Wagner, Ring des Nibelungen, Siegfried, Synopsis, Handlung

Online-Opernführer und Handlung zu Wagners SIEGFRIED

Der Ring des Nibelungen ist ein Gesamtkunstwerk, das sich mit Werken der Weltliteratur wie Homers Ilias oder Dantes Divina commedia messen kann. Es ist erstaunlich, wie homogen dieses Werk auf uns wirkt, das in einem Zeitraum von 25 Jahren und in einem komplexen Entwicklungsprozess entstanden ist. “Siegfried” ist ein großes Heldenepos über einen Revolutionär. Es endet mit einer der großen Liebesapotheosen der Operngattung.

 

 

Inhalt

Handlung

Kommentar

Akt I (Mimes Heimat)

Akt II (Waldszene, Kampf mit dem Drachen)

Akt III (Felsenszene)

 

Highlights

Notung! Notung! Neidliches Schwert

Hoho! Hohei! Hahei!

Du holdes Vögelein

Waldweben (Waldweben)

Wache, Wala! Wala! Erwache!

Heil dir, Sonne

Ewig war ich, ewig bin ich (Finale)

 

Aufnahmeempfehlung

Aufnahmeempfehlung

 

 

 

 

Handlung

 

 

 

 

 

PREMIERE

Bayreuth, 1876

LIBRETTO

Richard Wagner, basierend auf einer Vielzahl von Primärquellen. Die wichtigsten davon sind: Griechische Mythologie, die nordische Edda- und Völsung-Saga und das deutsche Nibelungenlied.

DIE WICHTIGSTEN ROLLEN

Wotan / Wanderer, Gott und Herrscher der Welt (Bariton) - Siegfried, Sohn von Siegmund und Sieglinde (Tenor) - Brünnhilde, Walküre und Tochter von Wotan (Sopran) - Alberich, Nibelunge (Bass) - Mime, Nibelunge und Bruder von Alberich (Tenor) - Erda, Seherin und Mutter der Nornen (Alt) - Fafner / Drache, in einen Drachen verwandelter Riese (Bass)

AUFNAHMEEMPFEHLUNG

DECCA, Wolfgang Windgassen, Hans Hotter, Birgit Nilsson, Gustav Neidlinger und Joan Sutherland unter der Leitung von Georg Solti und den Wiener Philharmonikern.

 

 

 

 

KOMMENTAR

 

 

Die Interpretation und viele weitere Informationen

Im Gesamtporträt zum Ring stelle ich die verschiedenen Ansätze zur Interpretation des Werkes vor. Um diese zu lesen, klicken Sie auf den untenstehenden Link. Außerdem finden Sie dort viele weitere Informationen über Geschichte, Interpretationen, Leitmotivtheorie etc.

Link zum Portrait zu “Der Ring des Nibelungen”

 

 

Die klassische Heldengeschichte, gespickt mit vielen Symbolen

Die Geschichte des zweiten Abends ist im Grunde schnell erzählt. Der Held schmiedet ein Schwert, tötet den Drachen und gewinnt die Braut. Alles in allem die klassische Heldengeschichte. Was die Geschichte reich macht, sind die verschiedenen Handlungen und Gegenstände auf der symbolischen Ebene, und davon gibt es viele. Die Ermordung des Stiefvaters, das Drachenblut, Siegfrieds (unbewusster) Zweikampf mit seinem Schöpfer und so weiter.

 

 

Eine große stimmliche Herausforderung

Stimmlich ist die Hauptrolle des Tenors eine enorme Herausforderung. Schon im ersten Akt bringt Wagner den Siegfried an seine Grenzen. Und nach einem weiteren anstrengenden zweiten Akt trifft der Tenor auf eine stimmlich ausgeruhte Brünnhilde, die erst im letzten Akt auftritt.

 

Die Entstehungsgeschichte von I/II

Wagner begann die Arbeit am Siegfried 1857, drei Jahre nach dem Rheingold und unmittelbar nach der Fertigstellung der Walküre. Doch schon bald geriet die Arbeit ins Stocken. Wagner, der sich in ständigen finanziellen Schwierigkeiten befand, musste mit Entsetzen feststellen, dass sein Verleger sich weigerte, den Ring zu veröffentlichen, und dass der Traum von einer Aufführung somit in weite Ferne rückte. Dies hatte zur Folge, dass in naher Zukunft kein Geld fließen würde. Zudem befand sich Wagner mitten in einer Liaison mit Mathilde Wesendonck, was bedeutete, dass sein Kopf nicht frei war für die anspruchsvolle Geschichte des Rings. Die Arbeit am Ring kam ins Stocken.

 

Mathilde Wesendonck

Mathilde trat 1852 in Wagners Leben. Er lernte die 24-Jährige während seines Zürcher Exils kennen. Die weitere Geschichte ist hinlänglich bekannt. Ihr Mann wurde sein Zürcher Kunstmäzen und Wagner begann eine heimliche Beziehung zu Mathilde, die in unmittelbarer Nähe wohnte. In jenem Jahr 1857 schrieb er die berühmten Wesendonck-Lieder, die auf Mathildes fünf Gedichten basieren und denen seine Oper “Tristan und Isolde” folgte. Die Handlung von Tristan und Isolde ist bezeichnend: Tristan (Wagner) und Isolde (Mathilde) können sich wegen Isoldes Beziehung zu König Marke (Wesendonck) nicht auf der Erde treffen. Die beiden finden Zuflucht im Liebestod.

Die enge Beziehung zwischen den beiden wird von Wagners Frau Minna gestört, als sie im Jahr darauf einen Brief abfängt. Die spätere Ehefrau Cosima wollte alle Spuren von Mathilde in Wagners Nachlass verwischen und verbrannte sie. So zeugen nur noch Wagners Briefe an Mathilde von dieser Beziehung, von der Mathilde bis zum Schluss behauptete, sie sei rein platonisch gewesen.

 

 

Die Entstehungsgeschichte II/II

Erst 1869 nahm Wagner die Arbeit am Siegfried wieder auf (in der Zwischenzeit waren auch die Meistersinger entstanden). Es ging um die Komposition des 3. Aktes (die Szenen am Walkürenfelsen). 1871 wurde das Werk schließlich vollendet. Zwischendurch gab es noch Verzögerungen wegen eines Streits Wagners mit seinem Gönner Ludwig II., der das Rheingold und die Walküre gegen Wagners Willen in München aufführen ließ.

 

Was bisher geschah

 

Vorläufige Ereignisse

 

Die Inhaltsangabe von Rheingold (Teil 1)

 

Die Synopse der Walküre (Teil 2)

 

 

 

SIEGFRIED AKT I

 

 

Mime braucht das Schwert, kann es aber nicht selbst schmieden

Handlung: Mime ist seine Höhle und schmiedet das Schwert für Siegfried. Vor vielen Jahren nahm er Siegfried als seinen Pflegesohn auf, der ihm nun helfen soll, Fafner den Ring zu entreißen. Mit Hilfe des Zauberhelms hat sich der Hüter des Rings in einen Drachen verwandelt, den nur ein Held besiegen kann.

Gespenstische Pauken im Klavier und zwei blasse Akkorde, die eine verminderte Septime bilden, leiten das Vorspiel ein. Sie symbolisieren wahrscheinlich Mimes Verzweiflung über seine Unfähigkeit, das Schwert zu schmieden. Daraus entwickelt sich das geschäftige Nibelheim-Motiv, die hämmernde Arbeit der Schmiede, die wir aus dem Rheingold kennen:

Musikalisches Zitat: Nibelheim-Motiv

Dann verbindet Wagner zwei weitere Motive mit dem Nibelheim-Motiv. Zum einen das Fronarbeit-Motiv (eine fallende Sekunde) und das Schatz-Motiv:

Musikalisches Zitat: Schatz-Motiv

Auf diese Weise kombiniert Wagner drei Leitmotive und führt den Hörer auf geniale Weise in die Welt von Mime ein.

Vorspiel – Solti

 

Handlung: Mime ist frustriert. Seine Schwerter können der Macht des brutalen und einfältigen Siegfried nicht standhalten. Das einzige Schwert, das seiner Kraft widerstehen könnte, wäre das Nothung. Aber es liegt zertrümmert in einem Tuch. Wenn er es zusammenschmieden könnte, wäre er am Ring! Er versucht es erneut. Siegfried tritt in Mimes Haus ein.

Mit dem dem Horn entnommenen Motiv singt Siegfried beim Betreten von Mimes Wohnung ein fröhliches “Hoiho!”. Es kontrastiert durch seinen tonalen Sprung mit Mimes chromatischer, düsterer Klangwelt. Wenig später hören wir Siegfrieds der Natur entnommenes Motiv im Horn:

Musikalisches Zitat: Siegfrieds Horn-Motiv

Hoiho! Hoiho!

 

 

Handlung: Er begutachtet das Schwert. Mit einem Schlag zerstört er es und verflucht Mime dafür, ein Stümper zu sein.

Wilde Aufregung im Orchester begleitet Siegfrieds Verwünschungen.

Da hast Du die Stücken, schändlicher Stümper – Melchior

 

 

Die Rolle von Mime

Handlung: Siegfried verachtet den Zwerg, der ihm immer noch fremd ist.  Das einzige, was Mime noch für ihn tun kann, ist ihm zu erklären, wer seine Mutter ist. Als Mime behauptet, er sei sowohl Mutter als auch Vater, droht Siegfried mit Gewalt.

Mimes Name ist beschreibend, er bedeutet so viel wie “vortäuschen”. Wagner sieht Mime nicht als schöpferischen Geist (als echten Künstler), auch der Zauberhelm konnte nur unter Alberichs Aufsicht entstehen. Er hat nicht die Größe der Götter und ist ein egoistischer Mensch.  In der Eingangserzählung hören wir sein unsympathisches und unbeholfenes Obstinato-Motiv in den Bässen.

Musikalisches Zitat: Mime-Motiv

 

Auch sein “Sprechgesang” ist unnatürlich. In den Inszenierungen wird die Pantomime oft als jüdische Karikatur dargestellt. In Wagners Korrespondenz oder in seinen Äußerungen finden sich jedoch keine entsprechenden Belege, mit Ausnahme einer Stelle, in der Wagner auf einen jüdischen Künstler verweist, der die Rolle des Mimen gespielt habe. Die Merkmale der Pantomime stehen also wohl eher für universelle menschliche Züge als für rassische Themen. Um sich bei Siegfried einzuschmeicheln, singt Mime ein wahres Lied. Allerdings schrieb Wagner die Aufführungsanweisung für den Zwerg “mit schriller und klagenden Stimme”.

Als zullendes Kind zog ich Dich auf – Svanholm

 

Handlung: Nun erzählt Mime die Geschichte einer Frau namens Sieglinde, die er allein mit einem kleinen Kind im Wald fand. Er nahm sie bei sich auf, aber sie starb bald darauf. Siegfrieds Vater kannte er nicht, er war getötet worden, und er hatte nur die Trümmer seines Schwertes von ihm bekommen.

Wir hören Reminiszenzen an “Die Walküre” (“Also starb meine Mutter an mir?”, “Dann starb meine Mutter an mir?”)

Einst lag wimmernd ein Weib da draussen im wilden Wald

 

 

Wolfgang Windgassen – der Siegfried während zwanzig Jahren

Handlung: Als Siegfried die Teile des Schwertes sieht, zwingt er Mime, daraus ein neues Schwert zu schmieden und verlässt die Höhle. Doch Mime ist ratlos, er hat schon oft versucht, das Schwert wieder zusammenzuschmieden.

In dieser Aufnahme hören wir den Tenor Wolfgang Windgassen. Er war von 1950 bis 1970, der Zeit der großen Aufnahmen des Ring-Zyklus, der bevorzugte Siegfried. Er löste Max Lorenz in Bayreuth ab, wo Wieland Wagner nach den Nazi-Jahren einen Generationswechsel durchsetzen wollte. So war er der Siegfried verschiedener Ring-Zyklen wie der berühmten Solti-Aufnahme oder Wieland Wagners Ring-Inszenierung mit Karl Böhm. Seine schauspielerische Leistung muss großartig gewesen sein, leider gibt es nur sehr wenige Filmdokumente.

Und diese Stücke sollst Du mir schmieden … Aus dem Wald fort in die Weg ziehn – Windgassen

 

 

Handlung: In diesem Moment tritt ein unbekannter Wanderer ein. Es ist Wotan, der heimlich Siegfrieds Fortschritte verfolgt und versucht, sich durch Siegfried seine Macht zu sichern. Er sagt Mime, dass derjenige, der nie gelernt hat, sich zu fürchten, das Schwert schmieden soll und dass Mime durch seine Hand sterben wird.

Mit feierlichen Akkorden betritt Wotan die Höhle von Mime. Es ist das sogenannte Wanderermotiv:

Musikalisches Zitat: Wanderer-Motiv

Wie es sich für einen Gott gehört, sind es feierliche, gemessene Akkorde, die sich in ihrer Dur-Form von der Welt der Mime abheben.

Heil dir weiser Schmied

 

 

Handlung: Die Glut des Kamins entzündet sich auf geheimnisvolle Weise. Nun tritt Siegfried ein und Wotan verlässt unbemerkt die Höhle. Siegfried wird wütend, als er Mime nicht hinter dem Amboss sieht. Mime erzählt von der Prophezeiung des Wanderers.

Mit dem Motiv des Feuerzaubers entzündet sich der Kamin. Als Siegfried erscheint, hören wir wieder den heiteren Auszug aus dem Fahrtenlustlied.

Verfluchtes Licht!

 

 

Siegfried schmiedet das Schwert

Handlung: Um seinen Kopf zu retten, rät er ihm, das Fürchten zu lernen, indem er den Drachen Fafner bekämpft. Siegfried erkennt, dass er das Schwert braucht, um im Kampf gegen den Drachen zu überleben. Als Mime erneut versagt, das Schwert zu schmieden, erkennt Siegfried, dass er selbst derjenige ist, der das Fürchten nie gelernt hat und das Schwert selbst schmieden muss. Er zerfetzt das Schwert in Späne und schmiedet es neu. Fasziniert sieht Mime zu, wie der Unwissende das Schwert in der Glut neu schmiedet.

Mit einem Feuerwerk von Leitmotiven und einem farbigen Orchesterklang stellt Wagner die Schmiedeszene eindrucksvoll dar. Wenn Siegfried selbst das Werk übernimmt, wird die Musik sehr geschäftig und beschreibt anschaulich Siegfrieds Handbewegungen. Immer wieder erklingt Siegfrieds Motiv, gepaart mit dem geschäftigen Motiv der Schmiedekunst:

Um das Neue zu schaffen, muss Siegfried alle Konventionen des Schmiedehandwerks verlassen. Mime bestaunt die Arbeit des Unwissenden, und als die Arbeit getan ist, hört man das Schwert sich bewegen.

Her mit den Stücken – Windgassen

 

Handlung: Siegfried fragt Mime nach dem Namen des Schwertes. Es wurde Nothung genannt und so soll es auch wieder genannt werden. Nun beschließt auch Mime, Siegfried für seine Zwecke zu missbrauchen. Er plant, Siegfried, der nach dem Kampf mit dem Drachen müde ist, mit einem Gifttrank zu betäuben, ihn dann zu töten und den Ring an sich zu nehmen.

 

 

In diesem Stück hören wir das Motiv des Schwertes Nothung, das Siegmund schon in “Die Walküre” verwendet hat. Mit diesem Motiv feuert er den Blasebalg an. Immer wieder klingt das Motiv schwer in den Bläsern.

Hören Sie sich die Interpretation von Lauritz Melchior in dieser Szene an. Er singt diesen für den Tenor so anspruchsvollen Akt mit großer Intensität und stimmlicher Kraft. Er war wohl der brillanteste Siegfried in der Geschichte der Aufnahmen.

Nothung! Nothung! Neidliches Schwert – Melchior

 

Handlung: Während Siegfried triumphierend sein Schwert fertig schmiedet, braut Mime den giftigen Trank, der ihm den Ring und damit die Weltherrschaft sichern wird. Als das Schwert fertig ist, ist die Waffe so mächtig, dass Siegfried mit ihr den Amboss spalten kann.


Wie Mime hämmert Siegfried das Schwert im Rhythmus des Nibelungenmotivs. Triumphierend singen die beiden in einem Duett, dessen Stimmen sich – untypisch für Wagners späteren Stil – am Ende triumphal vereinen.

Hoho! Hohei! Hahei!  – Jerusalem / Zednik

 

 

 

 

SIEGFRIED AKT II

 

 

 

Handlung: Im nächtlichen Wald.

Dass sich der Riese Fafner in einen Drachen verwandelt hat, ist kein Zufall. Wagner will damit zeigen, dass derjenige, der im Besitz von Gold ist, sich in ein Ungeheuer verwandelt. Das Vorspiel beginnt mit dem Thema des Drachens Fafner:

Dazu hören wir das punktierte Motiv der Riesen in den Pauken. Verglichen mit dem Leitmotiv der Riesen aus dem Rheingold ist das Drachenmotiv nur noch ein schwerfälliges, kriecherisches Motiv.

Vorspiel

 

 

Wotan und Alberich treffen sich

Handlung: Alberich wartet vor der Höhle, Fafners Schlafgemach. Der Ring liegt unerreichbar für ihn bei Fafner, der sich mit Hilfe des Zauberhelms in einen Drachen verwandelt hat und glaubt, unbesiegbar zu sein. Lange hat Alberich auf eine Gelegenheit gewartet, den Ring zurückzuerobern. Da erkennt er einen Schatten. Es ist ein Wanderer, in dem Alberich seinen alten Widersacher Wotan wiedererkennt.

Zur Neidhöhle fuhr ich bei Nacht – Volle / Konieczky

 

Handlung: Alberich vermutet, dass Wotan ihm den Ring zum zweiten Mal stehlen will, aber Wotan behauptet, nur als unschuldiger Zuschauer vorbeigekommen zu sein. Er warnt Alberich, dass Mime mit Siegfried auf dem Weg zu Fafner ist und dass sein Bruder sein einziger Konkurrent um den Ring ist, da Siegfried selbst nichts von der Magie des Ringes weiß. Er rät Alberich, Fafner zu warnen, um im Gegenzug den Ring zu bekommen. Wotan ruft den Drachen und Alberich bietet den Drachen an, um das Unheil abzuwenden. Doch Fafner ist nicht interessiert und weist die beiden zurück. Enttäuscht kehrt Alberich in die Höhle zurück und Wotan verlässt den Ort mit spöttischen Worten. Nun erreichen Siegfried und Mime den Ort. Mime warnt ihn vor dem giftigen Spucken und dem tödlichen Schlag mit dem Schwanz. Siegfried zweifelt, ob er hier das Fürchten lernen kann und plant, dem Drachen das Schwert ins Herz zu stoßen.

 

 

Siegfried: Wagners autobiografische Züge

Handlung: Während Siegfried auf den Drachen wartet, denkt er darüber nach, wie sein Vater und seine Mutter aussahen.

Es folgt ein Abschnitt (der bis zum Kampf mit Fafner reicht), der uns einen neuen Siegfried zeigt. War er bisher ein ungehobelter und rücksichtsloser Jüngling, so zeigt er seine verletzliche Seite, wenn er an seine Eltern denkt, die er nie kennengelernt hat.

Es besteht kein Zweifel, dass Wagner mit Siegfried einen Seelenverwandten geschaffen hat. Er sah in ihm den revolutionären Menschen (= Künstler), der auch Wagner war und der an einer Gesellschaft scheiterte, die noch nicht bereit für das Neue war. Und nun kommen wir zum eigentlichen Thema des Abschnitts: Auch Wagner durfte seinen leiblichen Vater nie kennenlernen, der 6 Monate nach Wagners Geburt an Typhus starb. Es ist kein Zufall, dass so viele Figuren aus Wagners Opern ihren Vater nie gekannt haben. Neben Siegmund aus der Walküre gehören auch Parsifal und Tristan dazu. So konnte Wagner die Gefühle Siegfrieds in den Waldweben (Tondokument unten) so wunderbar und einfühlsam vertonen.

Beim Gedanken an seine Mutter (Ach! möcht’ ich Sohn meine Mutter sehen!) erklingt zärtlich das Wälsungen-Motiv aus der “Walküre” und das Waldweben-Motiv kehrt zurück.  In der Oboe ist der Gesang eines Vogels zu hören.

Aber wie sah meine Mutter wohl aus – Windgassen

 

Handlung: Er hört die Vögel pfeifen und versucht, die Töne mit einem Schilfrohr zu imitieren. Die Töne wollen nicht gelingen und er versucht es auf seinem Horn.

Voller Sehnsucht nach seiner Mutter sucht Siegfried seinen inneren Frieden in der Natur. Wagner erreicht mit diesem Stück einen maximalen Kontrast. Wurde der ganze Akt bisher von schweren Klangfarben und Bässen dominiert, so dominieren in diesem Abschnitt die hohen Töne und hellen Farben. In den Holzbläsern hören wir Vogelstimmen. Wagner soll sich für diese Szene in den Wald begeben haben, um den Vögeln zu lauschen.

Meine Mutter ein Menschenweib! Du holdes Vöglein!  – Windgassen / Sutherland

 

Das berühmte “Waldweben”

Dieses Stück wurde auch als Orchesterstück unter dem Namen “Waldweben” bekannt.

Waldweben – Levine

 

Handlung: Fafner wird durch die Geräusche geweckt. Siegfried spricht ihn an und will von ihm das Fürchten lernen. Der Drache will Siegfried fressen und Siegfried sticht ihm die Nothung mitten ins Herz.

Auf dem Horn hören wir 2 wichtige Leitmotive von Siegfried. Das erste ist lyrisch:

Musikalisches Zitat: Siegfrieds Horn motiv

Die zweite ist von heroischer Natur:

Musikalisches Zitat: Siegfried Motiv

Haha! Da hätte mein Lied! – Windgassen

 

Handlung: Als er stirbt, verwandelt sich der Drache zurück in den Riesen Fafner, der ihn vor dem Unheil des Nibelungenschatzes warnt.

Wer bist du, kühner Knabe

 

 

Das Drachenblut

Handlung: Das heiße Blut hat Siegfrieds Hand versengt.

Hier verzichtet Wagner in seinem Drehbuch auf eine explizite Inszenierung eines wichtigen Vorfalls. Siegfried badet nämlich in Drachenblut, das ihn unbesiegbar macht. Nur ein herabfallendes Blatt von einem Baum verhindert, dass das Blut ein Stück seines Rückens erreicht, was ihn in der Götterdämmerung das Leben kosten wird.

 

Handlung: Als er seine Hand mit dem Mund kühlt und mit dem Blut des Drachens in Berührung kommt, kann er plötzlich Vogelstimmen verstehen. Ein Vogel, der ein Sprachrohr von Wotan ist, rät ihm, den Ring und den Tarnhelm an sich zu nehmen. Siegfried geht in die Höhle, um sie zu holen.

In dem Moment, als Siegfried das Blut von seiner Hand leckt, erklingen wieder das Waldweben und der Flötengesang. Plötzlich erklingt dieselbe Melodie, die vorher von einem Instrument als Vogelstimme zu hören war, nun durch einen Soprangesang.

Wir hören in dieser Passage Joan Sutherland, die den Vogel als junge Frau im Solti-Ring gesungen hat.

Zur Kunde taugt kein Toter – Windgassen

 

Handlung: Alberich taucht auf und stolpert über Mime. Die beiden streiten sich um die Beute. Als Siegfried auftaucht, verschwindet Alberich. Inzwischen ist Wotan eingetroffen und beobachtet die Szene aus einem Versteck. Siegfried hat durch den Waldvogel von Mimes bösen Absichten erfahren. Als Mime ihm den Trank anbietet, durchschaut Siegfried seinen Plan und tötet Mime mit seinem Schwert. Nun spürt Siegfried ein Gefühl der Einsamkeit und bittet den Vogel, mit ihm zu sprechen. Der Vogel erzählt ihm von einer schönen Frau, die auf einem Felsen schläft, der vom Feuer beschützt wird. Sie kann nur von jemandem gerettet werden, der keine Angst kennt. Jubelnd erkennt Siegfried, dass er der Retter sein wird und folgt dem Vogel, der ihm den Weg zu Brünnhilde zeigt.

Als mit Mime sein einziger Bezugspunkt tot ist, fühlt sich Siegfried unendlich einsam. Bald verfällt er in eine nostalgische Stimmung und ein sehnsüchtiges Liebeslustmotiv erklingt, das immer drängender wird:

Siegfried-Liebeslustmotiv-Love_lust_motif

Der Vogel gibt ihm wenig später die Antwort, indem er ihm von “Brünnhilde, der herrlichsten aller Frauen” erzählt und ihm den Weg zu ihr zeigt.

Da liegst auch du, dunkler Wurm!  – Windgassen / Sutherland

 

 

 

SIEGFRIED AKT III

 

 

Wie in der Einleitung zu dieser Oper beschrieben, liegt zwischen dem Ende des zweiten Satzes und dem Beginn des dritten Satzes eine Schaffenspause von 12 Jahren. An diesem Punkt nahm Wagner 1869 die Arbeit wieder auf.

Wotans geisterhafte Begegnung mit Erda

Handlung: Wotan zieht zum Walkürenfelsen, um dort Erda zu befragen. Sie durchschaut ihn und weigert sich, Wotan zu helfen.

Mit dieser Szene beginnt das Vorspiel zum dritten Akt. Wie im zweiten Akt verwebt Wagner drei Leitmotive zu einem prächtigen Stück kontrapunktischer Musik. Es beginnt mit dem Motiv der Götternot:

Das zweite Motiv ist der Speer von Wotan:

Zusammen mit anderen Motiven ergibt das ein tolles Tongemälde. In dieser stürmischen Nacht betritt Wotan in einer mystischen Szene den Walkürenfelsen. Erda hatte mit Wotan die Walküren gezeugt. So wurde sie Teil von Wotans Plan und verlor ihre Hellsichtigkeit. Ihre Prophezeiung ist nur noch vage.

Wache, Wala!   – McIntyre / Wenkel

 

 

Wotan tritt zurück

Handlung: Aber Wotan zwingt sie, sein Schicksal zu prophezeien. Erda verkündet, dass die Macht der Götter bald enden wird und dass auch sie und ihre Nornen daran nichts ändern können. Wotan ist müde und beschließt, die Macht an Siegfried zu übergeben und wartet am Felsen auf ihn.

Dir Unwesen ruf ich ins Ohr

 

 

Wotan trifft Siegfried

Handlung: Das Zusammentreffen endet für Wotan unglücklich. Siegfried behandelt ihn, den Fremden, ohne Respekt und Wotan beschließt, sich ihm in den Weg zu stellen. Er kündigt an, Siegfrieds Schwert noch einmal mit seinem Speer zu zerschlagen, wie er es einst mit dem Schwert Nothung getan hat. Siegfried glaubt in dem Wanderer den Mörder seines Vaters zu erkennen und zerschlägt Wotans Speer mit seinem Schwert. Damit verliert Wotan alles und er muss Siegfried zu Brünnhilde ziehen lassen.

Diese Szene ist ein Wendepunkt im “Ring”. Während Wotan Siegfried den Weg versperren will, erklingt im Orchester bereits das Feuerzaubermotiv, das Loges’ Feuerwand ankündigt. Siegfried vernichtet mühelos den Speer, der seinem Vater einst den Tod brachte. Der Speer, der für Regeln und Verträge steht, ist gebrochen. Siegfried, der anarchistische Held, fürchtet nicht einmal die höchste Autorität. und Wotan verlässt die Szene. In der Götterdämmerung werden wir ihm nicht einmal mehr begegnen, seine Magie und Macht sind passé.

Kennst Du mich kühner Spross – Hotter

 

 

Der wilde Gang durch das Feuer

Handlung: Der Weg ist frei für Siegfried, der furchtlos durch das Feuer geht.

Wagner lässt diese wichtige Szene mit einer gigantischen Musik enden. Während Siegfried im Feuer steht, ertönt inmitten der Ekstase der Musik immer wieder Siegfrieds Hornruf.

Mit zerfochntner Waffe wich mir der Feig – Kollo

 

 

 

Handlung: Siegfried erreicht sicher den Felsen, auf dem Brünnhilde schläft. Er sieht eine schlafende Person in voller Rüstung. Als er die Rüstung abnimmt, sieht er zum ersten Mal in seinem Leben eine Frau. Nun hat er gelernt, sich zu fürchten, und ein übermächtiges Gefühl ergreift von ihm Besitz. Er fasst Mut und küsst sie, um sie zu wecken.

Dieses Bild, in dem Brünnhilde schlafend vor dem Walkürenfelsen liegt, ist ein Bild von großer Poesie. Das Erlösungsmotiv erklingt zu Beginn jubelnd im Orchester.

Musikalisches Zitat: Erlösungsmotiv

Das ist kein Mann! Brennender Zauber zückt mein Herz

 

 

Brünnhilde, die “hochdramatische” Sopranrolle

Handlung: Brünnhilde wacht auf und begrüßt den Tag. Sie sieht ihren Erwachenden und erkennt in ihm Siegfried, den sie einst beschützt und immer geliebt hat.

Diese Szene ist eine der großartigsten Szenen im ganzen Ring! Brünnhildes Erwachensmotiv erklingt. Dieses schöne Motiv der erwachenden Brünnhilde zeigt, wie Wagner es verstand, aus 2 einfachen Akkorden Großes zu formen. Er lässt den e-Moll-Akkord in den Bläsern anschwellen und abklingen und greift den Ton erst in den Bläsern in einem Crescendo wieder auf und lässt ihn mit den Harfen umspielen. Die Harfen-Arpeggien erinnern unverkennbar an das Erwachen der Natur zu Beginn des Rings im Vorspiel zum Rheingold.


Musikalisches Zitat: Brunhilds Erwachens-Motiv

Wir hören diese Szene in 2 Versionen. Wir beginnen mit einer Fernsehaufzeichnung von einer Aufführung im Bayreuther Festspielhaus.

Heil dir, Sonne! Heil dir, Licht!  – Evans

 

Die Brünnhilde ist die Rolle für einen hochdramatischen Sopran. Nach dem Krieg wurde diese Rolle 25 Jahre lang von 3 Sängerinnen beherrscht: Astrid Varnay, Martha Mödl und Birgit Nilsson. Brünnhilde tritt in 3 der 4 Abende des Rings auf. Die Rolle im Siegfried ist diejenige mit der höchsten Tessitura und daher sehr anspruchsvoll. Außerdem muss sie gegen ein riesiges Orchester singen, das gerne laut spielt, um die Wirkung zu verstärken.

Birgit Nilsson war ein stimmliches Wunder. “Stimmbänder aus Stahl”, “Trompete” waren Attribute, die oft zu hören waren, wenn sie mit ihrer Stimme andere Sänger und das Orchester in den Schatten stellte. Bei den Aufnahmen für den Ring soll es aus dem Lautsprecher oft geheißen haben: “Bitte treten Sie drei Schritte zurück, Frau Nilsson, wenn hohe Töne gespielt werden”, weil die Schallwellen die Mikrofone überforderten.

Heil dir, Sonne! Heil dir, Licht!  – Nilsson

Ewig war ich, ewig bin ich!

Handlung: Brünnhilde freut sich auch, ihr Pferd Grane zu sehen. Als Siegfried sie bedrängt, stellt sie mit Schrecken fest, dass sie ohne Rüstung, Schwert und Helm nicht mehr göttlich und damit wehrlos ist. Noch nie hat es ein Mann gewagt, sich ihr zu nähern. Nun ist sie eine sterbliche Frau und bittet Siegfried, ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. In den Armen von Siegfried wird sie von der menschlichen Leidenschaft der Liebe überwältigt. Siegfried drängt sie, sich zu vereinigen und verpasst die letzte Gelegenheit, sich zu erkennen zu geben.

Brünnhilde bittet Siegfried, ihre göttliche Jungfräulichkeit zu bewahren. Dazu hat er ein wunderschönes Motiv komponiert. Dieses “Ewige-Liebe”-Motiv hat Richard Wagner auch im Siegfried-Idyll verwendet (siehe weiter unten).

Musikalisches Zitat: Ewige-Liebe-Motiv

Doch Siegfrieds Hitze lässt dies nicht zu, und Brünnhilde wird fortgetragen. Die Oper endet mit schmetternden Hörnerklängen und einem ekstatischen Liebesduett in C-Dur: “Leuchtende Liebe! Lachender Tod!” Kurz vor dem Ende gibt es eine weitere Pause und das Werk endet mit einem C-Dur-Akkord.

Wir hören diesen Schluss in zwei Versionen.

Wir beginnen mit der Böhm-Aufnahme. Sie stammt aus den sechziger Jahren und dokumentiert die Produktion von Wieland Wagner.

Ewig war ich, ewig bin ich – Nilsson / Windgassen

 

Wir hören eine zweite Aufnahme mit Lauritz Melchior und Florence Easton, mit einer Ekstase, die einen eruptiven Charakter hat.

Florence Easton war eine der großen Konkurrentinnen von Rosa Ponselle an der Met der 20er Jahre. Ihr Repertoire war gigantisch breit. Ihre Stimme war voll leuchtend.

Ewig war ich, ewig bin ich – Easton / Melchior

 

Die Szene, in der Brünnhilde und Siegfried ihre erotische Zuneigung entdecken, wurde von Wagner ein Jahr später zu einer eigenständigen Komposition weiterentwickelt. Er schenkte sie Cosima zu ihrem Geburtstag am Weihnachtstag 1870 in Tribschen mit einem Konzert im Treppenhaus ihres Landhauses. Aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse komponierte Wagner es als Kammermusikwerk. Später wurde eine Fassung mit größerer Orchestrierung veröffentlicht.

Siegfried-Idyll – Celibidache

 

 

 

Aufnahmeempfehlung für die Oper SIEGFRIED

 

DECCA mit Wolfgang Windgassen, Hans Hotter, Birgit Nilsson, Gustav Neidlinger und Joan Sutherland unter der Leitung von Georg Solti und den Wiener Philharmonikern.

 

 

Peter Lutz, opera-inside, der Online-Opernführer zu SIEGFRIED von Richard Wagner.

 

 

 

 

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert