Richard Strauss sah das Theater-Stück «Salome» erstmals 1902 in einer Inszenierung von Max Reinhard, und schuf drei Jahre später eine expressionistische Klangwelt, die mit allem bisher Bekannten zu brechen schien. Trotz der mittlerweile dreizehn Jahren, die seit der Erstaufführung des Theaterstücks vergangen waren, traf das Stück, als Oper vertont, bei Traditionalisten auf offene Feindschaft. Doch die Uraufführung in Dresden wurde zur Sensation und die «Salome» trat ihr Siegeszug um die Welt an.

 
 
 

 
 
 

Salome will Jochanaans Mund küssen

Diese Passage führt zu einem der Höhepunkte der Oper. Jochanaans Zurückweisung („Niemals, Tochter Babylons, Tochter Sodoms“) reizt Salome aufs Höchste und sie singt vier Mal das Kuss-Motiv („ich will Deinen Mund küssen Jochanaan“), das von Strauss vier Mal musikalisch bis zum Rausch gesteigert wird.

Salome-Kussmotiv-Kiss_motiv

Hören Sie diese fesselnde Szene in einer Aufnahme mit Cheryl Studer. Die amerikanische Sängerin hatte eine ungeheure Bandbreite in ihrem Repertoire, 80 verschiedene Rollen verkörperte sie in ihrer Bühnenkarriere. Als sie die Salome in den neunziger Jahren aufnahm, wurde sie als die beste Salomé seit langem gewürdigt.

Niemals, Tochter Babylons, Tochter Sodoms (1) – Studer

 
 
 
 
 
 

Der Tanz der sieben Schleier

Herodes will, dass Salome für ihn tanzt und bietet ihr dafür an ihren freien Wunsch zu erfüllen. Salome willigt ein und führt den Tanz der sieben Schleier auf.
Salome ist eine der forderndsten Rollen für Sopran. Es verlangt Volumen, Durchhaltevermögen, Kraft und einen durch und durch dramatische Stimme. Nach einem langen und herausfordernden Tanz muss die Sängerin den gewaltigen Schlussteil meistern, den Strauss ihr geschrieben hat. Dies führt bei jeder Inszenierung zur Frage, ob sich die Rolle in einen Tanz- und einen Gesangspart trennen lässt. Bei der Uraufführung weigerte sich Marie Wittich, den erotischen Tanz selbst aufzuführen.

Diese Tradition hat sich in der Folge gehalten. Eine der wenigen Ausnahmen war die bekannte amerikanische Sopranistin Maria Ewing. Sie sang und tanzte die Rolle und zwar konsequent. Ein Schleier nach dem anderen fällt zu Boden bis sie sich tatsächlich splitterfasernackt präsentiert.

Tanz der sieben Schleier – Ewing

 
 
 

 
 
 

Der ungeheure Wunsch der Salome

Nach dem Tanz verlangt sie von Herodes, dass ihr der Kopf des Jochanaan auf einem silbernen Tablett gereicht wird. Herodes versucht verzweifelt, ihr den Wunsch auszureden, doch Salome besteht auf der Vereinbarung. Auf Befehl Herodes’ gehen Wachleute ab und erscheinen wenig später mit Kopf und Schüssel.
Die Schlussszene lässt sich nur mehr mit einem Wort umschreiben: «Extase». Möglicherweise hat Strauss mit dem Schluss-Gesang der Salome und der Orchesterbegleitung die grösste Ekstase der Operngeschichte geschrieben. Sie endet mit der berühmten Dissonanz auf dem sforzato, fast zu Ende der Oper und der darauffolgenden Cis-Dur Auflösung:

Wir hören die 1949-er Version von Ljuba Welitsch. «Fritz Reiner, der einst in Dresden mit der Musik von Richard Strauss erwachsen geworden ist, steht 1949 am Pult bei ein paar ,Salome’-Aufführungen, die auf dem New Yorker Schwarzmarkt noch gefragter als sämtliche Broadway-Vorstellungen sind, und für die die unter der Hand gehandelten Tickets die damalige Schallgrenze von 100 Dollar pro Stück durchbrechen. Der Grund dafür ist rothaarig, drall und voller leidenschaftlichem bulgarischem Temperament: Ljuba Welitsch hat als entfesselte Salome mit tödlich süßer Kleinmädchenstimme einen Siegeszug durch Europa hingelegt, ihr Ruhm ist ihr schon vorausgereist, und das Debüt an der Metropolitan Opera wird dann der Höhepunkt ihrer Karriere sein. Bevor es, ihrer allzu verzehrenden Gesangstechnik wegen, schnell bergab geht mit ihrer Stimme, reißt sie sogar die strengsten Kritiker zu atemlosen Ovationen hin.»

Mit den Worten von Jürgen Kesting (“Grosse Stimmen”): «Welitsch Schlussgesang ist, als Vibrieren der Sinne, ein Anschlag auf die Nerven des Hörers. Welitsch singt nicht, sie verwandelt sich in die Figur. Der Klang ihrer Stimme ist gleichzeitig rein und hitzig, klar und exquisit koloriert. ‘Ich hab Deinen Mund geküsst’ ist ein süchtiger Orgasmus.»

Schlussszene – Welitsch/Reiner

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