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Der online Opernführer zu Manon

Massenets Manon gehört zu den absoluten Höhepunkten der französischen Oper. Die Rolle der Manon ist eines der eindrücklichsten Rollenportraits der Opernliteratur. Erleben Sie die grossartige Fülle der Ideen, die Massenet in dieser Oper komponiert hat.

 

 

ÜBERBLICK & SCHNELLZUGRIFF

 

 

Inhalt

Handlung

Kommentar

♪ Akt I (Gasthaus-Szene)

♪ Akt II (Appartement-Szene)

♪ Akt III (Promenade-Szene, Kloster-Szene)

♪ Akt IV (Kasino-Szene)

♪ Akt V  (Todes-Szene)

 

Aufnahme Empfehlung

♪ Aufnahme Empfehlung

Höhepunkte

Je suis encore étourdie

Adieu, notre petite table

En fermant les yeux (Traum-Arie)

Obéissons… Profitons de la jeunesse (Gavotte)

Ah fuyez douce images

N’est-ce plus les mains

 

 

ROLLEN & HANDLUNG VON MANON IN 4 MINUTEN

 

 

 

 

URAUFFÜHRUNG

Paris, 1884

LIBRETTO

Henri Meilhac und Philippe Gille, basierend auf dem Roman Manon Lescaut von Abbé Prévost.

HAUPTROLLEN

Manon, Junge Frau (Sopran) - Lescaut, Cousin der Manon (Bariton) - Des Grieux, Chevalier aus einer Adelsfamilie (Bariton) - Des Grieux, Graf und Vater des Chevalier Des Grieux (Bass) - Guillot, vermögender Mann (Tenor) - De Brétigny, Vermögender Edelmann (Bariton)

AUFNAHME EMPFEHLUNG

EMI, Victoria De Los Angeles, Henry Legay und Michel Dens unter der Leitung von Pierre Monteux und dem Chor und Orchester der Opéra comique von Paris oder EMI, Angela Gheorghiu, Roberto Alagna und José van Dam unter der Leitung von Antonio Pappano und dem Chor und Orchestre de la monnaie.

 

 

 

KOMMENTAR

 

 

 

 

Das Libretto

Die Vorlage für Manon bildete der Roman «Manon Lescaut» von Abbé Prévost. Es lohnt sich einen kurzen Blick auf das Leben des Verfassers zu werfen. Aus reichem Haus stammend überwarf sich der 14-Jährige Antoine nach dem frühen Tod seiner Mutter mit seinem Vater und flüchtete 1711 zuerst in den Militärdienst, dann in ein Jesuitenkollegium, heuerte dann wieder im Militär an und nahm am französisch-spanischen Krieg teil. Er desertierte in der Folge und flüchtete in ein Kloster, wo er sich dem Benediktinerorden anschloss und die niederen Weihen empfing. Auch im Orden war sein Leben unstet, unter anderem wurde er wegen seiner Schriftstellerei angegriffen und er setzte sich als 30-jähriger aus dem Orden ab. Er wurde darauf polizeilich gesucht und flüchtete durch mehrere europäischen Länder. In Den Haag lernte er die Edelkurtisane Lenki Eckhardt kennen, die ihn zur Manon inspirierte. Er unterhielt mit ihr einen aufwändigen Lebensstil, der sie nach London führte, wo Prévost wegen Wechselbetrug ins Gefängnis gesteckt wurde. Kurz: in der Geschichte der Manon Lescaut steckt viel Autobiografisches des illustren Lebens des Abbé Prévost.

Das Libretto der «Manon» ist sehr nahe am Original. Von den drei bekannten Opern, die den Roman zugrunde liegen haben (Massenet, Puccini, Auber) blieb Massenets Story am engsten bei der Vorlage, lediglich das Ende wurde verändert.

Mit Henri Meilhac et Philippe Gille standen Massenet zwei glänzende und routinierte Librettisten zur Verfügung. Das Libretto verdient großes Lob, die Abfolge der Szenen und Akte wechselt geschickt zwischen intimen Szenen und eindrucksvolle Tableaux ab. Die Librettisten verzichteten auf Abschweifungen und hielten die Handlung schlank, jeder Akt zielt auf einen «Coup-de-théâtre» ab, den Massenet wirkungsvoll vertonte.

 

 

Massenets Stilmittel

Massenet hat die «Manon» für die Pariser «Opéra Comique» geschrieben und verwendete deren Stilmittel, beispielsweise treten drei Grisetten (die burlesken Freundinnen von Guillot und De Brétigny) auf. Auch der Einsatz von veralteten musikalischen Formen wie der höfischen Gavotte oder des Menuetts, welche eine karikierende Wirkung haben sind auf Praktiken des Theaters zurückzuführen.

Massenet hat in Manon aber auch viele Stilmittel der Grand Opéra verwendet. So kommt ein Ballett zum Zuge, es besteht aus fünf Akten mit eigenständigen Bühnenbildern und es hat ein tragisches Ende.

 

 

Musik und Leitmotive

Massenets Kompositionsstil beruht auf zärtlichen, fließenden Melodien. Die Musik ist stets poetisch und blumig. Eine wichtige Stellung nehmen die Leitmotive ein. Er war ein glühender Wagner-Verehrer, ohne aber sich gedankenlos der Techniken Wagners zu bedienen. Er verwendete relative viele Leitmotive, besonders für die Person der Manon lassen sich sechs Leitmotive finden, um den Mix ihres Charakters zwischen Melancholie und Fröhlichkeit zu beschreiben und den Wandel ihres Schicksals in den fünf Akten musikalisch zu gestalten. Sie finden in den Musikbeispielen einige Notenbeispiele der Leitmotive.

 

 

Die Rolle der Manon

Die Aufgabe der Protagonistin der Oper ist gewaltig. Manon ist die einzige weibliche Hauptperson dieser Oper, (fast) alles dreht sich um sie. Sie singt 5 Arien, viele Duette und Ensembleszenen.

Die Vielfalt der Darstellung stellt die Hauptdarstellerin vor eine schwierige Aufgabe. Obwohl Manon im eine im positiven Sinne einfache Person ist, muss sie in jedem Akt eine andere Facette zeigen. Im ersten Akt lernen wir eine junge, naive Frau vom Lande kennen. Im zweiten Akt ist sie die romantische Geliebte, die vom mondänen Leben angelockt wird und ihren Liebhaber berechnend fallen lässt. Im dritten Akt ist sie die frivole Mätresse und im vierten Akt die Verführerin. Schlussendlich im letzten Akt muss sie die Metamorphose zur Bereuenden in der Sterbeszene glaubhaft darstellen.

Diese gewaltige Bühnenpräsenz – sie ist fast pausenlos auf der Bühne – und Vielfältigkeit der Charaktere in den fünf Akten ist in der Opernliteratur einzigartig und wird nur von der Violetta in der Traviata erreicht.

 

 

Massenets erster Welterfolg

Die Uraufführung fand am 19. Januar 1884 an der Pariser Opéra Comique statt. Der Erfolg der ersten Aufführungen war gemischt. Marie Heilbronn, die erste Manon erhielt Ovationen und sie sang die Rolle etwa 80 Mal. Massenet wurde des Wagnerismus’ bezichtigt, was in den 80er Jahren in Frankreich noch immer ein Schimpfwort war. Das Werk wurde  rasch von vielen Theatern aufgenommen und zehn Jahre später auch in der Opéra comique mit großem Erfolg wiederaufgeführt. Die Oper wurde zum Welterfolg und wurde seither allein in der Opéra Comique mehrere 1’000-mal gegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

AKT I

 

 

Die Ouvertüre zitiert einige Leitmotive: gleich zu Beginn erklingt das strahlende Thema der Gavotte, die wir im 3. Akt hören werden. Sie symbolisiert Manons Streben nach einem Leben in Luxus:

Manon-Gavotte-Motif

Als zweites hören wir das Militär-Motiv, das das Leben ihres Bruders, der sie empfangen wird, charakterisiert:

Manon-Military-Motif

Prélude – Pappano 

 

 

 

 

Lescaut erwartet seine Cousine

Handlung: Die beiden vermögenden Herren Guillot und von Brétigny vergnügen sich in einer Gastwirtschaft mit drei jungen Freundinnen. Auch Lescaut befindet sich im Wirtshaus. Er erwartet eine Postkutsche, in der seine Cousine Manon sitzt. Er hat von ihrer Familie den Auftrag erhalten, Manon in ein Kloster zu geleiten. Die Postkutsche trifft ein, und Lescaut begrüßt seine 15-jährige Cousine Manon.

Massenet zeigt Manon in «Je suis encore étourdie» als junge Frau, die beeindruckt ist von der großstädtischen Umgebung und deren Reizen. Massenet hat im Originallibretto bei den ersten Worten dieser Arie «Avec charme et émotion» geschrieben. Im französischen hat das Wort «Charme» eine weitergehende Bedeutung als in der englischen und deutschen Sprache. Die Sängerin muss diesem Auftritt der 15-Jährigen Manon einen jugendlichen Sexappeal geben, «eine kindliche Koketterie, einer schon vor der ersten Ahnung zerbrochenen Unschuld» (Kesting). Dem Thema dieser Arie werden wir wiederholt begegnen, es ist das Motiv der naiven, unschuldigen Manon:

Manon-Manon_innocene-Manon_unschuld

Massenet schrieb “avec charme et emotion” im Original-Libretto in die ersten Worte dieser Arie. Im Französischen hat das Wort “Charme” eine umfassendere Bedeutung als im Englischen und Deutschen. Die Sängerin muss dieser Darstellung der 15-jährigen Manon einen jugendlichen Sexappeal verleihen, “eine kindliche Koketterie, eine Unschuld, die schon vor der ersten Idee gebrochen ist” (Kesting).

Bevor wir uns diese Passage anhören, lohnt es sich, dass wir uns in eine Besonderheit des Kompositionsstil von Massenet vertiefen. «Massenet hatte eine ganz eigene Kompositionstechnik – nämlich Textpassagen auswendig zu lernen und sie unendlich oft zu wiederholen, bis ihm die perfekte Melodie für den individuellen Rhythmus jeder Phrase einfiel. Man braucht sich das berühmte «Je suis encore tout étourdie» (Ich bin noch ganz benommen) anzuhören, um ermessen zu können, wie frei die Melodie fließt. Manche Zeilen wie etwa die erste werden nur mit atemlosen oder durchhängenden Pausen gesungen («Je suis … en-core… tout étour-die…e), andere so schnell wie irgend möglich durchgehechelt und wieder andere bieten Gelegenheit für einen lang gehaltenen Ton.» (Abbate / Parker)

Je suis encore étourdie  –  Gheorghiu

 

 

Handlung: Die nächste Szene zeigt Manon von einer nachdenklichen Seite. Sie schaut den drei Freundinnen zu, die sich mit den beiden reichen Männer vergnügen und träumt kurz, ein solches Leben führen zu dürfen.  Doch dies ist nur eine Schimäre, ihre Familie hat entschieden, dass sie ins Kloster gehen muss.

Restons ici… Voyons, Manon, plus de chimères!

 

Handlung: Des Grieux erscheint. Er spricht Manon an und verliebt sich beim ersten Wimpernschlag der Manon unsterblich in sie.

Zärtlich trägt die Solovioline das Leidenschaftsmotiv vor, welches während des Duetts abwechselnd in allen Stimmgruppen ertönt, bis es letztlich die Sängerstimmen erreicht und dort romantisch verklingt:

Manon-Passion-Leidenschaft-Motf

Je sais votre nom  –  Gheorghiu / Alagna

 

Handlung: Es vergehen nur wenige Minuten und die beiden entschließen sich nach Paris auszubüxen.

Begleitet vom Leidenschaftsmotiv beschließen die Beiden das Weite zu suchen.

Hören Sie dieses schöne Duett mit Anna Netrebko und Rolando Villazón.

Nous vivrons à Paris –  Netrebko / Villazón

 

 

 

 

AKT II

 

 

 

Massenet weist dem Orchester eine wichtige Rolle zu. Jeder Akt wird von Orchestermusik eingeleitet. Im schönen Vorspiel zum zweiten Akt hören Sie zwei wichtigsten Leitmotive, die uns durch das ganze Werk begleiten. Das tiefgründige, von den tiefen Streichern gespielte Motiv des Des Grieux trifft auf das neckische, leichtfüßige von den Violinen gespielte Motiv der Manon.

Zu Beginn hören wir das Leitmotiv Des Grieux’:

Manon-Des_Grieux-Motif

Anschließend das spielerische, kokette Motiv der Manon:

Manon-Playful-Spielerisches-Motif

 

Prélude 2ème acte  –  Lopez-Cobos

 

 

Die Briefszene

Handlung: Die beiden wohnen in einem kleinen Appartement in Paris. Des Grieux hat einen Brief an seinen Vater geschrieben mit der Bitte um Zustimmung zu seiner Heirat.

On l’appelle Manon – Gheorghiu / Alagna

 

 

Manons berühmter Abschied –  «Adieu notre petite table»

Handlung: Sie bekommen Besuch. Ihr Cousin Lescaut, begleitet von Brétigny haben sie gefunden. Während Lescaut mit Des Grieux argumentiert, nimmt Brétigny Manon zur Seite und teilt ihr mit, dass Des Grieux’ Vater eine Heirat nicht akzeptieren würde, und dass er seinen Sohn diesen Abend mit Gewalt fortschleppen wird. De Brétigny bietet ihr als Alternative ein Leben in Luxus an. Des Grieux geht zum Postamt, um den Brief an seinen Vater einzuwerfen. Manon hängt ihren Gedanken nach. Zu verführerisch ist De Brétignys Angebot eines Lebens wie … eine Königin. Ihr Entscheid ist gefällt. Nostalgisch nimmt sie Abschied von ihrer kleinen Wohnung.

«Adieu notre petite table» ist eine der berühmten Arien der Manon. Sie  beschreibt den inneren Zwiespalt von Manon zwischen der ehrlichen Liebe zu Des Grieux und ihrem Wunsch nach einer glamourösen Zukunft. So geht Manon in dieser Szene durch ein Wechselbad der Gefühle. Zu Beginn ist sie ergriffen von ihrer Liebe zu Grieux («Mon pauvre chevalier… j’aime»), anschließend die Unsicherheit («Je ne suis digne de lui»). Doch dann wird sie befeuert vom Versprechen eines Lebens im Luxus einer Grosstadt und die Arie erreicht auf dem Wort «beauté» in einem hohen B ihren Höhepunkt. Das Motiv des Brétigny erscheint und für ein paar Momente schwelgt sie in der süßen Vorfreude auf ihre glänzende Zukunft. Doch bald schon wird sie übermannt (überfraut?) von melancholischen Gefühlen des Abschieds («Adieu notre petite table»). Sie realisiert, dass sie Ihren Königinnen-Traum teuer erkauft, nämlich mit dem Verlust ihrer Liebe.

Weite Stellen dieser Arie sind in piano geschrieben. Es sind aufrichtige Worte, deren Gefühle immer wieder im Orchester gespiegelt werden. Die spanische Sängerin Victoria de los Angeles (1923-2005) gilt für viele Experten als die beste Interpretin der Rolle der Manon. Kesting begründet dies so:  «Victoria de los Angeles war die Sängerin der innigen Töne, für all das, was lyrisch und leise in der Musik ist. Ihr einzigartiges und unverkennbares Timbre lag in einem Mantel von Samt». Stratton spricht von «einer Stimme für zärtliche Halbschatten und sanfte Andeutung». Dies sind die idealen Voraussetzungen, für diese intime Schlüsselszene der Manon. Hören wir Victoria de los Angeles in einem Live-Mitschnitt, der das Gesagte exemplarisch dokumentiert.

Allons! …  Adieu, notre petite table (1)  –  de los Angeles

 

Hören wir diese Arie in einer weiteren, wunderbaren Interpretation. Maria Callas hat Manon nie im Opernhaus gesungen.  Hören Sie sie in einem Konzert-Ausschnitt.

Allons! …  Adieu, notre petite table  –  Callas

 

 

Massenets großartige Traum-Arie

Handlung: Als die beiden weggegangen sind, träumt Des Grieux von einem Leben zu zweit. Er träumt von einem Ort, an dem er und Manon glücklich werden können.

Ich schloss die Augen, und ich sah eine schlichte Hütte in des Waldes Mitte, weiß und freundlich stand sie da!

Es herrschte Dunkel und Stille; in einer Quelle kühl und rein spiegelt sich der Blätter Fülle, und es singen Vögelein ‘s wär’ das Paradies! Doch nein!

Alles schaut so grämlich trübe, das Beste fehlt’, wenn ich bliebe, könnt’s nur mit Manon sein!

Die Traum-Arie ist eine der berühmtesten Arien des Standard-Repertoires der Tenöre. Sie erfordert eine unglaubliche Finesse und Präzision, nicht nur in der Tonhöhe, sondern auch in der Resonanz und im Atem. Massenet hat diese delikate, im Piano gehaltene Arie mit einer zauberhaften Orchesterbegleitung geadelt. «Die Orchesterbegleitung besticht mit den hohen changierenden gedämpften Geigen, denen Massenet durch Flöte und Oboe noch mehr Helligkeit verleiht. Sie ist ohne Bässe komponiert und auch die Tenor Melodie ist zurückhaltend, sodass der Eindruck entsteht, die Arie könne jeden Moment abheben.» (Abbate / Parker, «Geschichte der Oper»).

Hören Sie die Aufnahme in einer schlicht großartigen Interpretation von Jussi Björling. Beachten Sie das wunderbare und expressive ritardando auf ca. 2:00 oder das atemraubende diminuendo am Schluss. Björling gilt für viele als der beste Verdi-Tenor des 20. Jahrhunderts. Leider hat er Manon nie auf der Bühne gesungen.

En fermant les yeux (1) – Björling

 

Als nächstes hören Sie eine Aufnahme mit einem Tenor aus unseren Tagen. Jonas Kaufmann, ein großartiger Werther, hat auch Manon mit großem Erfolg gesungen. Er gibt der Arie mit seiner dunkel gefärbten baritonalen Tenorstimme einen melancholischen Charakter.

En fermant les yeux (2) – Kaufmann

 

 

Zwei überragende Aufnahmen aus der guten alten Zeit

Interessierte finden die Traum-Arie in zwei weiteren Versionen hören. Es sind großartige Tonzeugnisse von zwei Tenören der goldenen Ära.

Starten wir mit der legendären Aufnahme aus dem Jahr 1902 von Enrico Caruso. Caruso nahm in Mailand seine allerersten acht Stücke für die Schallplatte auf. Es bedeutete der Start einer großartigen Plattenkarriere. Diese Arie gehört zu dieser ersten Serie. Er nahm das Stück unter dem italienischen Titel «Chiudi gli occhi» mit Klavierbegleitung auf.  Ein besonderer Leckerbissen: er adelte das Stück mit einer seinen berühmten Caruso-Schluchzer.

En fermant les yeux (3) – Caruso

Wenn Sie mehr über die legendären Caruso Aufnahmen hören möchten dann hören empfehle ich Ihnen einen Podcast mit einer Caruso Anekdote.  (https://audioboom.com/posts/7210869-anekdote-wie-enrico-caruso-eine-gescheiterte-ehe-zur-teuersten-schallplatte-der-geschichte-machte ) oder wählen Sie den Itunes Podcast «Anekdoten der Opernwelt» Folge 11).

 

Als letztes lege ich Ihnen ans Herz, dieses Stück in der Interpretation von Julius Patzak zu hören. Etwas langsamer im Tempo und mit großer stimmlicher Intensität; Hühnerhaut garantiert. Kesting beschreibt Patzaks Stimme wie folgt: «Er besaß eine kleine, leicht nasal getönte Stimme von ganz und gar unverkennbarem Timbre – nicht schön, aber ausdrucksvoll, sinnlich und schmerzlich schön getönt. Sie ist eine Stimme, die in die Tiefe des Herzens dringt.»

En fermant yes yeux (4) – Patzak

 

 

Handlung: Doch Manon träumt von einem mondänen Leben in Luxus und warnt Des Grieux nicht. So wird der ahnungslose Des Grieux von seiner Geliebten verraten und am Abend gewaltsam zu seinem Vater gebracht.

 

 

 

 

AKT III

 

 

 

Massenets berühmte Gavotte

Handlung: Es ist Nachmittag. Die bessere Gesellschaft promeniert auf der Cours-de-reine, der großen Flaniermeile Paris’. Manon ist der Mittelpunkt der Gesellschaft.

On s’incline
on baise ma main
car par la beauté je suis la reine

Man verbeugt sich
man küsst meine Hand,
denn durch meine Schönheit bin ich die Königin

Manon singt mit Vitalität und Freude die berühmte Gavotte mit dem hohen Des am Schluss des ersten Teils. Massenet zeichnet keine arrogante Zicke, sondern eine junge glückliche Frau. Das Wort «reine» (Königin) singt sie zuerst im piano, sie kann es selbst kaum glauben, dass sie der bewunderte Mittelpunkt der «haute volée» ist. Erst im zweiten Anlauf singt sie das Wort «reine» im forte. Über Massenets Vorstellung zur Manon gibt es eine sprechende Anekdote: auf seinem täglichen Spaziergang kam er jeden Tag an einem Blumenmädchen mit den blauen, unschuldigen Augen eines Kindes vorbei. Er erzählte später, dass diese Frau für Ihn eine Inspiration für die Manon gewesen sei.

Hören Sie Victoria de los Angeles in einer ungemein virtuosen und gleichzeitig ruhigen und ausdrucksvollen Interpretation, dieses Stückes. Die Arie ist sehr vertrackt und mit schwierigen Koloraturen versetzt. Beachten Sie vor allem die Minute vor dem hohen des, so ab 1:15.

Obéissons… Profitons de la jeunesse (1)    –  de los Angeles

 

Hören Sie eine weiter Interpretation vom russischen Opernstar Anna Netrebko. Sie zeigt wunderschöne hohe Netrebko-Töne aber fällt in der Agilität hinter Victoria de los Angeles (man vergleiche beispielsweise die Triller vor dem hohen Des).

Obéissons… Profitons de la jeunesse (2)  –  Netrebko

 

Manons plötzlicher Sinneswandel

Handlung: Manon lebt ihr Leben in Luxus. An einer Sonntagspromenade lässt Manons reicher Liebhaber sogar das Ballett auftreten, um die anmutige Manon zu feiern. Des Grieux’ Vater ist bei dieser Gesellschaft auch eingeladen, und er erzählt Manon, dass sein Sohn sich zum Priester weihen lasse. Manon ist plötzlich wieder entflammt und lässt ihr mondänes Leben in Paris liegen und macht sich auf den Weg ins Priesterseminar.

 

 

Im Priesterseminar

Handlung: In Saint Sulpice trifft sich die Gemeinde in der Kirche. Sie rühmt die Eloquenz des Priester-Schülers Des Grieux.

Quelle éloquence  –  Lopez-Cobos

 

 

«Ah fuyez douce images» – ein weiterer Geniestreich Massenets

Handlung: In Saint Sulpice hat Des Grieux bereits den Ruf eines begabten Predigers erworben. Er lässt sich auch von seinem Vater nicht davon abbringen sein Leben Gott zu weihen. Doch Des Grieux quälen Bilder aus der Vergangenheit, Gedanken an Manon, die er vergeblich zu verscheuchen versucht.

Wie die Traumarie ist auch dieses Stück eine introspektive Reflexion seiner emotionalen Welt. Es ist zwei Jahre her, dass Manon ihn verlassen hat. Er ist immer noch besessen von ihr. Nach einem Takt des Rezitativs bemerkt Des Grieux «Je suis seul» («Ich bin allein»). Während er seine Entscheidung, Gott zu dienen («C’est le moment suprême») lobt, spielt das Orchester Liebesmusik und scheint Des Grieux zu widersprechen.

Seine Vision von Manon («Ah fuyez douce images») beginnt zart und pianissimo. Später wird die Musik intensiver und zeigt den Schmerz, den die Gefühle für Manon immer noch hervorrufen. Der Mittelteil spielt mit Manons Motiven und er verflucht Manon sogar, ohne sie zu nennen («ce nom maudit»; «dieser verdammte Name»). Die Orgel aus der Kirche begleitet ihn, während er hofft, diese Besessenheit zu überwinden. Aber bald kommen die Schmerzen zurück und er beendet diese große Arie mit einem schönen Diminuendo.

Wir hören diese Arien in verschiedenen Versionen.

Wir starten mit Nicolai Gedda (1925-1987). Er war ein von Kennern hoch geschätzter Tenor. Seine Stimme bestach weniger mit Durchschlagskraft, sondern durch seine Gesangskunst und dem außergewöhnlichen Umfang. Kesting kommentiert: «Stets gelingt es ihm, vokale Eleganz mit absoluter Glaubwürdigkeit zu verbinden, wie in der Kloster Szene aus der 1962er Manon-Aufnahme unter Georges Prêtre: Das Rezitativ gestaltet er als Selbstgespräch eines verwirrten jungen Mannes, der sich vor seiner fatalen Liebe ins Kloster flüchtet. In der Arie wird Des Grieux (und mit ihm der Hörer) von den Gefühlen für Manon überwältigt, im parlando Mittelteil bezwingt Gedda sich noch einmal, während Orgelakkorde erklingen – um dann mit meisterhaft gestalteten Crescendo erneut fortgetragen zu werden.»

Je suis seul… ah fuyez douce images (1)  –  Gedda

 

Die nächste Aufnahme stammt von Jonas Kaufmann. Sie stammt aus seiner CD von 2007 (Romantic Arias), welche hervorragende Kritiken erhalten hat. Das größte Lob (das immer wieder zitiert wurde) kam von dem hoch angesehenen Kritiker John Steane, der in der Zeitschrift Grammophon Jonas Kaufmann als den Kandidaten für den zukünftigen Top Tenor sah. Insbesondere die Manon Ausschnitte standen hervor. Auch die französische Kritik war des Lobes voll, die hervorragende französische Diktion des Deutschen wurde würdigend vermerkt.

Je suis seul… ah fuyez douce images (2)  –  Kaufmann

 

Als nächstes hören wir wieder Jussi Björling in einer weiteren bestechenden Interpretation.

Je suis seul… ah fuyez douce images (3)  –  Björling

 

Als letztes möchte ich Tito Schipa auf die Playlist nehmen. Des Grieux war einer seiner Lieblings Rollen. Schipa besticht wie immer durch die elegante Stimme, die wie nur wenige den Schmerz ausdrücken kann. Hören Sie eine Aufnahme aus den dreißiger Jahren.

Je suis seul… ah fuyez douce images (4)  –  Schipa

 

 

Manons Verführung des angehenden Priesters

Handlung: Da taucht Manon auf, bittet ihn um Vergebung. Des Grieux kann ihren Zärtlichkeiten nicht widerstehen – Ist es nicht die gleiche Stimme, die gleiche zärtliche Hand, die ihn einst bezauberte?

Massenet setzt in dieser Szene sämtliche musikalische Register der weiblichen Verführungskunst: Große Tonsprünge, um ihre Emotionen auszudrücken, Umspielung ihrer Worte mit einer zarten Solovioline, schmachtende, fast gehauchte Worte der Manon.

Sehen Sie diese eindringliche Szene in einer Fernsehversion mit Anna Netrebko und Rolando Villazón.

N’est-ce plus les mains (1)  –  Netrebko / Villazón

 

Und in einer zweiten Interpretation mit einer hervorragenden los Angeles. Zu dieser Aufnahme meint Kesting : «Es gelingt ihr, die Uneigentlichkeit der dargestellten Empfindungen auszudrücken, jene unterdrückte Sinnlichkeit, die der Musik Massenets ihre hysterische Note gibt.»

N’est-ce plus les mains (2)  –  los Angeles / Haye

 

Eine dritte, hervorragende Variante hören Sie mit Angela Gheorghiu. Vielleicht die Version mit der größten Verführungskunst.

N’est-ce plus les mains (3)  –  Gheorgiu / Alagna

 

 

 

 

 

AKT IV

 

 

 

 

 

Handlung: Des Grieux und Manon leben wieder zusammen. Manons Wunsch nach Luxus verschlingt große Summen. Bald schon hat Des Grieux hat seinen Erbteil verprasst. Aus Verzweiflung sucht er sein Glück im Spiel. Er spielt im Kasino gegen Guillot.

Manon fiebert im Glücksspiel mit, der Wunsch nach Gold und Luxus erhitzt sie.

Faites vos jeux, Messieurs … Ce bruit de l’or – Gheorgiu

 

Handlung: Dieser verliert viel Geld und bezichtigt Des Grieux des Falschspiels. Die Polizisten, vom Vater Des Grieux‘ instruiert, verhaften Des Grieux zum Schein, haben es aber auf Manon abgesehen. Sie wird als Komplizin ins Gefängnis gesteckt.

 

 

AKT V

 

 

 

 

Manons Sterbeszene

Handlung: Manon ist zur Deportation nach Übersee verurteilt worden. Des Grieux und Lescaut wollen sie befreien. Mit seinem letzten Geld besticht Lescaut einen Sergeanten und die tödlich erkrankte Manon wird für kurze Zeit freigelassen. Manon bereut ihre Taten und bittet Des Grieux um Vergebung. Sie erinnert sich an ihre gemeinsame Zeit von Liebe und Zärtlichkeit.

Mit den Worten «Et c’est là, l’histoire de Manon Lescaut” stirbt Manon in den Armen Des Grieux’

Hören Sie diesen Schluss mit Rolando Villazón und Anna Netrebko, mit einem wunderschönen Schlussbild der Berliner Staatsoper des amerikanischen Hollywood Regisseurs Vincent Paterson, unbedingt bis zum Ende schauen.

Ah! des Grieux!.. O Manon!

 

 

Aufnahme-Empfehlung

 

EMI, Victoria De Los Angeles, Henry Legay unter der Leitung von Pierre Monteux und dem Chor und Orchester der Oper von Paris.

oder

EMI, Angela Gheorghiu, Roberto Alagna unter der Leitung von Antonio Pappano und dem Chor und Orchester de la monnaie.

 

 

 

 

Peter Lutz, opera-inside, dem online Opernführer zu MANON von Jules Massenet.

 

 

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