Wenn sich der Erfolg einer Oper nach ihrer Größe richten würde, stünde Macbeth weit vorne in der Gunst der Opernbesucher. Vielleicht ist es die fehlende Liebeshandlung (Italiener nennen Verdis Macbeth «l’opera senza amore»), die der Popularität dieses Werks im Wege steht. An der Musik kann es nicht liegen. Das Werk hat keine schwache Minute und fesselt den Zuhörer von Anfang bis zum Schluss. Es steht musikalisch und künstlerisch auf gleicher Höhe mit Verdis beiden andern Shakespeare-Werken Otello und Falstaff.
Verdis Auffassung der Rolle der Lady Macbeth
Verdi verlangte, dass die Lady Macbeth den Brief deklamieren und nicht singen sollte. Dass der Komponist die Primadonna bei ihrem ersten Auftritt einen Brief vorlesen lässt, statt sie mit einer Bravour Arie glänzen zu lassen, war zu dieser Zeit unerhört. Darüber hinaus verlangte Verdi von Marianna Barbieri-Nini, der Lady Macbeth der Uraufführung, seine Auffassung der Rolle konsequent hässlich zu gestalten (was brieflich dokumentiert ist).
Das Jahr 1952 war das sängerisch vielleicht glanzvollste Jahr von Maria Callas. In diesem Jahr etablierte sie sich endgültig als Assoluta im dramatischen und verzierten Fach. Am 7. November 1952 sang Maria Callas eine der wichtigsten Aufführungen ihrer Laufbahn. Als Saisoneröffnung der Scala war Macbeth vorgesehen. Ihre Lady Macbeth war sensationell und der Rummel um sie geriet zu einer Callas-Manie.
Karl Böhm nannte die Griechin einmal «die größte Tragödin der Welt». Die Interpretation der folgenden Arie lässt den Hörer die Richtigkeit seiner Aussage erleben. Keine andere Sängerin hatte die Möglichkeiten, die Callas zur Verfügung stand die Lady Macbeth dramatisch und musikalisch in jeder Einzelheit grandios zu zeichnen. Ihr ist es zu verdanken, dass diese Oper wieder in das Repertoire zurückgekommen ist.
Vieni! t’affretta accendere… Or tutti sorgete (1) – Callas
Eine Heimathymne Verdis
Im klassischen Stil komponierte Verdi mit «Patria oppressa» ein Stück, dass nicht zuletzt aus politischen Gründen als nostalgische Heimat-Hymne berühmt wurde.
Patria oppressa – Abbado
Die große Schlafwandelszene
Im Schloss wird Lady Macbeth gepeinigt von Visionen. In geistiger Umnachtung versucht sie eingebildete Blutflecken von ihren Händen zu wischen.
Verdi verlangte von der Lady Macbeth der Uraufführung explizit «hässlich» zu singen. Eine ursprünglich für diese Rolle vorgesehene Sängerin lehnte Verdi explizit ab, da sie «zu schön sänge und wenn die Schlafwandelszene nicht funktioniere sei die ganze Oper ruiniert.» Erstaunliche Worte in einer Zeit in der Donizetti noch lebte und Bellini noch nicht lange tot war! Die Arie endet mit einer wunderschönen «fil di voce», einem in der Höhe ersterbender Klang, der die Stimme bis ins hohe Des führt.
Die Kritik ist sich einig, dass die Interpretation dieser Szene von Maria Callas zum größten gehört, was die Aufnahmegeschichte der Opernmusik hergibt. Ardoin sprach «von einem der aussagekräftigsten Momente des Gesangs, der je auf einer Platte festgehalten wurde» «one of the most descriptive moments of singing ever captured on record» und Kesting, dass «selbst beim wiederholten Hören des Staunens keine Ende sei über die Fülle von klanglichen, gestischen Details. So könne sich das sich nur einer, Verdi selber, erträumt haben».
Una macchia è qui tuttora (1) – Callas
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