretes Tragödie
Handlung: Monate später. Margarete erwartet ein Kind. Faust hat sie verlassen. Sie ist dem Spott der Dorfbewohner ausgesetzt. Sie sehnt ihn zurück, doch im Innern weiß sie, dass er nicht zu Ihr zurückkehren wird.
Wir hören diese Elegie der Margarete begleitet von schönen schwebenden und schwirrenden Streicherklängen.
Ils ne sont plus là!… Il ne revient pas! – Benackova
Handlung: Siebel erscheint. Er gesteht ihr seine Liebe und will sie rächen. Sie dankt ihm dafür, sie habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er wiederkommt. Sie macht sich auf den Weg in die Kirche, um für seine Rückkehr zu beten.
Dieses dankbare, tröstende Lied ist ein schöner Ruhepunkt der Oper.
Versez votre chagrin – Mentzer / Fassbänder
Die dämonische Kirchen Szene
Handlung: Im Gottesdienst hört sie über den Chören immer wieder die Stimme Mefistos, und sie fällt in Ohnmacht.
Gounod hatte eine enge Beziehung zur Kirche. Als junger Mann spielte er längere Zeit mit dem Gedanken Priester zu werden. Er besuchte das theologische Seminar und trug ein Priestergewand. Zuvor war er schon sechs Jahre lang Organist und Chorleiter einer Kirche. Gounod stand Zeit seines Lebens zerrissen zwischen Weltlichkeit und Kirche und konnte diesen Spagat nie richtig auflösen. Dies führte während der Komposition des Faust zu einer nervlichen Krise, und er musste für kurze Zeit in eine Klinik eingewiesen werden.
Die Kirchenszene mit dem Teufel ist von der Anlage und von der Musik her sprichwörtlich teuflisch und unheimlich dramatisch. Wir hören eine Aufnahme mit den exzellenten Interpreten Jose van Dam und Cheryl Studer.
Seigneur, daignez permettre à votre humble servante – Studer / van Dam
Handlung: Krieg ist fertig.
Dieses Chorstück mit Ballett ist wurde eines der bekanntesten Stücke dieser Oper, der sogenannte Soldaten Chor.
Déposons les armes – Plasson
Mephistos spöttische Serenade
Handlung: Valentin kehrt ins Dorf zurück. Er hat von der Schande seiner Schwester gehört und will sie zur Rede stellen. Auch Faust hat sich zu Margaretes Haus aufgemacht, denn ihn plagt das schlechte Gewissen. Mefisto begleitet ihn und singt spöttisch eine Serenade für Margerete, die er Catherine nennt.
Diese Arie des Teufels sollte im französischen Stil gesungen werden, also nicht diabolisch-hässlich, sondern elegant-amüsiert. Die Lacher dieser Arie sind in Opern-Geschichte geworden.
Vous qui faites l’endormie – Furlanetto
Nicht nur für Geschichts-Interessierte lohnt es sich einen Blick auf eine legendäre Aufnahme von Fjodor Schaljapin zu werfen. Dieser Russische Sänger, 1873 nahe der Tartaren Stadt Kasan geboren, wurde auch schon der größte Bass der Geschichte genannt. Ob er es war, ist schwierig zu beurteilen. Auf jeden Fall war er der Einflussreichste. Viele Rollenportraits sind auch heute noch von ihm beeinflusst. Zu Schaljapins Mefisto meinte Fischer (Große Stimmen): «Bei der Serenade scheint jeder Ton aus einem anderen Loch zu kommen, und allein die Variationen des teuflischen Lachens könnten schon als Lehrmaterial für ganze Generationen dienen.» Tatsächlich lohnt es sich die Aufnahme nur schon wegen den diversen teuflischen Lachern zu hören.
Vous qui faites l’endormie – Schaljapin
Das tödliche Duell
Handlung: Valentin tritt zu den beiden hinzu. Er will Genugtuung und fordert Faust zum Duell auf. Er verflucht das Medaillon, das ihn im Krieg beschützt hat und wirft es weg. Er steht mit dem Degen Faust gegenüber. Als die beiden kämpfen, stirbt Valentin durch einen hinterhältigen Hieb von Mefisto. Die Menschen versammeln sich im Dorf. Margarete kommt auch dazu.
Par ici, mes amis! on se bat dans la rue! – Araiza / Raimondi / Görngross
Handlung : Im Sterben verflucht Valentin seine Schwester und verspricht ihr ein Leben in Schande bis zu ihrem Tod.
Ecoute moi bien …Ce qui doit arriver arrive à l’heure dite! – Merrill
FAUST AKT V
Mefisto führt Faust zur Walpurgis Nacht
Handlung: Mefisto hat Faust ins Gebirge geführt. Mit einer wilden Hexen-Orgie will er den Unglücklichen von seinem Kummer ablenken.
Sehen Sie ein klassisches Ballett mit der wunderschönen Musik der Walpurgis Nacht aus russischer Produktion.
Walpurgis Nacht – Maximova/Yagoudin/Vlasov
Das zweite grosse Liebes Duett Fausts und Margaretes
Handlung: Faust und Mefisto suchen Margarete im Kerker auf. In ihrem Kummer hat sie ihr Kind getötet und sitzt in geistiger Umnachtung in einer Zelle. Als sie Fausts Stimme hört, erwacht sie noch einmal. Faust schwört ihr seine Liebe.
Ah! c’est la voix du bien aimé!… Oui, c’est toi que j’aime – Studer / Leech
Das grandiose Terzett der Kerker-Szene
Handlung : Faust will mit ihr fliehen. Die Zeit drängt, denn die Hinrichtung erfolgt am Sonnenaufgang. Doch Margarete hört ihn nicht mehr, sie ist abermals dem Wahnsinn verfallen. Als Mefisto auftaucht, erkennt sie in ihm ihren Dämonen. Sie weist die beiden weg und stirbt. Mefisto ruft «Gerichtet» aber himmlische Chöre erschallen und rufen: «Gerettet». Mefisto wird durch den Erzengel gerichtet.
Dieses Terzett ist eine der schönsten Stellen der Oper. Nimmt man vergleichbare Szenen aus anderen Werken als Maßstab (zB. die Kerkerszene des Trovatore oder von Werken der Grand Opéra), so erstaunt die Kürze dieser Stelle. Gounod komponiert diese Stelle kompakt und dramatisch. Der Refrain «Anges pures, anges radieux» wird mehrmals wiederholt, immer einen halben Ton höher, was einen unheimlich dramatischen Effekt auslöst.
In der anschließenden grossen Apotheose mit Chor richtet der Erzengel den Teufel.
Wir hören diese Schluss-Szene in 3 Interpretationen.
Wir beginnen mit der Aufnahme mit Jonas Kaufmann.
À l’étude mon maitre – Kaufmann / Poplavskaya / Pape
Für Liebhaber der historischen Aufnahme: Nellie Melba ist eine der Legenden der goldenen Ära. Ihre Interpretation in diesem Terzett ist «triumphal, ihre Stimme schisst förmlich in die grausam exponierten Höhen des Terzetts. Wundervoll die Portamento-Bindung des Vortrags.»(Kesting)
À l’étude mon maitre … Christ est ressuscité – Melba / Mc Cormack
Die Interpretation dieses Terzetts beweist förmlich die Dramatik dieser Stelle, und dass sie eine der dramatischten Stellen einer Oper überhaupt ist. Die Performance der drei Sänger ist formidabel und das Schluss B von Tenor und Sopran grandios.
A l’étude mon maître – Björling / Moore / Dickson
Aufnahme Empfehlung der Oper FAUST
WARNER BROTHERS mit Cheryl Studer, Richard Leech, Thomas Hampson und José van Dam unter der Leitung von Michel Plasson und dem Orchester und Chor des capitole von Toulouse und dem Chor der französischen Armee.
Peter Lutz, opera-inside, der online Opernführer zu FAUST von Charles Gounod.
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